Stephan Olajide Hüsler, BONAM Capital AG Zürich. (Bild: INVESTORY)
Zürich – Emerging Markets haben eine der besten Renditeaussichten über die nächste Investitionsperiode von drei bis fünf Jahren, vor allem wenn man selektiv auf Länder-, Industrie- und Unternehmensebene vorgeht. Stephan Olajide Hüsler setzt auf etablierte und führende Unternehmen mit starkem Erfolgsausweis und –aussichten. Die Qualität des Managements ist ihm besonders wichtig, wie er im INVESTORY-Interview betont.
INVESTORY: Emerging Markets haben in den letzten zwei Jahren underperformed und korrigieren gerade wieder stark. Sie sagen aber: Emerging Markets sind das Anlage-Thema mehr denn je. Warum?
Stephan Olajide Hüsler: In der Tat bin ich der Meinung, dass man gerade in der heutigen wirtschaftlichen Lage gut beraten wäre, sich intensiv mit den Emerging Markets auseinanderzusetzen. Ich verstehe aber die Frustration mit Emerging Markets aus heutiger Sicht. Wenn man Emerging Markets als ein einzigen grossen Markt betrachtet dann ist dessen Performance nicht nur während der letzten zwei Jahre sondern auch über längere Zeithorizonte im Vergleich mit entwickelten Märkten wie etwa der USA oder der Schweiz tatsächlich nicht sehr befriedigend. Ich würde allerdings davon abraten EM als eine Einheit zu betrachten. Wenn wir unser Kapital anlegen, geht es uns nicht in erster Linie darum finanziell gesunde und politisch stabile Märkte zu priorisieren? Wenn es darum geht Risiken und Ertragsmöglichkeiten abzuschätzen sind heute einige EM Länder zuoberst auf der Liste zu finden, zumal die Aussichten in Europa den USA und Japan, von den Einflüssen einer Entschuldung, einer alternden und langsamer wachsenden Bevölkerung und einer relativ hohen Marktbewertung getrieben werden. Das Risiko deren Fiskal- und Geldpolitiken erscheint mir als erheblich.
Währenddessen findet man in einigen grossen aufstrebenden Märkten gesundete Staatsfinanzen, tiefe Verschuldungsraten und starke Wachstumsdynamiken begleitet von struktureller Kreditinflation und zum Teil sehr attraktiven Bewertungen.
«Eine Finanzkrise in China ist heute jedoch unwahrscheinlich.»
Stephan Olajide Hüsler, BONAM Capital
Zurzeit scheinen die Anlagerisiken in den Emerging Markets aber zu steigen: In China droht eine Finanzkrise, in Brasilien und Indien ist die Inflation hoch und Investitionen stocken, Türkei und Ägypten zeigen politische Instabilität.
China ist ein wichtiges Thema, ist das Reich doch in eine global zentrale Rolle hineingewachsen. Eine Finanzkrise in China ist heute jedoch unwahrscheinlich. Rückblickend auf die letzten fünf globalen Krisenjahre haben wohl viele, ich eingeschlossen, die Wachstumsresistenz dieses riesigen Binnenmarktes unterschätzt. Chinas geld- und fiskalpolitische Reaktion auf die Finanzkrise übertraf zwar jene der USA und Europa bei weitem. Der Stimulus über die letzten 5 Jahre war im Aggregat grösser als Chinas Bruttoinlandprodukt im 2008 und hat die Gesamtverschuldung auf besorgniserregende 200 %des Bruttoinlandsprodukts gebracht. Jüngste Beobachtungen zeigen aber, dass das wirtschaftliche Wachstum weit weniger exportabhängig ist als angenommen. Trotz dessen Verlangsamung ist die chinesische Binnenwirtschaft dynamisch weiter gewachsen. Im 2014 wird sich das Volkseinkommen seit 2008 verdoppelt haben und die Konsumausgaben wachsen stetig mit mehr als zehn prozentiger Jahresrate weiter. Die Skalenvorteile grosser offener Märkte sind uns vom US-Erfolgsmodell her bekannt und sind ja auch wichtige Grundlagen des Versuchs eines vereinten Europas. Europa hat jedoch den wichtigen Nachteil der Sprach- und Kulturbarrieren, welche den Arbeitsmarkt stark einschränken. Ähnliches gilt z.B. auch für Indien wo das Kastensystem seinen Einfluss nur schleppend verliert. China hingegen hat fast alle seine Märkte sukzessive geöffnet, den Arbeitsmarkt eingeschlossen. Die grosse Ausnahme ist allerdings der Finanzmarkt. Trotz stufenweiser Deregulierung wird der gesamte Sektor, Banken inklusive, immer noch zum grössten Teil von der Regierung verwaltet. Dies ist allerdings in der nahen Frist eher von Vorteil und Mitgrund dafür, dass man mit einiger Sicherheit eine Finanzkrise in der nahen Frist in China als sehr unwahrscheinlich einstufen kann.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Emerging Markets sind ein riesiges Gebiet das einem erlaubt zu differenzieren – auf Länderebene, auf Industrieebene, vor allem aber auf Unternehmensebene. Sie machen aber einen wichtigen Punkt, wenn Sie auf politische und wirtschaftliche Faktoren hinweisen. Vor allem in Emerging Market sind diese Betrachtungen überaus wichtig, stehen aber nur am Anfang meines Investitionsprozesses. Schlussendlich investiert man ja immer in einzelne Unternehmen.
