Zürich – Die Probleme der Deutschen Bank (DB) haben unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Seit das US-Justizministerium vor einigen Wochen ankündigte, die Deutsche Bank wegen ihrer US-Hypothekenaktivitäten vor der Krise mit einer Strafe von USD 14 Mrd. zu belegen, dominierte die Bank die Märkte. Der enorme Druck, unter dem die Deutsche Bank steht, veranlasste uns als konträre Anleger, zu untersuchen, ob die Aktie jetzt ausserordentlich günstig bewertet oder nicht für eine Anlage geeignet ist. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, ob die Probleme der Deutschen Bank eine neue Bankenkrise auslösen könnten.
Im Augenblick haben sich die Marktbefürchtungen gelegt. Die Deutsche Bank ist nicht die nächste Lehman Brothers. Lehman bestand vor dem Zusammenbruch darauf, dass das Unternehmen zahlungsfähig sei. Bis dann die Liquidität austrocknete. Die Deutsche Bank hat dagegen eine Menge Liquidität, aber ist sie solvent? Eine riesige und komplexe Bilanz mit über einer Billion Euro an Vermögenswerten, eine mehrere Milliarden schwere Strafe des US-Justizministeriums (auf die andere Prozesse folgen könnten) und eine hohe Verschuldung bedeuten, dass das Unternehmen nahezu mit Sicherheit neues Kapital beschaffen muss.
Kein Kerngeschäft
Einigen Schätzungen zufolge könnte es sich um über EUR 5 Mrd. handeln. Angesicht der Marktkapitalisierung von EUR 17 Mrd. und dem Aktienkurs, der derzeit dem 0,3-Fachen des materiellen Buchwerts entspricht, wird die Beschaffung dieser Summe eine höchst verwässernde Wirkung für die Aktionäre haben. Darüber hinaus fragt es sich, ob die Anleger bereit sind, so viel mehr Kapital lockerzumachen. Die Unternehmensleitung muss einen glaubwürdigen Plan vorlegen, der auch Veräusserungen von Vermögenswerten und drastische Kostensenkungen umfasst. Das Problem der Deutschen Bank ist, dass sie kein Kerngeschäft hat, auf das sie sich konzentrieren könnte. UBS und die Credit Suisse haben ihr Vermögensverwaltungsgeschäft und Barclays hat sein Privatkunden- und Kartengeschäft.
Die Deutsche Bank hat ein sehr grosses, qualitativ hochwertiges Asset-Management-Geschäft, das aber möglicherweise verkauft oder an die Börse gebracht werden muss, um Mittel zu beschaffen – eine Massnahme, die der CEO John Cryan vermeiden möchte. Die Aktionäre könnten auch fordern, dass Bonuszahlungen für Mitarbeiter eingefroren, gekürzt oder sogar zurückgefordert werden, um die Kapitalbelastung zu lindern.
13,5 Mrd Euro für neue Aktien, 19 Mrd Euro für Boni
Immerhin haben sie seit dem 4.Quartal 2009 EUR 13,5 Mrd. für neue Aktien berappt, während das Unternehmen in dieser Zeit Boni von insgesamt EUR 19 Mrd. gezahlt hat. Solche drastischen Massnahmen in Bezug auf die Boni würden die Moral der Mitarbeiter nur weiter untergraben und könnten weitere Personalabgänge beschleunigen. Das Problem der Deutschen Bank gleicht allmählich einem Teufelskreis, und je länger es ungelöst bleibt, umso grösser wird der dauerhafte Schaden für das Geschäft sein.
US-Investmentbanken laufen europäischen Geldhäusern den Rang ab
Leider wird auch zunehmend deutlich, dass sich das europäische Investmentbanking-Geschäft, und insbesondere der Bereich FICC (Fixed Income, Währungen und Rohstoffe), strukturell auf dem absteigenden Ast befindet. Der Schuldenabbau, die nachlassende Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und eine Verlagerung zum Clearing von Derivaten belasten die Erträge. US-Investmentbanken sind den europäischen Banken zuvorgekommen und haben ihnen in sechs Jahren 7 Prozentpunkte an Ertragsanteilen abgenommen. Dank der Tiefe und Konzentration der US-Kapitalmärkte im Vergleich zu Europa befinden sich US-Investmentbanken in einer deutlich dominierenderen Position und werden weiter Marktanteile dazugewinnen.
Im positiven Szenario kann die Deutsche Bank das nötige Kapital beschaffen, ihr Geschäft erfolgreich umstrukturieren und ihre Erträge dank eines zyklischen Aufschwungs steigern. Das scheint uns recht weit hergeholt. Die Deutsche Bank ist sicherlich billig, könnte aber durchaus eine Bewertungsfalle sein. Um auf einen zyklischen Aufschwung der Handelsaktivitäten zu setzen, legen wir derzeit lieber in Börsen- und andere Marktinfrastruktur- Aktien wie Flow Traders an. Diese bieten ein zyklisches Aufwärtspotenzial, aber auch ein strukturelles Wachstum durch ihre Aktivitäten im Derivateclearing und in ETFs. Finanzaktien werden nach wie vor durch zahlreiche negative Faktoren belastet. In diesem schwierigen Umfeld sind wir weiter auf der Suche nach qualitativ hochwertigen Unternehmen für das Portfolio. Diese sind anschauliche Beispiele dafür, wie wir unseren konträren Ansatz in der Praxis umsetzen. (SYZ/mc)