Monte Carlo – Ein Jahr nach den schweren Hurrikan-Schäden in den USA scheinen die Preiserhöhungen im Rückversicherungs-Geschäft schon wieder ein Ende zu finden. Nach dem Weltmarktführer Munich Re begruben am Montag auch der Branchenzweite Swiss Re und der weltweit viertgrösste Rückversicherer Hannover Rück ihre Hoffnungen, dass sie nach 2018 auch 2019 noch einmal an der Preisschraube drehen könnten. Am Ende werde es darauf ankommen, ob es in diesem Jahr noch weitere Grossschäden gebe, sagte Hannover-Rück-Chef Ulrich Wallin am Montag beim Branchentreffen in Monte Carlo.
So seien derzeit mit «Florence», «Olivia» und «Isaac» wieder drei Hurrikane in der Karibik unterwegs. Wohin diese ziehen, ist aber unklar. «Voraussagen zur Hurrikansaison sind mehr eine Kunst als eine Wissenschaft», sagte Wallin. Im vergangenen Jahr hatten die Wirbelstürme «Harvey», «Irma» und «Maria» in den USA und der Karibik Milliardenschäden angerichtet. Mit versicherten Schäden von rund 135 Milliarden US-Dollar (117 Mrd Euro) wurde das Jahr 2017 zum schwersten Naturkatastrophenjahr für die Versicherungsbranche.
Grossschäden 2018 bisher im Rahmen
Am Finanzmarkt sorgten die trüben Preisaussichten am Montag für wenig Wirbel – die Aktien der grossen Rückversicherer legten sogar zu. Für die Papiere der Munich Re ging es am Morgen um 0,22 Prozent, für die der Swiss Re um 1,04 Prozent und für die der Hannover Rück um 0,76 Prozent nach oben.
Ratingagenturen hatten bereits in den vergangenen Tagen Hoffnungen auf einen weiteren Preisanstieg gedämpft. Den Preiserhöhungen werde 2019 voraussichtlich schon die Luft ausgehen, sagte etwa Analyst Johannes Bender von der Ratingagentur Standard & Poor’s.
Beim jährlichen Treffen im Fürstentum Monaco loten Rückversicherer mit Maklern und Erstversicherern wie Allianz oder Axa die Eckpunkte für die Vertragserneuerungen zum kommenden Jahreswechsel aus. Dabei geht es um Preise und Bedingungen, zu denen die Rückversicherer den Erstversicherern Teile der Risiken abnehmen.
Im laufenden Jahr hielten sich die Grossschäden bisher im Rahmen. Die teuerste Naturkatastrophe war der Munich Re zufolge im ersten Halbjahr der Wintersturm «Friederike» in Deutschland und anderen Ländern mit versicherten Schäden von 1,7 Milliarden Euro. Das schont die Rückversicherer bei den Ausschüttungen, verschlechtert aber ihre Verhandlungsposition gegenüber Erstversicherern.
Angesichts der Überkapazitäten und des harten Konkurrenzkampfs dürften die Preise insgesamt auf dem Niveau von 2018 verharren, schätzt Hannover-Rück-Chef Wallin. Von 2013 bis 2017 waren die Preise in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung gefallen. Erst 2018 zogen sie infolge der Schäden aus dem Vorjahr etwas an. Die Erhöhungen hätten sich aber auf das von den Grossschäden betroffene Geschäft beschränkt, sagte Wallin – und selbst dort seien sie geringer ausgefallen als erwartet.
Neue Geschäftsgebiete gesucht
Dennoch sieht er den Konzern für 2018 auf gutem Weg, wie geplant einen Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro einzufahren. Chance für zusätzliches Geschäft wittert die Hannover Rück wie auch Weltmarktführer Munich Re im Geschäft mit Cyber-Risiken. Die Branche werde überflüssig, wenn sie solche Risiken nicht versichern könne, hatte Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek am Sonntag gesagt. Attacken auf Computersysteme, Datendiebstahl und sogar Cyber-Krieg werden zu immer grösseren Gefahren.
Die Hannover Rück versucht sich wie Konkurrenten bisher nur vorsichtig in diesem Geschäft. Denn die Risiken müssen berechnet und mit geeigneten Prämien belegt werden. Eine Cyber-Attacke könne im Gegensatz zu einem Wirbelsturm binnen Sekunden einen weltweiten Schaden anrichten, hatte am Sonntag der weltweit fünftgrösste Rückversicherer Scor aus Frankreich gewarnt. Vorstandsmitglied Victor Pignet sieht die Zeit noch nicht gekommen, dieses Geschäft in grossem Stil zu zeichnen.
Die Branche sitzt auf dicken Kapitalpolstern und wirbt deshalb intensiv um neues Geschäft. Das grosse Angebot an Rückversicherungsschutz verschärft den Preiskampf. Zudem mischen branchenfremde Anleger wie Pensions- und Hedgefonds etwa über Katastrophenanleihen in dem Geschäft mit.
Der Druck auf die Rückversicherer ist daher gross. Ratingagenturen erwarten, dass es in der Branche auch 2019 einige Übernahmen und Fusionen geben wird. Erst Anfang des Jahres hatte der US-Versicherer AIG für über 5 Milliarden US-Dollar den Rückversicherer Validus geschluckt. Der französische Versicherer Axa hat für über 15 Milliarden Dollar die Übernahme des Erst- und Rückversicherers XL Group eingeleitet.
Und der Rückversicherer Scor hat gerade ein 8,3 Milliarden Euro schweres Übernahmeangebot des französischen Versicherers Covea als zu niedrig zurückgewiesen – und pocht jetzt auf seine Eigenständigkeit. «Wir sind extrem stolz, unabhängig zu sein», sagte Scor-Chef Denis Kessler in Monte Carlo. «Scor muss nicht fusionieren.» Zwar rechnet auch Kessler mit einer Übernahmewelle in der Branche, aber nur unter mittleren und kleineren Rückversicherern. «Wir brauchen keine Hilfe von irgendwem, wir sind in einer hervorragenden Lage.» (awp/mc/ps)