London – Ende der Erstklassigkeit: Nach Frankreich und Österreich hat auch der milliardenschwere Euro-Rettungsfonds EFSF die höchste Kreditwürdigkeit verloren. Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s stufte am Montagabend die Bonität von Bestnote «AAA» auf «AA+» zurück und begründete den Schritt damit, dass französische und österreichische Anleihen ihre Top-Bonität verloren hätten. Anleger orientieren sich an dieser Einstufung und könnten künftig deshalb etwas höhere Zinsen für ESFS-Anleihen verlangen.
Diesen Schritt hatten die Finanzmärkte nach der Abstufung von neun Euro-Staaten, die für den Fonds bürgen, am Freitag durch S&P erwartet. Die europäischen Börsen und Finanzmärkte hatten insgesamt gelassen auf die Neubewertung reagiert, allerdings waren die Handelsplätze in den USA am Montag geschlossen. Frankreich besorgte sich zu sehr günstigen Zinsen frisches Kapital.
Regling: Fonds weiter handlungsfähig
EFSF-Chef Klaus Regling unterstrich in Luxemburg, dass der Fonds weiter handlungsfähig sei und über ausreichende Mittel verfüge, den Verpflichtungen nachzukommen. Ausserdem sei der Fonds nur durch eine der drei grossen Agenturen abgestuft worden. Die Bundesregierung betonte bereits vor der Herabstufung, die Finanzierung des Fonds sei sicher. Seine Ausstattung müsse nicht vergrössert werden. Nachdem Frankreich und Österreich am Freitag die Topnote bei S&P verloren hatten, spielen nur noch vier Euro-Staaten – neben Deutschland die Niederlande, Finnland und Luxemburg – in der ersten Liga. Möglicherweise kommen auf den Fonds für das leicht höher eingeschätzte Risiko auch leicht höhere Zinszahlungen an Investoren in EFSF-Anleihen zu.
Um das zu verhindern, müsste entweder der Umfang möglicher Hilfskredite reduziert werden oder die Euro-Länder müssten den Fonds mit höheren Garantien absichern. Spannung verspricht, zu welchen Konditionen sich der der EFSF an diesem Dienstag finanzieren kann.
Bundesregierung: Am EFSF-Volumen muss sich nichts ändern
Aus Sicht der Bundesregierung muss sich durch den Bonitätsverlust nichts am Volumen des EFSF ändern. «Es gibt (…) keinerlei Handlungsbedarf», erklärte die Regierungssprecher in Berlin. Schon gar nicht beim dauerhaften Rettungsschirm ESM, der bereits im Juli und damit ein Jahr früher starten soll, und wegen seiner anderen Finanzierungsstruktur mit Barkapital robuster aufgebaut ist. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht keine Notwendigkeit für höhere Absicherungen. «Für das, was der EFSF in den nächsten Monaten an Aufgaben hat, reicht der Garantierahmen bei weitem aus», sagte er im Deutschlandfunk. Das S&P-Urteil zweifelt Schäuble aber an. «Ich glaube nicht, dass Standard & Poor’s wirklich begriffen hat, was wir in Europa schon auf den Weg gebracht haben.»
Kommissionssprecher: «Eigenartiger Zeitpunkt»
Auch die EU-Kommission lässt kein gutes Haar an dem Schritt. «Ich denke, die Ratingagenturen sollten die beispiellosen Massnahmen der Regierungen besser miteinrechnen», kritisierte Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Ein Kommissionssprecher monierte, der Entzug der Bestnote käme zu einem «eigenartigen» Zeitpunkt, da es vergangene Woche gute Nachrichten gegeben habe. Aufatmen in Frankreich: Trotz des «AAA»-Verlustes konnte sich die zweitgrösste Euro-Volkswirtschaft 8,59 Milliarden Euro frisches Geld an den Finanzmärkten leihen. Die Zinsen für kurzfristige Geldmarktpapiere sanken sogar im Vergleich zur letzten Versteigerung.
Erste Nagelpropbe für Frankreich am Donnerstag
Die erste richtige Nagelprobe kommt allerdings am Donnerstag, wenn Paris mehr als neun Milliarden Euro bei Investoren einsammeln will. Dann geht es um Anleihen mit einer längeren Laufzeiten, die mehr Vertrauen in die langfristige Bonität eines Landes erfordern. Die Ratingagentur Moody’s kündigte an, Frankreich vorerst nicht herabzustufen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Moody’s-Bericht berichtete. Eine Entscheidung werde im Rahmen einer Neubewertung der Eurostaaten bis Ende März fallen. Die dritte grosse US-Ratingagentur Fitch hatte am vergangenen Dienstag bekanntgegeben, es sei binnen Jahresfrist nicht mit einem Verlust der Spitzenbonitätsnote «AAA» zu rechnen.
Euro-Gruppenchef Juncker: EFSF trotz Abstufung stark
Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, sieht die etwas schlechtere Bonität des Euro-Rettungsfonds gelassen. Zu der Entscheidung von S&P erklärte Juncker am Montagabend: «Wir nehmen das zur Kenntnis und werden die Folgen der Entscheidung (…) bewerten.» Juncker hob hervor, dass der EFSF nach «AAA» noch immer die sehr gute Bewertung «AA+» habe. Zudem liessen die anderen beiden grossen US-Ratingagenturen, Fitch und Moody’s, nicht erkennen, etwas an der Top-Bonität des EFSF ändern zu wollen. «Die Entscheidung von S&P wird das Ausleihvolumen des ESFS in Höhe von 440 Milliarden Euro nicht schmälern.» Der Fonds habe ausreichend Mittel, seine Verpflichtungen zu erfüllen.
Draghi plädiert für Distanz zu Rating-Bewertungen
EZB-Präsident Mario Draghi hat im EU-Parlament für mehr Abstand zu Bewertungen von Ratingagenturen plädiert. Man sollte weiterfunktionieren und den Bewertungen nicht so hohes Gewicht einräumen, sagte Draghi am Montag im Europaparlament in Strassburg. Regulatoren, Investoren und Banken sollten unabhängiger von diesen Bewertungen sein, sagte der Italiener. In der Europäischen Zentralbank EZB herrsche bereits seit einigen Jahren diese Einstellung. Draghi sprach nicht als EZB-Präsident, sondern in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Ausschusses für Systemrisiken mit Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses des EU-Parlaments.
Schwere Woche für Griechenland
Eine weitere schwere Woche steht Griechenland ins Haus: Die internationalen Finanzinspekteure prüfen wieder einmal den Fortschritt bei Sparmassnahmen. Zudem gehen die Verhandlungen mit den Gläubigern über den Schuldenschnitt in die entscheidende Phase. Die Gespräche mit dem Internationalen Bankenverband IIF sollten wohl am Mittwoch fortgesetzt werden, hiess es im Finanzministerium. Ein Abschluss steht aber noch in den Sternen: «Wir hoffen bis zum Ende dieser Woche. Sicher ist aber nichts.» Vor allem Hedgefonds weigern sich Berichten zufolge, bei der Umschuldung mitzumachen. (awp/mc/ps)