Wie gehen Sie diese Selektion an?
Auf Landesebene betrachte ich die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse und bilde mir ein Urteil über die Stabilität und Wachstumsaussichten. Ich versuche auch einzuschätzen, ob sich wichtige Problemzonen an der Marge positiv oder negativ entwickeln. Auf Industrieebene sind vor allem die Strukturen wichtig, welche die Profitabilität, deren Stabilität und das Wachstum beeinflussen. Auf Unternehmensebene ist vor allem eine starke Führung mit entsprechendem finanziellem Leistungsausweis der Gradmesser.
«Die Medien- und Informationsflut aus dem Riesenmarkt macht eine Einschätzung nicht einfach.»
Sie sprechen China an, Sie stimmen also den Abgesängen zu China nicht zu?
Die Wachstumsverlangsamung in China hat viele Investoren an die Seitenlinie bewegt. Statistiken und Datenfluss sind entsprechend dem Entwicklungsstatus dünn und inkonsistent. Es ist nicht einfach aus der Ferne eine Übersicht zu erhalten und die Unsicherheit wird als Risiko eingestuft. Es sicher auch so, dass man sich über so manches was in China abgeht etliche Sorgen machen kann. Die Medien- und Informationsflut aus dem Riesenmarkt macht eine Einschätzung nicht einfach. Ich habe mich während der letzten 20 Jahre intensive mit China beschäftigt und auf meinen Reisen insgesamt mehr als fünfhundert Unternehmen besucht. Meiner Einschätzung nach ist heute das Ausmass und die Kraft der bestehenden Ungleichgewichte nicht gross genug, um die Stabilität der Wirtschaft in der kürzeren Frist (1 bis 3 Jahre) gefährden zu können.
Auf Unternehmensebene gibt es zudem eine Grosszahl ausserordentlicher Investitionsmöglichkeiten, deren Dynamik in starkem Kontrast zu der sich merklich verlangsamenden Gesamtwirtschaft steht. Das Land hat nach wie vor enormes Potential und strukturell stark wachsende Industrien mit gut geführten Unternehmen in Bereichen wie etwa Health Care, Konsumgüter, Internet, Medien oder Clean Energy.
Aufbauend auf einen eindrücklichen Reformprozess der letzten 20 Jahre darf man weiterhin eine dynamische Entwicklung der Strukturen in China erwarten. In Bezug auf die offiziellen Wachstumszahlen, welche die Diskussionen zu monopolisieren scheint, ist Vorsicht ein guter Rat. Gemessen am Energieverbrauch, an den Steuereinnahmen oder auch an der Margenentwicklung in Unternehmen dürfte die Wachstumsverlangsamung nämlich schon 18 bis 24 Monate alt sein. Die Chinesischen Aktienmärkte haben einen sechsjährigen Bärenmarkt hinter sich und offerieren heute eine der tiefsten Bewertungen im Investmentuniversum. Meiner Einschätzung nach sind wir weit näher am nächsten Aufschwung als an einer neuerlichen Krise.
Chinas Aktienmärkte waren aber enttäuschend. Wie ist ihre Performance dort?
Richtig, wer über das letzte Jahr im Index investiert war, hat vielleicht 5% – 10% in CHF erhalten. Ich habe aber mit meinen rund 20 Unternehmen ein Plus von 25% erreicht.
Von Indien lassen die Anleger zurzeit auch die Finger.
