Spaniens Krise spitzt sich zu – «Troika» zurück in Athen
Spaniens Finanzminister Cristóbal Montoro.
Madrid / Athen – Die angespannte finanzielle Lage im Euro-Krisenland Spanien wird immer bedrohlicher. Trotz drastischer Sparpolitik dürfte der südeuropäische Staat sein Defizitziel in diesem Jahr erneut verfehlen. Auch wegen der Notkredite für marode Banken liege die Neuverschuldung 2012 voraussichtlich bei 7,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), erklärte Finanzminister Cristóbal Montoro am Samstag bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs für 2013 im Parlament. Spanien hatte sich gegenüber der Europäischen Union (EU) dazu verpflichtet, die Neuverschuldung auf 6,3 Prozent zu senken.
Nach den Ankündigungen vom Wochenende richten sich bange Blicke auf die Reaktion der Finanzmärkte am Montag. Die Renditen der Staatsanleihen könnten erneut nach oben schiessen, was den Druck auf die Regierung weiter erhöhen würde. Die für Freitagabend befürchtete Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens auf «Ramsch-Niveau» durch Moody’s war zunächst ausgeblieben – es wird jedoch erwartet, dass sich die US-Ratingagentur nun in der neuen Woche zu den Aussichten des von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Landes äussert.
Wann schlüpft Spanien ganz unter den Rettungsschirm?
Unklar ist weiterhin, ob Spanien wie Griechenland, Irland und Portugal zuvor einen separaten Hilfsantrag für das ganze Land stellt – und nicht nur für den Finanzsektor. Die Zinsen, die Spanien für seine Schulden zahlen muss, verzehren fast ein Viertel des gesamten Budgets für 2013. Für die Banken will der Staat selbst Unterstützung gewähren und zudem nach offiziellen Angaben voraussichtlich 40 Milliarden Euro aus Kreditzusagen der Europartner in Anspruch nehmen.
In Griechenland setzt am Montag die «Troika» der internationalen Helfer ihre Kontrollen des Sparprogramms fort. Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will Athen bei der Bewältigung seiner Schuldenkrise mehr Zeit einräumen und schliesst auch ein drittes Rettungsprogramm nicht aus. Griechenland werde sich in den kommenden sieben bis acht Jahren nicht selbst Geld leihen können. «So lange werden wir helfen müssen», sagte Steinbrück der «Welt am Sonntag». «Die Griechen müssten zu ihren Verpflichtungen stehen, aber wir sollten ihnen mehr Zeit geben.»
Donimoeffekt
Griechenland wartet derzeit auf die Auszahlung der nächsten Hilfskredite in Höhe von 31,5 Milliarden Euro. Medienberichten zufolge wird Athen die nächste Tranche selbst bei Verstössen gegen Sparauflagen erhalten. Hintergrund sei die Angst vor den Folgen einer Staatspleite. «Die Angst vor einem Dominoeffekt ist zu gross», sagte ein EU-Diplomat der «WirtschaftsWoche». In Brüssel wurden die Berichte nicht bestätigt. Es bleibe bei dem Verfahren, dass die Troika im Oktober ihren Bericht vorlege und dann entschieden werde, hiess es.
Heftige Proteste
In mehreren Euroländern kam es am Wochenende erneut zu heftigen Protesten gegen die Sparpolitik. Allein in Lissabon beteiligten sich am Samstagabend nach Medienberichten Zehntausende Portugiesen an einer vom Gewerkschaftsdachverband CGTP organisierten Demonstration. In der spanischen Hauptstadt Madrid versammelten sich nach Polizeiangaben rund 4500 Menschen zu einer nicht genehmigten Kundgebung. In beiden Städten blieben die Proteste weitgehend friedlich. In Spanien war es bereits die dritte Demonstration binnen fünf Tagen, in Portugal der dritte Massenprotest in zwei Wochen. In Brüssel gingen mehr als 1500 Menschen auf die Strasse.
Der spanische Finanzminister Montoro betonte, die Erhöhung des Defizits sei nur buchhalterischer und vorübergehender Natur, denn die angeschlagenen Banken müssten die Hilfen zurückzahlen. Der Minister äusserte die Zuversicht, dass die Überschreitung des Defizitziels nicht zur Folge haben werde, dass die EU von Spanien zusätzliche Einsparungen verlangen werde.
Spaniens Schuldenberg steigt drastisch an
Madrid geht bei der Berechnung des Etats für 2013 allerdings von einer relativ optimistischen Wirtschaftsprognose aus. Die Regierung erwartet ein Schrumpfen der Wirtschaftskraft von nur 0,5 Prozent. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prophezeit hingegen einen Einbruch von 1,2 Prozent. Die Hilfen für die maroden Banken führen dazu, dass der Schuldenberg Spaniens drastisch ansteigt. Nach Angaben des Ministers werden die gesamten staatlichen Schulden von geschätzten 85,3 Prozent des BIP in diesem Jahr auf 90,5 Prozent im Jahr 2013 steigen. (awp/mc/ps)