SNB-Direktoriumspräsident Thomas Jordan. (© SNB)
Zürich – Die internationale Stellung des Schweizer Bankenplatzes steht seit einigen Jahren verstärkt unter Beschuss. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, anlässlich einer Veranstaltung des Swiss International Finance Forum am Dienstag die Frage nach der Zukunft des Finanzplatzes. «Kann die vergleichsweise kleine Schweiz auch in Zukunft einen Bankenplatz von globaler Bedeutung beheimaten», stellte er die einleitende Frage.
Jordan bejaht die Frage und nennt gleichzeitig aber drei Voraussetzungen, die dazu nötig seien. «Die Banken müssen erstens weit überdurchschnittlich gute Dienstleistungen anbieten, zweitens weit überdurchschnittlich krisenresistent sein und drittens eine weit überdurchschnittlich hohe Reputation aufweisen. Es liegt in erster Linie in den Händen der Banken selbst, diese Voraussetzungen zu erfüllen», so Jordan.
Gleichzeitig seien aber auch Politik und Behörden gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Banken dabei unterstützen würden. Mit Blick auf diese Rahmenbedingungen streicht Jordan vier Faktoren hervor:
Erstens gelte es, eine nachvollziebare und wirksame Bankenregulierung um- und durchzusetzen. Regulierung sei dann nachvollziehbar, wenn sie auf ein spezifisches Marktversagen ausgerichtet sei, das den Grund für den Eingriff bilde. Gleichzeitig müsse gewährleistet werden, dass die Regulierungen mit internationalen Standards kompatibel seien und, falls notwendig, mit einem «Swiss Finish» ergänzt würden.
TBTF-Problematik entschärfen
Beim Thema Bankenregulierung stünden in der Schweiz aktuell zwar in erster Linie die Risiken, die von den Entwicklungen am Immobilien- und Hypothekarmarkt ausgingen, im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. «Für die langfristige Bedeutung des Schweizer Bankenplatzes ist aber vor allem die Entschärfung der ‹Too big to fail›-Problematik (TBTF) entscheidend: Nur wenn dies gelingt, wird es auf die Dauer möglich sein, in der Schweiz auch global ausgerichtete Banken zu beheimaten», erklärte Jordan.
Entsprechend wichtig seien Regulierungsbemühungen, welche die TBTF-Problematik in der Schweiz deutlich eindämmen würden. Mit dem Schweizer TBTF-Gesetz, das derzeit umgesetzt werde, sieht Jordan den Bankenplatz aber auf einem guten Weg.
«Noch sind wir aber nicht am Ziel», schränkt er gleichzeitig ein. Zum einen könnten die gegenwärtigen rechtlichen und organisatorischen Strukturen der beiden weltweit tätigen Grossbanken im Krisenfall noch keine ordentliche Abwicklung gewährleisten. Die bereits angekündigten Massnahmen dieser Banken gingen aber in die richtige Richtung.
Als zweiten grundlegenden Erfolgsfaktor für einen international erfolgreichen Bankenplatz Schweiz nennt Jordan stabile politische und ökonomische Verhältnisse. Die jüngste Finanzkrise habe deutlich gemacht, dass die mit der Schweiz verbundene Stabilität weiterhin ein gewichtiges Argument für die Geldanlage bei unseren Banken darstelle. Dieser Stabilitätsbonus sei aber nicht gegeben, er müsse laufend erarbeitet werden.
AIA löst Bankkundengeheimnis ab
Drittens müssten die Banken davon ausgehen, dass das Bankkundengeheimnis im grenzüberschreitenden Geschäft durch den automatischen Informationsaustausch (AIA) abgelöst werde. Für den steuerehrlichen Kunden bleibe aber der Schutz der Privatsphäre und die damit verbundene Rechtssicherheit auch unter dem AIA-Standard ein legitimes Anliegen.
Um als globaler Vermögensverwaltungsplatz weiterhin attraktiv zu sein, müsse die Schweiz deshalb innerhalb dieses AIA-Rahmens ein Konzept entwickeln, das den Schutz der Privatsphäre dauerhaft garantiere. Damit könnte für den Schweizer Bankenplatz ein wichtiges Differenzierungsmerkmal geschaffen werden. Dabei müsse es gelingen, die Frage des Schutzes der Privatsphäre von der Frage der Steuerkonformität zu trennen.
Als vierten Punkt verweist der SNB-Präsident auf die Wichtigkeit des sicheren Zugangs zu ausländischen Märkten. Gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen bestehe derzeit die Gefahr, dass im Zuge der in vielen Ländern laufenden Regulierungsreformen versteckte Marktzutrittsbarrieren errichtet würden. In diesem Zusammenhang sei der Vorschlag der Brunetti-Gruppe zu unterstützen, der vorsehe, mit den vom Exportpotenzial her wichtigsten Ländern Abkommen auszuhandeln, die den Marktzugang für Schweizer Banken wahren würden.
CS hat Schlussstrich gezogen und kann gut in die Zukunft schauen
Die Credit Suisse hat laut SNB-Präsident Thomas Jordan mit der mit den US-Behörden erzielten Einigung nun einen Schlussstrich unter eine langjährige, belastende Situation gezogen. Die Bank habe die Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit gelehrt und könne nun zuversichtlich in die Zukunft schauen, sagte Jordan weiter. Derweil werde die SNB ihre Geschäfte mit der CS wie bis anhin weiterführen.
Der Fall der Credit Suisse sei ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die Zeiten im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft verändert haben, so der SNB-Präsident. Das Geschäft habe dem Schweizer Bankensektor in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Reputationsschaden beschert. Die früher jahrzehntelang international geduldete Praxis, dass ausländische Bankkunden auch unversteuertes Vermögen auf Schweizer Bankkonten hielten, habe die Schweiz mehrfach in politisch heikle Situationen gebracht. «Dies hat uns der Fall der Credit Suisse einmal mehr deutlich vor Augen geführt», sagte Jordan.
Mit Blick auf die noch ausstehenden Verhandlungen der US-Behörden mit anderen Banken geht Jordan davon aus, dass die USA alle Banken gleich und fair behandelten und unabhängig davon, ob die Bank aus der Schweiz stamme oder nicht. (awp/mc/ps)