St. Gallen – Seit Anfang Februar sind die Zinsen in den USA deutlich gestiegen. Die Rendite der 10-jährigen Treasury Note hat sich von 0.90% auf 1.60% erhöht. Gleichzeitig sind die Aktienkurse der Technologieaktien teilweise markant gefallen. Tesla hat zwischenzeitlich rund einen Drittel seines Wertes verloren. Die Mahner vor einem Börsencrash sehen ihre Zeit gekommen. Höhere Finanzierungskosten sind das Ende der Schuldenwirtschaft und des Höhenflugs an den Aktienmärkten. Das Ganze gilt es zu relativieren.
Der Zinsanstieg in den USA ist in seinem Ausmass und seiner Geschwindigkeit recht stark. Verglichen mit früheren Perioden ist das Niveau der Zinsen aber immer noch tief. Während der letzten Nullzinsphase der Fed pendelte die Rendite der 10-jährigen US-Anleihe zwischen 1.80% und 2.80%. Der kürzliche Zinssprung ist vor allem eine Korrektur des starken Zinsrückgangs im letzten Frühjahr zu Beginn der Corona-Pandemie. Die US-Inflationserwartungen, die als Argument für weiter steigende Zinsen herhalten müssen, sind auch gestiegen. Sie befinden sich aber im Bereich der letzten Jahre und werden die Fed nicht zu einer voreiligen Änderung ihrer Nullzinspolitik bewegen. Von einem Zinsschock für die Unternehmen zu sprechen, ist daher reichlich übertrieben.
Sondereffekt bei Technologieaktien
Dass die Kurse der Technologieaktien gesunken sind, ist nicht verwunderlich. Der Kurs von Tesla war im Vergleich zu Ende 2019 auf seinem Höchst zehnmal höher. Ende des letzten Jahrs hat er sich innert eines Monats noch einmal verdoppelt. Dass am Ende sehr viel Hoffnung und nicht nur Realität im Preis drin war, ist keine gewagte Prognose. Etwas Luft aus dem Kurs abzulassen, ist daher nicht schlecht. Ähnlich sieht die Situation bei anderen High Flyern der letzten Monate aus. Positiv ist zu vermerken, dass die Einbrüche bei den Tech-Aktien von den Anlegern als Sonderereignis betrachtet werden und nicht zu einer allgemeinen Verunsicherung und zu Kursverlusten auf breiter Front geführt haben. Das Geschäftsmodell der Tech-Firmen wegen etwas höherer Zinsen abzuschreiben, wäre auch übertrieben. Die grossen Tech-Konzerne sitzen auf Bergen von Cash und haben keinerlei Finanzierungsschwierigkeiten. Zudem profitieren sie vom aktuellen Digitalisierungsschub. Bei den Fintechs sind mehr Geldanfragen von verzweifelt nach Alternativen zu den tiefen Zinsen suchender Investoren vorhanden als gute Ideen.
Höhere Zinsen als Folge der erwarteten Erholung der Weltwirtschaft
Dass die Zinsen steigen, hat vor allem mit der sich abzeichnenden Erholung der Weltwirtschaft zu tun. In einem solchen Umfeld steigt die Nachfrage nach Gütern und Rohstoffen. Dass dies mit teilweise höheren Preisen verbunden ist, ist normal. Ob die höheren Produktionskosten vollständig auf die Konsumenten überwälzt werden können, ist jedoch eine andere Geschichte. Die erhöhte Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen führt dennoch zu höheren Erträgen der Unternehmen, was sich wiederum in höheren Aktienkursen auswirkt. In wirtschaftlichen Erholungsphasen sind deshalb gleichzeitig steigende Zinsen und steigende Aktienkurse kein Widerspruch. Diese Konstellation ist nach Rezessionen oft zu sehen, insbesondere wenn das Niveau der Zinsen noch tief ist
Höhere Zinsen werden dann zu einem Problem, wenn sie die Folge einer stark überschiessenden Inflationsentwicklung sind, welche die Zentralbanken zu einer sehr restriktiven Zinspolitik zwingt. Dies war in den 70er- und zu Beginn der 80erJahre der Fall. Davon sind wir heute weit entfernt. Der Inflationsdruck ist in den Industrieländern immer noch sehr gering. In den Augen vieler Zentralbanken ist er noch zu tief. Zudem steht bei ihnen die Stimulierung der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie im Vordergrund, weshalb sie noch längere Zeit an ihrer expansiven Zinspolitik festhalten werden. (SGKB/mc/ps)