Schwyz – Am Anlegerpodium 2019 der Schwyzer Kantonalbank (SZKB) referierte Prof. Dr. Lutz Jäncke. Er ist Professor für Neuropsychologie und gehört zu den produktivsten und angesehensten Hirnforschern der Welt. In seinem Referat ging er der Frage nach, ob unser Hirn vernünftig ist. Thomas Heller, Chief Investment Officer der SZKB, widmete danach seine Ausführungen dem Umstand, wieso Anleger bei ihren Entscheidungen nicht (immer) rational handeln und welchen psychologischen Einflüssen sie unterliegen.
Seit der Aufklärung sind wir der Überzeugung, dass der Mensch vernünftig ist. Die Unvernunft (Irratio) soll durch die Vernunft (Ratio) kontrolliert werden. Aber ist das Hirn wirklich vernünftig? Wie funktioniert unser Denkorgan?
Und wie kommen beispielsweise Anlageentscheide zustande und welche Fehler werden immer wieder gemacht?
Einleitend zum Anlegerpodium referierte Prof. Dr. Lutz Jäncke. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuropsychologie am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Er beschäftigt sich leidenschaftlich mit dem, was im menschlichen Kopf vorgeht. Sein Forschungsschwerpunkt ist die funktionelle Plastizität des menschlichen Gehirns. Mit mehr als 350 veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten sowie zahlreichen Büchern ist Prof. Dr. Lutz Jäncke einer der am häufigsten zitierten Wissenschaftler.
Wissenschaftliche Erkenntnisse der Hirnforschung auf verständliche Art dargelegt
Lutz Jäncke nahm die Gäste auf eine faszinierende Reise und zeigte auf unterhaltsame Weise, wie unser Hirn unser Denken, Handeln und Fühlen beeinflusst – und dass das manchmal nur am Rande mit Vernunft zu tun hat. Dabei erläuterte er auch, dass das Unbewusste tatsächlich existiert, wie wir richtige und falsche Entscheidungen treffen und wie unser Gedächtnis funktioniert. Er verstand es bestens, wissenschaftliche Erkenntnisse der Hirnforschung auf anregende und verständliche Art und Weise dem Publikum darzulegen.
«Die Frage, wie effizient die Finanzmärkte sind und wie rational Anleger agieren, ist unter Finanzökonomen eine der umstrittensten», sagte Thomas Heller, Leiter Research der SZKB, der im zweiten Teil des Abends den Ball von Prof. Dr. Lutz Jäncke aufnahm.
Dass 2013 mit Eugene Fama, einem Verfechter rationaler Märkte, und seinem Antipoden Robert Shiller zwei Wirtschaftswissenschafter mit konträren Positionen im gleichen Jahr den Nobelpreis erhielten, zeige, dass die Wahrheit wohl dazwischenliege. Heller glaubt, dass die Finanzmärkte zwar ein hohes Mass an Effizienz aufweisen, dass es mitunter aber nur beschränkt rational zu- und hergehe. Insbesondere mit der richtigen Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten und von kausalen Zusammenhängen tun sich Anleger gemäss Heller schwer – mitunter auch Anlageprofis. Mittels eines Live-Votings via App unter den anwesenden Gästen demonstrierte er dies eindrücklich. Eine Mehrheit der Umfrageteilnehmer tappte bei den gestellten Fragen tatsächlich in die «Falle».
Keynes› Geheimnis des Börsengeschäfts
Die Verhaltensökonomie unterstelle deshalb wohl zu recht, dass die Voraussetzungen für vollständige Markteffizienz nicht (immer) gegeben seien und Emotionen das Verhalten der Investoren massgeblich beeinflussen, schloss Heller daraus. Das führe dazu, dass ein Anleger mit seiner Einschätzung zwar objektiv betrachtet richtigliegen könne, aufgrund der beschränkten Rationalität der andern Marktakteure aber dennoch Investitionsentscheide fälle, die nicht zum Erfolg führten. Mit einem Zitat des grossen britischen Ökonomen John Maynard Keynes brachte Heller dies auf den Punkt: «Das Geheimnis des Börsengeschäfts liegt darin, zu erkennen, was der Durchschnittsanleger denkt, was der Durchschnittsanleger tut».
Konjunktur und Märkte sieht Heller an einem Scheidepunkt. Folgt auf den aktuellen zyklischen Abschwung eine Wachstumsbeschleunigung oder rutscht die Weltwirtschaft in eine Rezession? Geht der Handelskonflikt, der den weiteren Konjunkturverlauf massgeblich beeinflussen wird, doch noch glimpflich aus oder eskaliert er weiter? Fragen auf die selbst der Experte keine eindeutige Antwort weiss. Einzig bei den Zinsen ist sich Heller relativ sicher: «Die langfristigen Zinsen bleiben tief und das Negativzinsregime der SNB wird uns noch eine ganze Weile begleiten. Selbst eine weitere Verschärfung ist – leider – nicht ausgeschlossen.»
Was die Anlagetaktik angeht, mahnte Heller zur Vorsicht. Und zwar in beide Richtungen. Sich in diesem unsicheren Umfeld nicht zu aggressiv positionieren, aber auch nicht zu defensiv, falls sich die freundliche Marktstimmung fortsetzt, sei das Gebot der Stunde. Warnend schob er zum Abschluss ein weiteres Keynes-Zitat hinterher: «Die Märkte können länger irrational bleiben als man selber liquide». (SZKB/mc/ps)