Ja und das scheint auf den ersten Blick auch verständlich, wenn man nur die makroökonomischen Probleme anschaut: Handelsdefizit, Währungsschwäche, ein ineffizientes und korruptes politisches System, eine marode Infrastruktur, ein vom Kastensystems eingeschränkter Arbeitsmarkt – viele Gründe, Indien links liegen zu lassen. Das schwierige Umfeld in Indien scheint aber auch zu ausserordentlichen Leistungen anzuspornen. Es gibt eine Grosszahl von sehr profitablen und gut geführten Unternehmen, welche selbst eine durchschnittliche Abwertung der Währung von jährlich 6% über die letzten 40 Jahre vergessen machen. Die letzten 12 Monate waren allerdings sehr schmerzhaft. Der Bombai Index legte zwar etwa 15% zu verlor jedoch mehr als 3% gemessen in CHF. Meine Holdings in Indien erzielten ein ähnlich schwaches Ergebnis. Man sollte sich jedoch vor Augen halten dass der Bombai Index über die vergangenen zehn Jahre 36% pro Jahr in Schweizer Franken zugelegt hat.
«Es bestehen verschiedene Ansichten was Risikomanagement bedeutet.»
Sie erteilen aber Index-Investments in Emerging Markets eine Absage?
Das kann man so sagen. Vor allem in aufstrebenden Märkten ist die Streuung der Unternehmen, die Qualität deren Eigentümer und Managements sehr gross. Gut geführte Unternehmen in stabilen und schnellwachsenden Märkten waren und bleiben eine der besten Investitionsmöglichkeiten überhaupt.
Dabei ist das Indexing und Benchmarking doch das Mass aller Dinge bei der Risiko-Allokation.
Es bestehen verschiedene Ansichten was Risikomanagement bedeutet. Ich entstamme einer Schule welche sich auf fundamentale Faktoren stützt, wie etwa die Einschätzung des Managements, Firmenstrukturen, der Stabilität von Profitabilität, von Industriestrukturen und -dynamiken usw. Selbstverständlich gehört auch eine sinnvolle Diversifikation zu einem gesunden Risikomanagement. Ich halte etwa 40 bis 60 Positionen.
Einige Investoren geben sich damit zufrieden Emerging Markets Exposure via Multinationale Firmen zu erhalten. Was halten Sie davon?
Das ist grundsätzlich kein übler Ansatz, vor allem wenn die Alternative ein Benchmark ETF ist. Es ist jedoch zu bemerken, dass man damit einiges an Renditepotenzial liegen lässt. Es ist auch so, dass die begrenzte Anzahl dieser Unternehmen zu hohen Bewertungen geführt hat und dem Anleger nur eine beschränkte Diversifikation bietet. Häufig wird den Multinationalen der Zugang zu lukrativen Märkten versagt oder stark erschwert, wie zum Beispiel bei Finanzdienstleistungen, Medien, Internet, Healthcare, Consumer Retail usw.
«Viele Emerging Markets sind kleine offene Volkswirtschaften und in diesem Sinne von globalen Kapitalflüssen verletzbar.»
Die Liquidität in den Emerging Markets stammt vor allem aus den entwickelten Märkten und den Institutionellen, die das angesprochene Indexing betreiben. Schwimmt man da als „kleiner“ Investor nicht wie ein Korken auf rauer See?
Das kann man schon so sehen. Wiederum schlage ich vor zu differenzieren: Viele Emerging Markets sind kleine offene Volkswirtschaften und in diesem Sinne von globalen Kapitalflüssen verletzbar. Die laufende Korrektur hat vor allem die Kleineren überdurchschnittlich getroffen. Falls es sich aber nicht um fundamentale Schwächen handelt, eröffnen diese Korrekturen exzellente Kaufmöglichkeiten, welche sich üblicherweise innerhalb von wenigen Monaten wieder ausgleichen.
Wie gehen Sie damit um?
Gemäss meiner Strategie bin darauf bedacht, sogenannte Frontiermärkte sowie illiquide und kleinere Investitionen zu meiden und investiere in die führenden etablierten Unternehmen mit substantieller Kapitalisierung. Ich glaube nicht, dass es viel Sinn für westliches Kapital ergibt, in China oder Brasilien die nächste Generation von Erfolgsgeschichten zu suchen. Es gibt heute genügend Unternehmen mit einem längeren Track Record, liquider Kapitalisierung und starkem Management mit exzellenten Aussichten über Jahre hinweg starke Renditen einzufahren.
Eine sinnvoll diversifizierte Anlage in fundamental starke Märkte und Unternehmen braucht kurzfristige Liquiditätsströme nicht zu fürchten. Glücklicherweise ist es auch so, dass die schnell wachsenden Pensionssysteme in vielen dieser Märkte die Liquiditätsbedingungen immer mehr verbessern.
Sie suchen sich ihre Unternehmen vor Ort aus?
