SGKB Investment views: Wer hat Recht, der Aktien- oder der Obligationenmarkt?
St. Gallen – Die geschundene Anlegerseele kann sich über die Entwicklung an den Finanzmärkten in den letzten Wochen nicht beklagen. Die meisten Aktienindizes haben mehr als 10% zugelegt. Die von den Anlegern vor Weihnachten befürchtete Rezession ist wieder in der Schublade der Erinnerungen verschwunden. Das zeigt sich auch an der Freude an High Yield-Obligationen. Die durchschnittliche Risikoprämie bei den Dollar-Anleihen ist von 5.90% auf 4.90% gesunken und liegt fast schon wieder auf dem Niveau des letzten Sommers. Dabei sind es gerade diese Obligationen, welche bei einer Rezession am meisten durch Zahlungsausfälle der Schuldner leiden würden.
Nicht in das rosige Bild und den gestiegenen Risikoappetit passt die Zinsentwicklung bei den sicheren Staatsanleihen. Die Rendite des 10-jährigen US-Treasury
ist von 2.80% auf 2.65% gesunken. Um eine 10-jährige Anleihe der Eidgenossenschaft zu kaufen, sind die Anleger wieder bereit, eine jährliche Rendite von 0.30% zu bezahlen. Die Flucht in die Sicherheit dieser Anleihen zeugt von der Angst vor einem Einbruch der Konjunktur. Da stellt sich natürlich die Frage, wer Recht hat, der risikofreudige Aktienmarkt oder der ängstliche Obligationenmarkt?
Optimismus
Wirtschaftliche Argumente für ihre Sicht können beide Märkte ins Feld führen. Die Käufer von sicheren Anleihen weisen auf die Beinahe-Rezession in Deutschland und den deutlichen Wachstumsrückgang in Europa und in China hin. Die optimistischen Aktionäre erwähnen die insgesamt guten Zahlen der Unternehmen im vierten Quartal sowie die anhaltend solide US-Wirtschaft. Diese hat an Dynamik verloren, ist aber vor einem Fall in die Rezession weit entfernt. Die Jobmaschine beispielsweise läuft immer noch auf vollen Touren. Die Erwartungen an die Wirtschaftsentwicklung sind insgesamt aber gesunken, so dass der Einfluss der Konjunkturzahlen auf die Aktien und Zinsen in nächster Zeit gering sein wird.
Wahrnehmung politischer Risiken wechselt rasch
Im Dezember hat die Angst vor neuen Strafzöllen die Risikoanlagen in den Keller getrieben. Nun argumentieren die Käufer von Aktien mit einer Einigung zwischen den Amerikanern und den Chinesen im Handelsstreit und begründen damit ihre neu gefundene Risikofreude. Konkrete Anhaltspunkte dazu haben sie jedoch nicht. Gleichzeitig droht der US-Präsident mit neuen Zöllen, beispielsweise auf ausländischen Autos, welche die Sicherheit der USA gefährden sollen. Der Brexit spielt an den internationalen Finanzmärkten eine Nebenrolle, obwohl die Klippe eines ungeordneten Brexits schnell näher rückt. Politische Risiken sind von ihrer Natur her unberechenbar. Deshalb sollten sie bei Anlageentscheiden nicht im Zentrum stehen.
Sowohl die Aktienkäufer als auch der Obligationenmarkt finden in der Neueinschätzung der Geldpolitik Argumente für ihre Haltung. Die Fed ist laut ihrer Sicht mit Zinserhöhungen am Ende und wird eher die Zinsen senken als noch weiter erhöhen. Die EZB und die SNB werden sich in den nächsten Jahren nicht von den Negativzinsen verabschieden. Das hilft der Wirtschaft und billiges Geld ist sowieso gut für die Finanzmärkte. Ob die Fed die Zinsen wirklich nicht weiter erhöht, wird sich zeigen. Wird die Geldpolitik der Zentralbanken entgegen den heutigen Erwartungen doch noch restriktiver, wird das die Finanzmärkte belasten und zu tieferen Aktienkursen und höheren Zinsen führen. (SGKB/mc/ps)