Staatsanwälte nehmen JPMorgan ins Visier
New York – Die Finanzkrise beschäftigt auch vier Jahre nach ihrem Hochkochen die US-Gerichte: Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman hat am Montag eine Klage gegen die grösste US-Bank JPMorgan Chase eingereicht. Der Vorwurf: Die 2008 von JPMorgan übernommene Investmentbank Bear Stearns habe Investoren bei Hypothekenpapieren hinters Licht geführt. Die Bank habe es nicht gekümmert, welch minderwertigen Hauskredite darin verpackt gewesen seien. Das habe zu «riesigen Verlusten» geführt.
Einige US-Medien werteten den Vorstoss als Vorboten einer Klagewelle kurz vor der Präsidentschaftswahl Anfang November. Barack Obama hatte sich bei seinem Amtsantritt auf die Fahnen geschrieben, die Wall Street zu zügeln. Er trieb die Finanzmarktreform voran, den sogenannten Dodd-Frank Act. Im Januar hatte der Präsident zudem eine Gruppe mit Vertretern von Ermittlungsbehörden eingerichtet, die Betrug mit Hypothekenpapieren nachgehen sollten. Zu den Mitgliedern zählt auch Schneiderman.
Eigene Spekulationsverluste bisher klein gehalten
JPMorgan wies die Anschuldigungen zurück und erklärte, die Bank sei enttäuscht, dass die Staatsanwälte ihr im Vorfeld nicht die Gelegenheit gegeben hätten, die Vorwürfe zu entkräften. Der Finanzkonzern gilt als Nutzniesser der Finanzkrise, da er sich durch geschickte Zukäufe vergrössern konnte. Neben Bear Stearns verleibten sich die New Yorker auch die zusammengebrochene US-Sparkasse Washington Mutual. ein. Eigene Spekulationsverluste mit den giftigen Hypothekenpapieren konnte JPMorgan klein halten.
Eigenheimkredite zu Paketen gebündelt
In der Fachsprache heissen die Papiere «Residential Mortgage-Backed Securities» oder RMBS. Banken hatten zu Zeiten des Immobilienbooms in den USA massenhaft Eigenheimkredite zu Paketen gebündelt und an Investoren verkauft. Als die Immobilienblase ab 2007 platzte, konnten viele Hauskäufer ihre Raten aber nicht mehr zahlen – und wegen der Ausfälle verloren auch die damit unterlegten Hypothekenpapiere drastisch an Wert. Das brachte die Finanzkrise ins Rollen, die in der Pleite der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 gipfelte.
Investoren sollen entschädigt werden
New Yorks Generalstaatsanwalt Schneiderman will nun mit seiner zivilrechtlichen Klage sowohl erreichen, dass die Investoren von Bear Stearns entschädigt werden, als auch dass die Bank die damals eingestrichenen Gewinne herausrücken muss. Eine genaue Summe wird in der 31 Seiten langen Klage indes nicht genannt. Als Hausmarke führt der Staatsanwalt allerdings Verluste an, die alleine bei den Hypothekenpapieren angefallen seien, die Bear Stearns 2006 und 2007 aufgelegt habe: 22,5 Milliarden Dollar.
Schwierige Beweisführung
Die Beweisführung in derlei Fällen ist aber schwierig, was die zahlreichen Klagen von Investoren gegen Banken zeigen. Welche Folgen öffentliche Vorhaltungen indes haben können, hatte vor zwei Jahren die Investmentbank Goldman Sachs zu spüren bekommen. Die US-Börsenaufsicht SEC hatte ihr ebenfalls vorgeworfen, beim Verkauf von Hypothekenpapieren falschgespielt zu haben. Über Wochen stand das Wall-Street-Haus in der Kritik. Am Ende zahlte Goldman in einem Vergleich 550 Millionen Dollar, um den Fall zu den Akten legen zu können. (awp/mc/pg)