Bis zu 50 Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich auf Reisen und besuche meine Unternehmen und deren Konkurrenz, Kunden und Zulieferer. Ich brauche die Nähe zum Unternehmen, um mich bei meinen Entscheiden gut zu fühlen.
«Finanzdienstleistung ist häufig eines der ersten Erfolgsthemen in aufstrebenden Wirtschaften.»
Das beste Thema der letzten Jahre in den Emerging Markets waren Konsum- und Bankaktien. Bleibt das so?
In der Tat sind dies zwei der herausragenden Themen unter vielen. Finanzdienstleistung ist häufig eines der ersten Erfolgsthemen in aufstrebenden Wirtschaften. Heute beobachten wir, dass in einigen grossen Gebieten in Asien, Afrika und Südamerika einer immer breiteren Bevölkerungsschicht der Zugang zu Krediten ermöglicht wird. Die Finanzdurchdringung ist im Vergleich zu den entwickelten Ländern noch um ein Vielfaches tiefer und die stetige Senkung der Zinskurve während der letzten Jahre im Zuge der westlichen Geldpolitik hat die Finanzierungskosten vielerorts stark reduziert. Damit wurden vor allem kleineren und mittleren Unternehmen enorme Möglichkeiten eröffnet: Arbeitsplätze werden geschaffen, der Konsum wird angeschoben. Entsprechend machen Finanz- und Konsumgüter-Aktien im Schnitt je etwa 25% meines Portfolios aus.
Wie sieht die übrige Gewichtung aus?
Neben Finanz und Konsumgütern gibt es viele andere strukturelle Wachstumsthemen je nach Gebiet. Technologie hat momentan ein starkes Gewicht von über 20%, Telekom 5%, Energie 5%, Health Care 5%, Infrastruktur bezogene Firmen machen etwa 13% aus.
Wie lange halten Sie ihre Investments?
Idealerweise gerne für immer. In der Realität durchläuft aber jede Unternehmung Lebenszyklen und nur wenige schaffen es, sich immer wieder neu zu erfinden. So gibt es einen langfristigen Investitionsentscheid, welcher von der inneren Stärke eines Unternehmens bestimmt wird. Wichtig sind aber auch eher kurzfristige Zyklen: Beispielsweise wenn eine Aktie zu teuer wird oder wenn sich in einem Land oder einer Industrie zyklische oder auch strukturelle Veränderungen abzeichnen.
Wie wichtig ist eine Dividende?
Ich investiere in erster Linie in Wachstum, also in Unternehmen, die Cash Flows in ihr Wachstum investieren. Idealerweise halte ich aber gerne Unternehmen mit geringem Kapitalbedarf, so dass trotzdem eine Dividende herausspringt. Über das ganze Portfolio sind das zwischen 2 bis 3%.
«Als erste Massnahme meide ich Länder mit grossen Währungsrisiken.»
Wie gehen Sie mit den Währungsrisiken um?
Als erste Massnahme meide ich Länder mit grossen Währungsrisiken. Es kann aber auch vorkommen, wie etwa in Falle von Indien oder Indonesien, dass die erwarteten Erträge die Währungsrisiken mehr als kompensieren. Grundsätzlich sichere ich Währungsrisiken nicht ab, berate aber meine Kunden über bestehende Risikolagen und in deren Absicherungsgeschäfte. Langfristig rechne ich auf meinem Portfolio mit einem Währungsverlust von 50 bis 100 Basispunkten pro Jahr in Schweizer Franken. Das ist vertretbar wenn man von einer Durchschnittsrendite von mehr als 20 Prozent pro Jahr in CHF ausgehen kann.
20 Prozent tönt ambitiös. Wie erreichen Sie das?
Das entspricht in etwa einem Erfahrungswert über die vergangenen 20 Jahre, eine Periode welche durch drei grosse Krisen führte. Es entspricht zudem den Erwartungen der Cash Flow-Entwicklung meiner Investitionen über die nächsten 5 Jahre. Ich verstehe, dass dies im gegenwärtigen Umfeld in Europa oder der USA als hoch erscheinen mag. Es ist jedoch mit ein Grund wieso ich heute – wie sagt man so schön – „auf den Tisch klopfe“ und meinen Kunden eine Investition in die Emerging Markets mit grosser Überzeugung nahelegen kann. (INVESTORY/mc/ps)
Der Gesprächspartner:
Stephan Olajide Hüsler investiert seit 1994 in Aktien in Emerging Markets, u.a. für die Guyerzeller Bank und Genesis Investment. Seit 2010 hat er auf eigene Rechnung Mandatsportfolios verwaltet und macht sich jetzt mit seinen Partnern daran, einen öffentlichen Fond zu lancieren.