Bern – Tiefe Zinsen und keine Ende in Sicht. Seit mehr als sechs Jahren liegen die Leitzinsen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bei rekordtiefen -0,75 Prozent. Das SNB-Direktorium sieht trotz Kritik keinen Anlass, das auf absehbare Zeit zu ändern.
«Wir brauchen höhere Inflationsraten und die Situation muss sich erheblich ändern, bevor die Geldpolitik geändert wird», sagte SNB-Direktor Thomas Jordan am Donnerstag im Anschluss an die geldpolitische Lagebeurteilung.
Die Preise ziehen zwar auch in der Schweiz an, wie die Nationalbank feststellte. Aktuell erwartet die SNB eine Inflation 0,2 Prozent im laufenden Jahr, von 0,4 Prozent im 2022 und von 0,5 Prozent im Jahr 2024. Als «Preisstabilität» gilt bei der SNB ein Höchstwert von 2 Prozent.
Die etwas höhere Inflationserwartung der Notenbanker hat aber vor allem mit dem Franken zu tun, der sich zuletzt zu Euro und Dollar verbilligt hat. Dazu kommende steigende Erdölpreise. Eine Änderung in der Geldpolitik werde damit nicht signalisiert, betonte Jordan.
Franken hoch bewertet
Jordan begrüsst zwar die jüngste Abschwächung des Schweizer Frankens, erachtet diesen aber immer noch als «hoch bewertet». Die Nationalbank sehe daher keinen Anlass für eine Neuausrichtung der Geldpolitik.
Entsprechend wird sich die SNB weiterhin auf ihre zwei bewährten Instrumente stützen, um der von der Corona-Pandemie gebeutelten Wirtschaft zu helfen: Auf die rekordtiefen Zinsen sowie die Bereitschaft, am Devisenmarkt zu intervenieren.
Im Krisenjahr 2020 hatte die SNB für fast 110 Milliarden Franken Fremdwährungen gekauft – so viel wie noch nie seit Aufhebung des Mindestkurses.
Keine Konzeptänderung
Jordan mag seinen Werkzeugkoffer und will ihn auch in Zukunft nicht missen. Den unlängst von Ökonomen erhobenen Forderungen erteilte er eine Absage. «Wir haben keinen Anlass, etwas zu verändern», sagte Jordan.
Die Gruppe mit dem Namen «SNB-Observatory» hatte kürzlich unter anderem ein fixes Inflationsziel von 2 Prozent gefordert sowie ein Wechselkursziel, dass die Nationalbank kommunizieren solle.
Die SNB habe mit ihrer Definition von Preisstabilität gute Erfahrungen gemacht, betonte Jordan. «Unsere Definition verschafft uns mehr Flexibilität und somit viele Vorteile», erklärte dieser. Auch auf die Frage nach der expliziteren Bindung des Frankens an einen Währungskorb argumentierte Jordan mit der höheren Flexibilität im heutigen System.
Aufschwung ab Frühjahr
Die Währungshüter rechnen nun mit einer deutlichen Erholung der Schweizer Wirtschaft und sagen für das laufende Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandproduktes (BIP) um rund 2,5 bis 3 Prozent voraus. Die Prognoseunsicherheit bleibe aber hoch – und zwar in beide Richtungen.
Einerseits könnten neue Ansteckungswellen die Konjunkturentwicklung erneut belasten. Andererseits könnten geld- und fiskalpolitische Massnahmen die Erholung stärker stützen als angenommen.
Die Auswirkungen des US-Konjunkturpaketes etwa dürften sich positiv auswirken, sagte Jordan. Den SNB-Berechnungen zufolge wird das billionenschwere Paket aber nicht zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen und daher auch nur einen vorübergehenden Inflationsanstieg mit sich bringen. Es gilt also weiterhin: Keine Teuerung in Sicht.
Nicht in die offizielle Berechnung der Inflation gehen allerdings Vermögenswerte wie Wohneigentum oder Aktien ein. Wer zum Beispiel in letzter Zeit seine Traumimmobilie gesucht hat- schöner Wohnen hat während Corona an Gewicht gewonnen – kann ein Lied davon singen. (awp/mc/ps)