St. Gallen – Die Rezession wegen der Corona-Pandemie fällt tief aus. Wie während der Finanzkrise mussten die Notenbanken auch heuer ihre Geldpolitik neu denken und eine Art «Covid-19»-Geldpolitik entwickeln. Diese ist einerseits geprägt von ultratiefen Leitzinsen. Aber nicht nur: Die Fed hat insgesamt 27 Programme lanciert, um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, die Europäische Zentralbank (EZB) lancierte deren 8 und die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat so massiv am Devisenmarkt interveniert wie noch nie zuvor.
Die Bilanzsumme der SNB ist stark angestiegen, weil sie am Devisenmarkt intervenieren musste. Auch die Summen der EZB und der Fed notieren höher. Mit den Anleihenkaufprogrammen sind aber nicht nur die Bilanzsummen angestiegen, sondern die Notenbanken halten nun auch viel mehr verschiedene Anleihen in ihren Büchern. Die Fed hat ihre Positionen in US-Staatspapieren seit Ausbruch der Krise stark ausgeweitet und kauft neuerdings auch Unternehmensanleihen. Die EZB tut es ihrem amerikanischen Pendant gleich. Die Notenbanken greifen mit diesen Programmen immer stärker in den Kapitalmarkt ein. Da die Konjunktur noch nicht zur alten Form zurückgekehrt ist, wird dies andauern.
Die Abhängigkeit wächst
Dass die Notenbanken schnell eingriffen, um das Finanzsystem und ihren Wirtschaftsraum zu stabilisieren, war richtig und notwendig. Die Erfahrungen mit Lehman Brothers haben gezeigt, dass in solchen unsicheren Schocksituationen die Notenbanken unbedingt stützend eingreifen müssen, um einen Dominoeffekt zu verhindern. Aber mit den vielen zusätzlichen Programmen nimmt die Abhängigkeit der Finanzmärkte von den Notenbanken weiter zu. Aber nicht nur: Auch die Abhängigkeit der Staaten von den Notenbanken wächst. Gerade weil die Notenbanken nun vermehrt Staatsanleihen kaufen, laufen sie Gefahr, ein unverzichtbarer Financier zu werden – gerade bei der EZB und der Fed. Denn je mehr die Notenbanken Staatsanleihen ihres Landes kaufen, desto stabiler wird die Finanzierungslage des jeweiligen Staates. Ein gutes Beispiel dafür ist Japan, das trotz seiner extrem hohen Staatsverschuldung nicht negativ auffällt, weil japanische Institutionen die Papiere kaufen.
Kurzfristig kein Problem, langfristig potenzielles Risiko
Die Notenbanken haben in kritischen Situationen jeweils schnell reagiert und die Lage an den Finanzmärkten stabilisiert, um die Realwirtschaft vor weiteren Schäden zu schützen. Wenn die Kapitalmärkte nicht mehr funktionieren oder die Banken keine Kredite mehr vergeben können, leidet die Realwirtschaft zusätzlich. Aber die stabilisierenden Massnahmen dürfen nicht zur Dauerlösung werden. Sonst nimmt die gegenseitige Abhängigkeit immer weiter zu und die Unabhängigkeit der Notenbank wird immer mehr in Frage gestellt. Das würde die Notenbanken langfristig viel Vertrauen kosten und die Wirkung ihrer Geldpolitik unterwandern. Das wäre schlecht, weil die Notenbanken vor allem für die Preisstabilität zuständig sind und wir alle davon betroffen wären, wenn sie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen könnten.
Von solch einer Lage sind wir weit entfernt und die Inflationserwartungen sind nicht nur tief, sondern auch stabil. Langfristig ist es aber vor allem wichtig, dass die Ansprüche der Politik an die Notenbanken nicht weiter zunehmen und die Zentralbanken nicht zum Staatsfinanzierer werden. Um zu wissen, dass dies fatal ist, reicht ein Blick in die Geschichtsbücher. (SGKB/mc/ps)