Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank (SGKB). (Foto: SGKB)
St. Gallen – Die Schweizer Wirtschaft ist im zweiten Quartal real um 0.2% gewachsen. Da die Preise in diesen drei Monaten stabil blieben oder sogar leicht stiegen, ist auch nominal ein kleines Wachstum zu verzeichnen. Die Wirtschaft hat also den ersten Schock nach der Aufhebung der Euro-Untergrenze absorbiert. Der private Konsum ist anhaltend hoch und die Ausrüstungsinvestitionen haben zugenommen. Das zeugt davon, dass die allgemeine Grundstimmung in der Schweiz trotz Frankenstärke und internationalem Krisenlamento intakt ist. Dies ist ein positives Zeichen. Dennoch sollte man sich nicht einfach zufrieden zurücklehnen.
Der starke Franken ist für viele kleinere und mittlere Unternehmen eine grosse Belastung. Von der Zinssenkung der SNB in den negativen Bereich profitieren sie auch nicht, da die Kreditzinsen dadurch nicht gesunken sind. Im Gegenteil: Durch die gestiegenen Zinsabsicherungskosten der Banken haben sich ihre Finanzierungsbedingungen gar verschlechtert.
Der Anpassungsprozess ist nicht abgeschlossen
Da sich auf absehbare Zeit an der Frankenstärke wenig ändern wird, müssen sich diese Unternehmen an die neue Situation anpassen. Solche Anpassungsprozesse brauchen ihre Zeit und sie sind erst am Anfang. In der Vergangenheit hat sich die Schweizer Wirtschaft auch dank Massnahmen der SNB wie Zinssenkungen oder die Einführung der Euro‐Untergrenze rasch erholt. Bevor die Unternehmen Arbeitsplätze abbauen mussten, war alles schon wieder gut.
Die SNB kann auf die aktuelle Wachstumsschwäche aber nicht mehr reagieren. Die Zinsen noch weiter zu senken, hilft der Wirtschaft nicht, sondern verschärft nur die Kollateralschäden der Negativzinsen, beispielsweise für die Pensionskassen. Eine nachhaltige Abschwächung des Frankens ist nach der Aufhebung der Euro Untergrenze auch nicht mehr möglich, da der Devisenmarkt ihr das nicht mehr zutraut.
Je länger der Anpassungsprozess desto höher der Druck
Je länger die Erholung aber auf sich warten lässt, desto grösser wird der Druck, die Produktionsprozesse zu verschlanken oder ins billigere Ausland zu verlagern. Dadurch wird die Arbeitslosigkeit steigen und die Attraktivität der Schweiz als Zuwanderungsland abnehmen. Eine Häufung negativer Meldungen aus der Wirtschaft wird zudem das Sentiment belasten und das «Gefühl der Krise» verstärkt aufkommen lassen. Damit wird auch der private Konsum, einer der wichtigen stabilen Pfeiler unserer Konjunktur, unter Druck geraten.
Wir wollen keine Untergangsszenarien an die Wand malen. Die Schweizer Wirtschaft hat in der Vergangenheit schon öfters gezeigt, dass sie anpassungsfähig ist und auch schwierige Situationen meistern kann. Dies wird auch mit der aktuellen Frankenstärke der Fall sein. Es wird aber länger dauern, als die meisten von uns das gewohnt sind. Wir rechnen deshalb auch für das nächste Jahr 2016 mit einem unterdurchschnittlichen Wachstum von lediglich 0.8% für das BIP in der Schweiz. (SGKB/mc/pg)
Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank (SGKB).