EZB-Chefökonom Peter Praet.
Frankfurt am Main – Ein Mix aus Sparen und Reformen gilt zunehmend als richtiges Rezept gegen Europas Schuldenkrise. Die Europäische Zentralbank (EZB) mahnte die Regierungen erneut, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, um Vertrauen an den Märkten zurückzugewinnen. Zugleich jedoch müsse das Wachstum im Euroraum «durch entschlossene Strukturreformen verbessert werden», heisst es im Monatsbericht, den die Notenbank am Donnerstag veröffentlichte.
Zwar könnten Reformen in Euro-Krisenstaaten für starke Volkswirtschaften wie Deutschland höhere Inflationsraten nach sich ziehen, weil sich die Kluft bei der Wettbewerbsfähigkeit verkleinern dürfte. Das geht aus einer Stellungnahme der Bundesbank für eine Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages vom Mittwoch hervor. Die Währungshüter – sowohl der deutschen Bundesbank als auch der EZB – stellten jedoch klar, am mittelfristigen Ziel stabiler Preise für die Euro-Währungsunion (EWU) mit Teuerungsraten von knapp unter 2,0 Prozent werde nicht gerüttelt.
Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität eingrenzen
«Wie in der Vergangenheit wird der EZB-Rat wachsam sein, um Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität einzugrenzen», sagte EZB- Chefvolkswirt Peter Praet in Wien. In Frankfurt war aus dem Umfeld von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zu hören, Deutschland werde infolge der Krise höchstens auf kurze bis mittlere Sicht höhere Preissteigerungen hinnehmen müssen als erwünscht. «Damit ist eine Inflationsrate gemeint, die moderat über dem Inflationsziel der EZB von knapp zwei Prozent liegt», sagte ein hochrangiger Notenbanker.
Die EZB bekräftigte, es sei «Aufgabe der nationalen Regierungen, Divergenzen zwischen einzelnen Euroländern zu begegnen». Es gelte beispielsweise, Arbeitsmärkte flexibler zu machen. Zudem müssten in einigen Ländern die Löhne für längere Zeit langsamer steigen als die Produktivität, um Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. «Der EZB-Rat stellt fest, dass in vielen Ländern Fortschritte erzielt werden, aber einige Regierungen müssen ehrgeiziger sein.»
Optimale Dosis
Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer unterstützte in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie einen Kurs, der Sparen und Wachstumsimpulse vereint: «Es wäre falsch, anzunehmen, dass Wirtschaftswachstum, Haushaltsdisziplin und Strukturreformen miteinander konkurrierende politische Ziele seien.» Es gehe vielmehr darum, Vertrauen durch die optimale Dosis aus verschiedenen Massnahmen zurückzugewinnen. Und: «Wie bei einem persönlichen Fitnessprogramm müssen Haushaltsdisziplin und Strukturreformen so dosiert werden, dass der Patient das Programm nicht vorzeitig abbricht.»
Aus Sicht der DB-Research-Experten sei das Glas halb voll, heisst es in der Deutsche-Bank-Studie: «Die Wirtschaftspolitik in Spanien und Italien geht in die richtige Richtung, und es wurden beträchtliche Fortschritte bei der Schaffung eines Krisenmanagement- Mechanismus für die EWU gemacht. Allerdings bleibt noch viel zu tun. Die Regierungen in Spanien und Italien müssen an ihrem Kurs festhalten, und auch die neue französische Regierung muss Reformen durchführen.»
Weiterhin Konjunkturrisiken
Für die Konjunktur im Euroraum sieht die EZB nach wie vor Risiken, geht aber zugleich davon aus, dass die Wirtschaft in den nächsten Monaten etwas an Fahrt zulegen dürfte. Auch der Ifo-Indikator für das Wirtschaftsklima im Euroraum stieg im zweiten Quartal erneut, vor allem die Erwartungen für die nächsten sechs Monate sind positiver als im ersten Quartal. Von der EZB alle drei Monate befragte Finanzmarktexperten erwarten für 2012 jedoch inzwischen ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung im Währungsraum um 0,2 Prozent. Bei der letzten Umfrage im Februar waren sie noch von minus 0,1 Prozent ausgegangen. Zugleich dürfte demnach die Teuerung im Jahresschnitt bei 2,3 Prozent liegen, nach bisher angenommenen 1,9 Prozent. Das EZB-Preisziel würde damit verfehlt. (awp/mc/ps)