Standard & Poor’s geisselt Eurozone

Standard & Poor’s geisselt Eurozone

Athen – Die grassierende Schuldenkrise könnte auch Deutschland seine Topbonität kosten. Angesichts wachsender Probleme hat die US-Ratingagentur Standard & Poor’s auf einen Schlag die Kreditwürdigkeit von 15 Staaten der Eurozone unter Beobachtung gestellt. Je nachdem, wie der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag ausfällt, droht eine massenhafte Herabstufung. Die Folge könnten höhere Zinsen für neue Schulden sein. Das würde die ohnehin angespannte Lage weiter verschlimmern.

S&P erklärte am Montagabend, Deutschlands Spitzenrating von «AAA» möglicherweise um eine Stufe zu senken. Dem zweiten wirtschaftlichen Schwergewicht in Europa, Frankreich, droht sogar die Absenkung um bis zu zwei Stufen. Ein gutes Rating ist aber die Voraussetzung, um sich an den Kapitalmärkten zu günstigen Konditionen frisches Geld zu besorgen. Der Euro fiel nach der Nachricht zurück und rutschte wieder unter die Marke von 1,34 US-Dollar. In Asien sanken die Aktienkurse leicht.

Merkel und Sarkozy reagieren gelassen
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy reagierten betont unaufgeregt. Es würden alle notwendigen Massnahmen getroffen, «um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten», erklärten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme. Sie hatten am Nachmittag in Paris eine rasche Verschärfung der Euro-Spielregeln vereinbart. Beim EU-Gipfel sollen nach ihrem Willen die Weichen für die nötige Änderung der EU-Verträge gestellt werden. Bis März 2012 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.

Eurzone steht als Ganzes unter Druck
Die Analysten von S&P scheinen aber nicht überzeugt, dass die Versprechen auch fruchten. Die Probleme in der Eurozone hätten in den vergangenen Wochen ein Mass erreicht, das die Zone als Ganzes unter Druck setze, schrieben sie und beklagten, dass sich die europäischen Politiker weiterhin uneins seien, wie sie mit der Krise umgehen sollten.

Höhere Dringlichkeit der Überprüfung
S&P beschränkte sich bei dem Warnschuss nicht darauf, den Ausblick für das Rating auf «negativ» zu senken, wie es üblich ist. Die Agentur wählte die schärfere Form des «CreditWatch with negative implications», was eine höhere Dringlichkeit der Überprüfung bedeutet. S&P hat nun maximal 90 Tage Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Die Agentur will auf jeden Fall noch den EU-Gipfel Ende der Woche abwarten.

S&P sieht Gefahr einer Rezession in der Eurozone
Neben Deutschland und Frankreich besitzen auch die Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg eine Topbonität von «AAA». Die meisten anderen Länder der Eurozone verfügen immerhin noch über eine gute oder sehr gute Bonität. Ein «befriedigend» haben Irland, Portugal und Zypern, wobei S&P das Rating von Zypern schon zuvor unter besondere Beobachtung gestellt hatte. Griechenland ist schon auf Ramschstatus abgerutscht; S&P hält die Wahrscheinlichkeit eines Bankrotts in naher Zukunft für «relativ hoch».

Gefahren für die deutsche Wirtschaft
Im Falle von Deutschland begründete S&P die mögliche Herabstufung mit der engen Verflechtung innerhalb Europas und den damit einhergehenden Gefahren für die deutsche Wirtschaft und den staatlichen Schuldenabbau. S&P erklärte, es gebe das Risiko, dass die Eurozone als Ganzes im kommenden Jahr in die Rezession rutsche. Die Wahrscheinlichkeit liege bei 40 Prozent. Für Staaten wie Spanien, Portugal und Griechenland geht S&P ganz sicher von einem Wirtschaftsabschwung aus.

«Wir müssen uns beeilen, wir haben nicht so viel Zeit», hatte zuvor Sarkozy nach einem Treffen mit Merkel am Montag in Paris gesagt. Notfalls komme für die beiden grössten Volkswirtschaften der Eurozone auch ein Alleingang der 17 Euroländer infrage. Merkel betonte mit Blick auf den EU-Gipfel: «Wir sind fest entschlossen, die Entscheidung jetzt genau bei diesem Rat herbeizuführen.» Natürlich werde aber auch mit dem Europaparlament und den anderen Partnern gesprochen.

Reaktion an den Anleihemärkten im Fokus
In Gefahr ist das entscheidende sogenannte Langzeit-Rating. Darauf schauen all jene Investoren, die Staaten oder auch Unternehmen ihr Geld ein Jahr und länger leihen wollen. Als Faustregel gilt: Je schlechter die Bonität eines Schuldners ist, desto höhere Zinsen muss er zahlen. Bereits jetzt müsste eine steigende Zahl von Mitgliedern der Eurozone trotz guter Kreditwürdigkeit tiefer in die Tasche greifen, erklärte S&P.

Doch es gibt keinen Automatismus: S&P hatte im Sommer die USA wegen ihrer überbordenden Schulden mit einer Herabstufung ihrer Bonität auf die zweitbeste Note «AA+» geschockt. Dennoch ist der Zinssatz eher gesunken, den die Vereinigten Staaten für neue Kredite zahlen müssen. Denn die Angst vor weiteren Verwerfungen in der Eurozone hatte viele Investoren ihr Geld in US-Anleihen stecken lassen. (awp/mc/pg)

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