Too big to fail: SNB erklärt Raiffeisen-Gruppe für systemrelevant
Pierin Vincenz, CEO Raiffeisen Gruppe. (Bild: Raiffeisen)
St. Gallen – Die Raiffeisen-Gruppe ist nach UBS, Credit Suisse und ZKB nun auch von der Nationalbank als systemrelevant für die Schweizer Volkswirtschaft eingestuft worden. Jetzt muss die Finma entsprechend strengere Anforderungen festlegen; auch muss Raiffeisen einen Notfallplan für systemrelevante Funktionen einreichen. Angesichts der Neuigkeit fanden die Halbjahreszahlen am Mittwoch weniger Beachtung.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) entschied am 16. Juni nach Anhörung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), dass die Raiffeisen-Gruppe Dienstleistungen anbietet, die für die Schweizer Volkswirtschaft unverzichtbar und kurzfristig nicht ersetzbar sind. Dies teilte die SNB am Mittwoch mit.
«Wir haben das erwartet»
Angesichts der Grösse des Kerngeschäfts, dem inländischen Einlagen- und Kreditgeschäft, kann das Management der Raiffeisen-Gruppe die Entscheidung nachvollziehen. «Wir haben das erwartet», sagte CEO Pierin Vincenz an einer Medien-Telefonkonferenz. Er gehe aber nicht davon aus, dass strengere Vorschriften die grundsätzliche Strategie der Raiffeisen einschränken würden – etwa mit Blick auf Expansionspläne.
Einzelne Teile leicht abspaltbar
Die Raiffeisenbanken hätten ohnehin bereits heute höhere Anforderungen als etwa Regionalbanken; auch werde eine Verbesserung der Liquidität in den kommenden Jahren bereits angestrebt. Man sei in der Lage, Eigenmittel in-house zu generieren oder am Kapitalmarkt zu beschaffen, sagte der Gruppenchef.
Der Vorteil sei zudem: «Wir sind schon eine ‹Schweiz Genossenschaft'», sagte er mit Blick auf den Notfallplan, der von «Too big to fail»-Banken geliefert werden muss. Jede der rund 300 Raiffeisenbanken sei ein einzelnes Gebilde. «Wir sind ganz anders aufgestellt als ein Filialsystem», kein so integrierter Konzern wie andere und viel transparenter. Die fein gegliederte Struktur sei klar ein Vorteil. Sollte dies aber nicht ausreichen, könnte man einzelne Teile sehr leicht abtrennen, fügte Vincenz hinzu. Wie teuer der Mehraufwand wegen der höheren regulatorischen Anforderungen ausfallen könnte, sagte er nicht.
Finma analysiert notwendige Anforderungen
Wie die Anforderungen letztlich konkret aussehen werden, sei Gegenstand einer Analyse, sagte ein Sprecher der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zu AWP. Sicher sei, dass eine Einstufung als «too big to fail» eine höhere Eigenkapitalliquidität erfordere sowie einen Notfallplan zur Sicherstellung der systemrelevanten Funktionen. Gegenwärtig darf gemäss den gesetzlichen Bestimmungen das Eigenkapital auf Stufe des Einzelinstituts nicht weniger als 14% der risikogewichteten Aktiven (RAW) betragen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass die Vorgabe für Raiffeisen höher ausfällt, so der Sprecher. Per Ende 2013 wies Raiffeisen gemäss Geschäftsbericht eine Kernkapitalquote von 13,6% aus.
Für die auch als systemrelevant geltenden UBS und Credit Suisse hatte die Finma im Mai für die Eigenkapitalanforderung ab 2019 einen theoretischen Wert von 19,2% bzw. 16,7% der RWA festgelegt – entsprechend der Bankengrösse und des nationalen Marktanteils. Dies auf Basis der Geschäftszahlen 2012. Da die zwei Institute ihre Bilanzen seither aber bereits weiter gesenkt haben bzw. in den nächsten Jahren noch weiter senken wollen, dürften die dannzumal anwendbaren Werte tiefer ausfallen. Die Anforderungen werden laut Finma periodisch veröffentlicht.
Hypotheken und verwaltete Vermögen weiter gewachsen
Indes erzielte die Raiffeisen-Gruppe im ersten Halbjahr 2014 einen 1,3% höheren Betriebsertrag von 1,40 Mrd CHF. Der Bruttogewinn hingegen lag kaum verändert (-0,2%) bei 533 Mio, und der Gruppengewinn sank um 1,5% auf 363 Mio im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das Hypothekargeschäft wuchs um 2,4% auf 147,2 Mrd und die verwalteten Vermögen um 2,8% auf 192,3 Mrd im Vergleich zu Ende 2013. Mit Ausnahme des Handelsgeschäfts, aufgrund schwieriger Marktbedingungen, legten den Angaben nach alle Ertragspositionen der Gruppe zu.
Für das laufende Jahr erwartet die Gruppe ein operatives Ergebnis über dem Vorjahreswert. Hinzu komme im zweiten Semester ein Gewinn von 44 Mio CHF aus dem Verkauf der Beteiligung an der Vontobel Holding, hiess es. Dieser soll nach Aussagen von CEO Vincenz bis zum September 2014 abgeschlossen sein. Der Kooperationsvertrag laufe hingegen noch bis Mitte 2017; bis dahin müssten die entsprechenden Produkte abgewickelt werden. (awp/mc/pg)