Obligationen haben in den Augen vieler Anlegerinnen und Anleger einen schlechten Ruf. Sie gelten als langweilig und bieten wenig Raum für gute Geschichten, mit denen man im Freundeskreis punkten kann. Erfolge bei der Auswahl von Aktien oder bei der Spekulation mit Bitcoin sind diesbezüglich deutlich attraktiver. Dennoch gehören Obligationen als stabilisierendes Element ins Portfolio, auch wenn das 2022 nicht funktioniert hat. Der starke Zinsanstieg in jenem Jahr war neben dem Inflationsschub auch der Corona-Pandemie geschuldet.
von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
Ohne Corona hätten die Zentralbanken die Zinsen früher angehoben, wie es die Fed ab 2018 vorgemacht hat. Die zyklisch notwendigen Zinserhöhungen wären in diesem Fall über eine längere Periode verteilt worden, was die Kursverluste auf den Obligationen geglättet hätte. Insgesamt bestätigt die Erfahrung der letzten dreissig Jahre, und damit über verschiedene Konjunkturzyklen hinweg, jedoch das stabilisierende Element konservativer Obligationen.
Damit ist das Stichwort gegeben, welches es zu beachten gilt. Die Stabilitätsfunktion bedingt eine konservative Auswahl der Bonität der Emittenten, was das Renditepotenzial einschränkt. Die Durchschnittsrendite des Swiss Bond Index und damit eines breiten Obligationenportfolios in Schweizer Franken ist von 2.10% Ende 2022 auf 0.87% gesunken. Sie widerspiegelt die Erwartung, dass die SNB ihren Leitzins von derzeit 1.25% auf deutlich unter 1.00% senken wird.
Längere Tiefzinsphase zu erwarten
Gemessen an den Forward-Rates der Franken-Swaps wird danach mit einer längeren Tiefzinsphase gerechnet. Die aktuellen Renditen der Obligationen sind nicht auf dem tiefen Niveau wie während der Negativzinsphase, aber Euphorie lösen sie keine aus. Die Suche nach Alternativen mit mehr Ertrag rückt wieder in den Vordergrund, insbesondere für Investoren wie Pensionskassen, die eine Mindestrendite zu erreichen haben.
Vor Angeboten, welche ohne Risiken eine Rendite von mehreren Prozent in Schweizer Franken versprechen, sei aber gewarnt. Niemand bezahlt freiwillig hohe Zinsen. Das Kleingedruckte im Prospekt ist wichtig, was man spätestens seit der Ausradierung der AT1-Anleihen der Credit Suisse weiss oder schmerzhaft erfahren hat. Private Debt ist ein anderes Zauberwort, welches alle Renditeprobleme lösen soll. Dabei handelt es sich um Kredite für Firmen, die für die Emission einer börsenkotierten Anleihe zu klein sind und daher den direkten Weg zu den Investoren suchen. Die Regeln der Kreditwürdigkeit sind aber die gleichen wie bei kotierten Anleihen. Hohe Renditen erhält man nur bei einer minderen Bonität. Ob man sein Geld in schwer bis gar nicht handelbare Anlagen mit einem grossen Ausfallrisiko investieren will, muss überlegt sein.
Mehr Rendite = mehr Risiko
Für mehr Rendite etwas mehr Kreditrisiko einzugehen, ist grundsätzlich keine schlechte Anlageidee. Kreditrisiken werden über einen Konjunkturzyklus hinweg effektiv mit einer Mehrrendite entschädigt. Wichtig ist dabei, dass die Ausfallrisiken der einzelnen Schuldner gut diversifiziert werden. Anlagefonds von High Yield Obligationen mit mehreren Hundert Schuldnern sind eine Möglichkeit, die Entschädigung für die Kreditrisiken mit einem kontrollierten Kreditrisiko abzuschöpfen. Dass ein paar Emittenten in diesen Gefässen Konkurs gehen, ist praktisch sicher, wird aber durch die höheren Renditen der anderen Anleihen mehr als kompensiert.
Den Obligationenteil im Portfolio kann und muss man in einem Umfeld tiefer Zinsen aktiver bewirtschaften. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es mehr Rendite ohne mehr Risiko nicht gibt. Riskantere Obligationen können ihre stabilisierende Funktion im Portfolio nur bedingt erfüllen, weshalb im Zweifelsfall ein Verzicht auf mehr Rendite zu Gunsten eines tieferen Risikos in Kauf genommen werden sollte. (SGKB/mc)