Jordan: Keine rezessiven Gefahren in der Schweiz
Thomas Jordan, Präsident SNB Nationalbank
Zürich – Die Schweiz wird aus heutiger Sicht kaum in eine Rezession abgleiten. Dies erklärte SNB-Präsident Thomas Jordan in einem Gespräch mit dem Tagesanzeiger. Aus heutiger Optik sieht er für das dritte und vierte Quartal schwach positive Wachstumsraten. Die Unsicherheiten seien aber gross und eindeutig nach unten gerichtet. Für das Gesamtjahr 2012 erwarte er nach wie vor 1% Wachstum, erklärte Jordan weiter.
Der Mindestkurs von 1.20 CHF ist kein Instrument zur Feinsteuerung der Wirtschaft, betont der SNB-Präsident. Er habe aber die deflatorischen Risiken stark vermindert. Zusätzliche Massnahmen könnten aber nicht ausgeschlossen werden. Die schwache Weltkonjunktur und die schwierige Situation für die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Sektoren bestärkten ihn darin, dass es absolut notwendig ist, diesen Mindestkurs beizubehalten. Inflationsanzeichen gäbe es keine.
Noch keine Beruhigung am Immobilienmarkt
Im zweiten Quartal gab es vereinzelte Hinweise auf eine mögliche Verlangsamung der Dynamik auf dem Immobilienmarkt. Die Daten aus dem dritten Quartal bestätigen diese Verlangsamung jedoch nicht: Wir verzeichnen weiterhin eine starke Dynamik bei den Hypothekarkrediten. Auch steigen die Preise besonders für Eigentumswohnungen in beachtlichem Tempo. Das starke Kreditwachstum, das wir derzeit erleben, bedeutet, dass sich die Haushalte hoch verschulden und die Banken entsprechend exponiert sind. Das müssen wir insbesondere dann genau beobachten, wenn das Kreditvolumen deutlich stärker wächst als das nominelle Bruttoinlandprodukt, also die Verschuldung relativ zum BIP stark zunimmt. Eine solche Entwicklung lässt sich über die letzten Jahre zurückverfolgen. Wenn die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt nicht mehr durch fundamentale Faktoren zu erklären ist, dann bewegen wir uns in Richtung einer Preisblase, die früher oder später platzen wird, so Jordan weiter. In gewissen Segmenten, vorab bei Eigentumswohnungen und in bestimmten Regionen, sind die Preissteigerungen so stark gewesen, dass man sie nicht mehr fundamental erklären kann. Deshalb müssen die zuständigen Behörden die Entwicklung genau verfolgen, besonders im gegenwärtigen Umfeld mit den extrem tiefen Zinsen, die diese Entwicklung begünstigen.
«Too big to fail»-Problem ist nach wie vor nicht gelöst
Wir sind in der Schweiz auf einem sehr gutem Weg das «Too big to fail»-Problem zu lösen. Die Banken haben in den letzten Monaten grosse Fortschritte erzielt, was die Kapitalausstattung angeht. Der Bereich, der sich immer noch äusserst schwierig gestaltet, ist die geordnete Abwicklung gescheiterter Banken mit internationaler Tätigkeit. Hier müssen wir im Verbund mit anderen Ländern nach Lösungsmodellen suchen, weil die Schweiz das nicht alleine regeln kann, so Jordan. Sehr vieles ist noch im Fluss. Es gibt Bereiche, in denen grosse Fortschritte zu verzeichnen sind. Das betrifft zum Beispiel die Kapitalaufschläge. Das Financial Stability Board, also jenes Gremium, das die Bankenregulierung international koordiniert, hat unlängst die Liste der 28 systemrelevanten Banken veröffentlicht. Dort steht auch, welche Kapitalaufschläge als internationales Minimum für diese Banken verlangt werden. Andernorts müssen wir noch intensiv arbeiten, etwa beim ganzen Krisenmanagement, das die Abwicklung systemrelevanter Banken mit einschliesst. Doch auch dort sind Fortschritte erkennbar. Nur geht es in dieser Hinsicht nicht so schnell, weil verschiedene Rechtsräume involviert sind und die gegenseitige Abstimmung eine hochkomplexe Angelegenheit ist, erklärte Jordan weiter. (TA/mc/cs)