SNB hilft Banken mit höheren Freibeträgen auf Negativzinsen
Bern – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kommt den Banken und damit indirekt auch den KMU und den Kleinsparern entgegen. Sie hat die Freibeträge, ab denen Banken für ihr bei der SNB geparktes Geld Negativzinsen bezahlen müssen, erhöht. Der Druck auf die Banken, die Negativzinsen den Kunden weiterzureichen, nimmt damit ab.
Die SNB hat anlässlich ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung vom Donnerstag zwar ihren Leitzins unverändert bei -0,75 Prozent belassen, sie passt aber die Berechnungsrundlage für den Negativzins per Anfang November zugunsten der Banken an. Wie die SNB mitteilte, wird der Negativzins zwar weiterhin auf jenem Teil der (Sicht)guthaben der Banken bei der SNB erhoben, der einen bestimmten Freibetrag überschreitet. Dieser wird aber neu monatlich aktualisiert.
Faktor auf 25 erhöht
Die genaue Berechnung der Freibeträge ist relativ technisch, u.a. wird laut den SNB-Angaben ab dem genannten Datum der Freibetragsfaktor auf 25 von aktuell noch 20 erhöht. Die Anpassung führt insgesamt aber dazu, dass der Freibetrag für das Bankensystem steigt und die Negativzinseinnahmen der SNB sinken. Die SNB hat bekanntlich mit den erhobenen Negativzinsen im vergangenen Jahr rund 2 Milliarden eingenommen, im ersten Halbjahr 2019 waren es rund 1,1 Milliarden.
Die Anpassung der Berechnungsgrundlage trage dem Umstand Rechnung, dass sich das globale Tiefzinsumfeld in letzter Zeit weiter verfestigt habe und noch länger anhalten könnte, begründete die SNB ihren Schritt. Erst letzte Woche hatte etwa die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Einlagesatz weiter in den Minusbereich gedrückt, und am (gestrigen) Mittwoch hat auch die US-Notenbank Fed ihren Zins bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr gesenkt.
Die SNB war in den letzten Wochen denn auch von allen Seiten wegen ihrer Negativzinspolitik unter Druck gekommen. Es wurde befürchtet, dass die SNB die Zinsen ebenfalls nochmals senken bzw. ihre Negativzinspolitik verschärfen könnte. Immer mehr Banken drohten damit, in einem solchen Fall einen grösseren Kreis von Firmen- und Privatkunden mit Negativzinsen zu belasten. Dass bald auch Kleinsparer die Negativzinsen zu zahlen hätten, schien nur noch eine Frage der Zeit.
«Nachteile grösser als Vorteile»
Die hiesigen Banken sehen sich wegen der Negativzinsen auch im internationalen Wettbewerb benachteiligt. Die 2 Milliarden an Negativzinsen, die sie letztes Jahr bezahlen mussten, hätten 5 Prozent der Bruttozinserträge der Banken entsprochen; dies sei ein massiver Eingriff in die Rentabilität, sagte denn auch vor kurzem Herbert Scheidt, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) vor den Medien.
Ob die Anpassung der SNB bereits genügt, um die Negativzinsen nicht an die Kunden weiterzugeben, muss jedes Institut für sich entscheiden. Generell dürfte es den Druck auf die Banken aber erst einmal verringern, meinte Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch in einem ersten Kommentar. Mit der neuen Regelung werde sich die Durchschnittsbelastung nach seinen Berechnungen ab November halbieren.
Generell wurden die Nachteile der Negativzinspolitik zuletzt vermehrt in den Fokus gerückt, so etwa bei den Pensionskassen, die ihre Leistungen nicht mehr aufrechterhalten könnten, oder im Hinblick auf den Immobilienmarkt, der immer mehr zu überhitzen drohte. Die Nachteile der Negativzinspolitik überwögen die Vorteile, hiess es von allen Seiten.
Auch prominente Wirtschaftsvertreter wie UBS-Präsident Axel Weber äusserten sich in dieser Richtung: Es gebe bei den Zinsen einen Punkt, ab dem die Entwicklung ins Negative kippe und der Schaden für die Wirtschaft grösser werde als der Nutzen. «Ich glaube, dass die Schweiz mit ihrem Satz von -0,75 Prozent nicht mehr weit davon entfernt ist», sagte er kürzlich gegenüber der «NZZ».
«Im schlimmsten Fall das Gegenteil»
Wieweit die SNB-Verantwortlichen diesen Stimmen Rechnung trugen, lässt sich von aussen nicht sagen. SNB-Präsident Thomas Jordan verwahrte sich gegen die Kritik, die Nationalbank habe die Freibeträge für Negativzinsen auf Druck der Banken erhöht: «Nein, überhaupt nicht. Wir reagieren prinzipiell nie auf Druck», sagte er gegenüber «Radio SRF».
So oder so: dass die SNB den Zins nicht gesenkt hat und mit dem Schritt zur Neuberechnung der Freibeträge gar eine leichtes Zeichen Richtung Normalisierung setzte, wird in Analystenkreisen positiv bewertet.
«Es ist wohltuend zu sehen, dass sich die eidgenössischen Währungshüter nicht dem internationalen Reigen von Zinssenkungen angeschlossen hat», sagte VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel. Auch die Entlastung aufseiten des Negativzinses sei zu begrüssen. Negativzinsen sollten ein Anreizsystem zur vermehrten Kreditvergabe sein.
Sei die Nachfrage aufgrund eines eingetrübten Konjunkturausblicks aber schwach, verfehlten die Negativzinsen ihren Zweck, meinte er. Finanzinstitute würden damit geschwächt und im schlimmsten Falle passiere das Gegenteil von dem, was sich die Nationalbank eigentlich wünsche, nämlich eine steigende Kreditvergabe, so der Ökonom. (awp/mc/pg)