Die Loyalität der Anlegergemeinde ist ein flüchtiges Gut. Vor dem Jahresende schien es noch, als sei für die Technologieaktien der Himmel die Grenze. Die Investoren rissen sich alles aus den Fingern, was auch nur im Entferntesten mit Cloud, E-Mobilität und Ähnlichem zu tun hatte, als seien es die letzten Tage des Sonder schlussverkaufs. Drei Wochen und ein paar Auftritte von Fed-Präsident Powell später sieht die Börsenwelt ganz anders aus. Die Stimmung an den Aktienmärkten hat gedreht und die so hochgelobten Technologieaktien sind effektiv zum Ausverkaufsprodukt geworden.
Während die meisten Aktienindizes seit Jahresbeginn um die 6% eingebüsst haben, ist der Nasdaq bis zu 15% gesunken. Die Aktien des Highflyers par excellence Tesla haben 30% eingebüsst. Sie handeln aber immer noch mit einem KGV von 80x den erwarteten Gewinn für 2022. Die Aktie von Netflix hat 50% eingebüsst und die Corona-Sternschnuppe Peloton, übrigens ein Herrsteller von Indoor-Bikes, ist mit einem Minus von 85% verglüht. Auf der anderen Seite werden die lange verschmähten Value-Aktien nun in den Himmel gelobt.
Fed als Taktgeber
Der Auslöser für diesen Stimmungsumschwung ist die Bestätigung der Fed, dass sie im März ihren Leitzins erhöhen wird und dass sie die Inflation nun doch als eine grössere Gefahr betrachtet als noch im letzten Jahr. Ganz so neu ist diese Haltung nicht. Bereits im Dezember haben die Fed-Vertreter angedeutet, dass 2022 vier Zinserhöhungen zu erwarten sind. Neu ist nur, dass die Fed rasch nach dem ersten Zinsschritt mit der Verkleinerung ihrer Bilanz beginnen will. Nun überbieten sich die Analysten und Kommentatoren mit Warnungen vor noch mehr Zinserhöhungen. Wie es in diesem Jahr acht Zinserhöhungen bei sieben verbleibenden Sitzungen des Fed-Gremiums geben soll, ist dabei das Geheimnis des betreffenden Analysten einer grossen amerikanischen Investmentbank.
Begründet wird das neue Misstrauen gegenüber den Aktien von wachstumsorientierten Firmen mit den höheren Zinsen, die den Gegenwartswert der in der Zukunft erwarteten Gewinne reduzieren. Mathematisch ist das korrekt. Die Ungenauigkeit der Schätzung, wieviel Tesla in zehn oder fünfzehn Jahren verdienen wird, ist jedoch grösser als der Einfluss des Diskontfaktors. Kommt hinzu, dass eine höhere Inflation auch die nominellen Erträge von Tesla in die Höhe treibt. Ob die Zinsen über diese zehn bis fünfzehn Jahre effektiv so viel höher sind als heute, ist auch nicht sicher. Es ist noch nicht lange her, dass man mit Argumenten wie der Demographie und der Globalisierung zu erklären versuchte, warum das allgemeine Zinsniveau in Zukunft tiefer sein wird als in der Vergangenheit.
Tech-Wertre gehören in diversifiziertes Portfolio
Die Techfirmen sind heute nicht schlechter aufgestellt als im Dezember. Die Abschlüsse von Microsoft und Apple haben gezeigt, dass vor allem die grossen Unternehmen in diesem Sektor wahre Cash-Maschinen sind. Technologieaktien gehören deshalb auch in einem Umfeld steigender Zinsen in ein gut diversifiziertes Portfolio. Nur muss man sich bei der Beurteilung und der Auswahl der Aktien an so langweiligen Kriterien wie einem robusten Geschäftsmodell, einer starken Marktpositionierung oder einer soliden Bilanz orientieren.
Die Loyalität an der Börse ist wie erwähnt ein flüchtiges Gut. Es ist gut möglich, dass nach ein paar ruhigeren Börsenwochen die Value-Aktien wieder versorgt werden und exorbitante KGVs von Wachstumstiteln mit glorreichen Prognosen von Gewinnen in ferner Zukunft gerechtfertigt werden. (SGKB/mc)