Zürich – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ändert ihre Praxis bei der Verzinsung der sogenannten Sichtguthaben. An der geldpolitischen Ausrichtung ändere sich jedoch nichts, wurde betont.
Die SNB reduziert konkret den Faktor für die Limite, die bei der abgestuften Verzinsung der Sichtguthaben zur Anwendung kommt, wie die Währungshüter am Montag mitteilten. Per Anfang Dezember werde dieser auf das 25- statt das 28-fache der Mindestreserven gesenkt.
Auf Sichtguthaben bis zu dieser Limite komme der SNB-Leitzins zur Anwendung. Sichtguthaben über der Limite werden zum SNB-Leitzins abzüglich eines Zinsabschlags von 0,5 Prozentpunkten verzinst.
Ausserdem werden Sichtguthaben, die zur Erfüllung der Mindestreserven gehalten werden, nicht mehr verzinst, so das Communiqué weiter.
An der aktuellen geldpolitischen Ausrichtung ändere sich durch die Anpassungen nichts, betonte die SNB. Die Anpassungen sollen laut der Notenbank vielmehr eine weiterhin effektive Umsetzung der Geldpolitik sicherstellen. Und sie sollten die Zinskosten der Nationalbank senken.
«Technischer Vorgang»
Laut Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank und Nationalbank-Experte, handelt es sich um einen sehr technischen Vorgang. Grundsätzlich wolle die SNB auf den Sichtguthaben keinen Zins bezahlen und ein solcher Zins zähle auch nicht zu ihrem geldpolitischen Instrumentarium. Nach der Zinswende habe sie aber überschüssige Girogelder an sich binden müssen – um sicherzustellen, dass der wichtige Saron nahe am SNB-Leitzins notiere.
Dies müsse nun aber nicht mehr im gleichen Umfang geschehen, weil die SNB in den letzten Monaten Devisen verkauft habe. Auf der Aktivseite der Bilanz habe sich die entsprechende Position verkleinert, womit es auf der Passivseite weniger Girogelder brauche.
Stucki geht denn auch davon aus, dass der Faktor über die Zeit noch weiter sinken wird. Die Nationalbank überprüfe die Verzinsung der Sichtguthaben grundsätzlich regelmässig und nehme bei Bedarf jeweils Anpassungen vor, schrieb die SNB selber in ihrem Communiqué.
Weniger Zinszahlungen
UBS-Ökonom Maxime Botteron erwartet vom Entscheid eine höhere Geldmarktaktivität. Dies – also die wirksame Transmission der Geldpolitik und das Funktionieren des Geldmarktes – ist seiner Meinung nach auch der Grund für die Änderungen bei der Verzinsung.
Laut Botteron reduziert sich gleichzeitig mit der Massnahme aber auch der Zinsaufwand der SNB um rund 700 Millionen Franken pro Jahr. Dies halten verschiedene Nationalbank-Experten aber für ein unwichtiges Argument, weil es sich für die SNB um eine marginale Summe handle.
Auch die Vorwürfe, die SNB subventioniere mit der Verzinsung der Giroguthaben die Banken, seien nicht der Grund für die jetzige Änderung gewesen, meint Stucki in diesem Zusammenhang. «Es geht der SNB um das Funktionieren der Geldpolitik.»
«Es wirft Fragen auf»
Für das SNB-Observatory um die Ökonomen Stefan Gerlach, Yvan Lengwiler und Charles Wyplosz ist das Thema gleichwohl von hoher Relevanz. Die Verzinsung der Reserven belaste einen möglichen Gewinn der SNB Jahr für Jahr, hielten sie in einem ebenfalls am Montag veröffentlichten Bericht mit dem Namen «Soll die SNB den Banken Zinsen zahlen?» fest.
Und sie rechnen vor, dass sich die Kosten allein im ersten Halbjahr auf rund 3,4 Milliarden summiert hätten. «Einfach auf das ganze Jahr hochgerechnet ist dies mehr als der maximale Gewinn von 6 Milliarden Franken, den die SNB in einem guten Jahr an die Öffentlichkeit ausschütten könnte.» Dies werfe zumindest die Frage auf, ob es sinnvoll sei, Reserven weiterhin zu verzinsen.
Dies gelte umso mehr, weil es kaum Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Banken «ihre Gewinne aus der Verzinsung der Reserven nun an die Kunden weitergeben, indem sie Gebühren senken oder erhöhte Zinsen auf Bankeinlagen zahlen», so der Bericht. (awp/mc/pg)