Zürich – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im dritten Quartal 2021 ihre Devisenmarktinterventionen wieder zurückgefahren. Von Juli bis September beliefen sich die Interventionen der SNB auf 2,79 Milliarden Franken, wie der am Freitag publizierten SNB-Statistik zu entnehmen ist.
Im zweiten Quartal hatte die SNB für 5,44 Milliarden Franken am Devisenmarkt interveniert, nachdem es im ersten Quartal nur 296 Millionen Franken gewesen waren.
Die SNB ist somit im Gegensatz zu früheren Aufwertungsphasen bemerkenswert passiv geblieben. Im Gesamtjahr 2020 hatte sie wegen der Coronapandemie sogar so stark wie noch nie seit Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Jahre 2015 interveniert und Fremdwährungen für fast 110 Milliarden Franken gekauft.
Die Devisenkäufe wirken sich auch in der SNB-Bilanz aus. Bis Ende November 2021 hat die Nationalbank einen Devisenberg von 1006,4 Milliarden Franken angehäuft.
Weiterhin Interventionen bei Bedarf
Mitte Dezember hatte die SNB ihre Absicht betont, bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt zu intervenieren. Denn sie sieht den Franken als nach wie vor «hoch bewertet» an.
Aktuell ist der Euro mit Kursen deutlich unter 1,04 Schweizer Franken so schwach wie seit 2015 nicht mehr. Ausschlaggebend für die Schwäche des Euro ist, dass sich die Wirtschaft der USA und der Schweiz besser entwickelt als die der Eurozone.
Zudem gelten Dollar und Franken in unsicheren Zeiten als sichere Häfen. Dazu kommt, dass die Inflation in der Schweiz deutlich geringer ist als im Euroraum. Dies stärkt den Franken zum Euro zusätzlich.
Noch im März kostete ein Euro 1,1153 Franken. Danach fiel der Kurs der Gemeinschaftswährung bis heute auf 1,03355 Franken, den tiefsten Stand seit Aufhebung des Euro-Mindestkurs durch die SNB im Januar 2015.
Dagegen hat der Dollar seit Jahresanfang Jahr um über 3 Prozent zugelegt und kostet aktuell 0,9138 Franken. Der Euro hat gleichzeitig zum Greenback knapp 8 Prozent eingebüsst. Daher hat sich der Euro zum Franken abgeschwächt.
Starke Wirtschaft und Zinserwartungen
Auslöser des festen Dollar ist neben der starken Wirtschaft die hohe Inflation in den USA. Diese hat die US-Notenbank dazu veranlasst, früher als erwartet von ihrer ultralockeren Geldpolitik Abschied zu nehmen. Im kommenden Jahr sollen die Leitzinsen in drei Schritten erhöht werden.
«Die US-Notenbank Fed hat die Schraube sehr stark angezogen», sagt Zinsspezialist Philipp Burckhardt von Lombard Odier. Dies stärke die US-Devise. Dagegen wollen EZB und SNB die Zügel noch nicht straffen.
Die SNB wird aber nicht tatenlos zusehen, wenn der Franken immer stärker wird, denkt Adrian Schneider, Anlagestratege bei der Graubündner Kantonalbank. Lasse die Notenbank den Euro in Richtung Parität sinken und halte nicht «glaubwürdig» dagegen, öffne sie Tür und Tor für Spekulanten.
Schneider geht zudem davon aus, dass die EZB 2022 den Fuss etwas vom Gaspedal nehmen wird. Zudem habe die Inflation in der Eurozone den Höhepunkt erreicht. Daher erwarte er eine Erholung des Euro in Richtung 1,10. Auch die Analysten der Credit Suisse sehen den Euro in Jahresfrist bei 1,10 Franken.
Unsicherheit spricht hingegen für Franken
Andere Experten rechnen jedoch damit, dass die Aufwertung des Frankens weitergeht und die Parität zum Euro kommen wird. Denn in einem unsicheren Umfeld, geprägt von Geldentwertung und Pandemie, suchten viele Anleger nach einem «sicheren Hafen». Und der sicherste Hafen ist und bleibt die Schweiz, erklärte etwa die Investmentbank Goldman Sachs unlängst in einer Studie.
Momentan bereitet der Euro-Kurs der SNB noch kaum Kopfschmerzen, glaubt Burckhardt. Denn solange die Inflation in der Schweiz geringer ist als in Euroland, könne die SNB eine gewisse Aufwertung des Franken zulassen und den Wechselkurs in Richtung Parität laufen lassen. «Die Wirtschaft kann mit der aktuellen Wechselkurssituation relativ gut leben.»
Doch wenn der Franken sehr schnell sehr stark aufwerten würde, dürfte die SNB zum Instrument der Überraschung greifen, wie sie das sowohl bei der Einführung wie auch bei der Aufhebung des Euro-Mindestkurses getan hat. «Dieser Joker ist Teil des Instrumentariums der SNB als kleine Zentralbank», sagt Burckhardt. (awp/mc/ps)