Zürich – Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ist mit ihrer Zinspause wieder einmal eine kleine Überraschung gelungen. Statt der von vielen erwarteten sechsten Zinserhöhung in Folge, beliessen die Währungshüter den Leitzins bei 1,75 Prozent.
Bei den meisten Ökonomen kommt diese überraschende Entscheidung vom Donnerstag aber unter dem Strich gut an. Vor allem untermauere die SNB damit ihre Eigenständigkeit, so der Tenor.
Im Vorfeld hatte die Mehrzahl der Ökonomen mit einem weiteren – womöglich finalen – Zinsschritt um 25 Basispunkte auf 2,0 Prozent gerechnet. Denn trotz der zuletzt etwas tieferen Inflation, bleibe der Preisdruck hoch, so das Argument der Experten.
Kampf ist noch nicht vorbei
Diesen Druck sehen auch die Direktoriumsmitglieder um Thomas Jordan. «Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei», sagte der SNB-Präsident im Interview mit AWP. Immerhin ist die Teuerung in der Schweiz seit der letzten Lagebeurteilung der SNB im Juni leicht auf 1,6 Prozent gesunken.
Dennoch sei nicht auszuschliessen, dass eine weitere geldpolitische Straffung nötig sein wird, um die Preisstabilität auch in der mittleren Frist zu gewährleisten, warnten die Währungshüter. Die SNB werde daher die Entwicklung der Inflation in den kommenden Monaten genau beobachten.
Für zahlreiche Ökonomen ist die Entscheidung der SNB auch ein Beleg dafür, dass sie den Wirtschaftsrisiken derzeit einen höheren Stellenwert beimisst als dem Inflationsdruck. Mit ihrer Entscheidung «gewichtet sie die gegenwärtige Unsicherheit über das heimische und globale Wirtschaftswachstum höher als die Furcht vor einer hartnäckig höheren Inflation», meint auch der Chefökonom der Bank Vontobel, Reto Cueni. «Dies macht aus unserer Sicht durchaus Sinn, da wir von einer weiteren Abschwächung der globalen Konjunktur ausgehen, die auch die Schweizer Wirtschaft treffen dürfte.»
Gleichzeitig bedeutet die heutige Pause nicht das Ende der straffen Geldpolitik. «Wenn nötig, können wir die Geldpolitik zu einem späteren Zeitpunkt weiter straffen», kündigte Jordan an. Dabei sei eine weitere Erhöhung der Zinsen eine Option. Darüber hinaus sei es möglich, dass die Währungshüter «ihre zweite Waffe gegen die Inflation einsetzen und durch Devisenverkäufe den Schweizerfranken stärken, um die importierte Inflation zu dämpfen», sagte Ökonom Cueni.
Teuerungsschub voraus
Der jüngste Rückgang der Inflation in der Schweiz liege vor allem an tieferen Preisen für importierte Waren und Dienstleistungen, erklärte die SNB weiter. Doch die Teuerung dürfte in den kommenden Monaten angesichts steigender Wohnungsmieten und höherer Energiepreise erneut etwas zunehmen.
Dies lassen auch die jüngsten Zinsprognosen der SNB erwarten. Die Nationalbank geht davon aus, dass sich die Teuerung nur langsam zurückbilden wird. Erst ab 2025 dürfte sie nachhaltig unterhalb der 2-Prozent-Schwelle liegen. Bekanntlich peilt die SNB eine Inflation zwischen null und höchstens 2 Prozent an.
Im Ausland haben die wichtigsten Notenbanken zuletzt unterschiedliche Entscheide getroffen. Während die US-Notenbank Fed ihre Zinspause am Vorabend verlängerte, hat die Europäische Zentralbank vergangene Woche ihre Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte erhöht.
Für den Karsten Junius, Chefökonom der Bank Safra Sarasin ist es vor allem gut, «dass die SNB wie schon bei der ersten Zinserhöhung in diesem Zyklus unabhängig von der EZB agiert und allein gemäss den wirtschaftlichen Notwendigkeiten in der Schweiz entscheidet.» (awp/mc/ps)