St. Gallen – Eine an der Universität St. Gallen vorgelegte Studie durchleuchtet Wortmeldungen von Standard & Poor’s zur europäischen Schuldenkrise auf Fachkompetenz und Wahrheitsgehalt. Sie deckt gravierende fachliche Defizite und Wissenslücken beim Marktführer auf und kritisiert einen unseriösen Umgang mit Fakten.
Fehlerhafte Staatenratings können die Wirtschafts- und Finanzlage betroffener Länder massiv verschlechtern oder gar zum Staatsbankrott führen. Deshalb kommt der Kompetenz und der Integrität der Institutionen, welche diese Ratings erstellen, zentrale Bedeutung zu. Die von Professor Dr. Manfred Gärtner vorgenommene Analyse von Publikationen der weltweit grössten Ratingagentur Standard & Poor’s stellt diesbezüglich «beunruhigende Defizite» fest, wie die Universität St. Gallen in einer Mitteilung schreibt.
Unwahre und irreführende Behauptungen
Die von den Verantwortlichen für Staatenratings in Europa, Afrika und dem Nahen Osten verfassten Veröffentlichungen dokumentierten eine eklatante und weitreichende Unkenntnis zentraler Bausteine der eigenen Ratingmethodologie. Sie seien gespickt mit unwahren und irreführenden Behauptungen und einem unseriösen Umgang mit Fakten; sowohl bezüglich der eigenen Vorgehensweise und Leistungen, aber vor allem auch in der Darstellung der an den Ratingagenturen vorgebrachten Kritik.
Unverständnis elementarer volkswirtschaftlicher Zusammenhänge
Ausserdem litten die Staatenratings an einem «besorgniserregenden Unverständnis elementarer volkswirtschaftlicher Zusammenhänge» und der sich aus diesen ergebenden Risiken im Markt für Staatsanleihen. Dies betreffe vor allem die Rolle ’sich selbst erfüllender Prognosen› und ‹multipler Gleichgewichte›. Überdies liessen die Ratings weder die Bereitschaft noch die Fähigkeit erkennen, sich auf einen wissenschaftlichen Diskurs über die Rolle der Staatenratings in Europas Schuldenkrise einzulassen.
Die Ergebnisse unterstrichen und erweiterten bereits früher vorgebrachte Kritik an der Qualität von und dem Umgang mit Staatenratings, die von ESMA, der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, und anderen vorgebracht wurde, so die Universität St. Gallen in ihrer Mitteilung. (Universität St. Gallen/mc/pg)