Von Thomas Heller, CIO Schwyzer Kantonalbank. (Foto: SZKB)
Schwyz – Mit 51.9% zu 48.1% hat sich Grossbritannien überraschend für den Austritt aus der EU entschieden. Die Märkte haben das Resultat mit hohen Abgaben quittiert, das Pfund verliert deutlich. Der angekündigte Rücktritt von Premierminister Cameron ist der erste Schritt der politischen Aufarbeitung der Ereignisse.
In der Woche vor dem Referendum, als sich Umfragewerte und Quoten bei den Wettbüros zugunsten der EU-Befürworter entwickelt hatten, setzten die Märkte zu einer bemerkenswerten Erholung an. Innerhalb dieser Woche (bis gestern Donnerstag) hatte das Pfund zum US-Dollar um 4.3% zugelegt (+3.6% zum Franken), die Aktienmärkte stiegen zwischen 5% (SMI) und 9% (EuroStoxx 50).
Auf dem falschen Fuss erwischt
Die Märkte wurden also vom Abstimmungsresultat auf dem falschen Fuss erwischt und reagierten deshalb heute Morgen mit deutlichen Abgaben. Bei den Aktien scheint insgesamt ein Rückfall in etwa auf das Niveau der Vorwoche realistisch. Stärker betroffen ist das britische Pfund, das zum Schweizer Franken (-7.5%) und zum US-Dollar (-8.8%) nachgab. Profiteure sind Staatsanleihen und Gold, das wieder über USD 1’300 pro Unze gestiegen ist.
Zurück zur Normalität?
Wie geht es weiter? Die Märkte werden das Abstimmungsresultat erst verdauen müssen. Ähnlich wie bei der Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015 dürfte die Volatilität in den kommenden Tagen hoch bleiben. Nachdem das heranrückende Referendum in den vergangenen Wochen alles überstrahlt hatte, werden die Märkte nun zu einer relativen Normalität zurückkehren. Relativ deshalb, weil die aktuelle Lage im historischen Kontext natürlich alles andere als normal ist, und das nicht nur wegen des Brexit. Aber das Augenmerk wird sich in der näheren Zukunft wieder verstärkt auf die Faktoren richten, welche bereits vor der Brexit-Debatte massgeblichen Einfluss auf das Marktgeschehen hatten. Im Zentrum stehen dabei die USA (Wachstumsschwäche, Zinspfad der Fed), die Eurozone (Fortsetzung der Erholung, Wirkung der Geldpolitik der EZB) und China (Stimulierungsmassnahmen der Zentralregierung, Wechselkurs, Verschuldung).
Die langfristigen politischen und ökonomischen Auswirkungen des heutigen Entscheids werden auf das kurzfristige Marktverhalten nur einen beschränkten Einfluss haben.
Rebalancing in den Portfolios
Der EU-Austritt Grossbritanniens hat unser aktuelles Konjunktur- und Marktszenario nicht grundlegend verändert. Die wichtigsten Eckpunkte sind:
- Insgesamt ist unsere Konjunktur- und Markteinschätzung nicht euphorisch, aber auch nicht negativ.
- Das Wachstum bleibt verhalten, eine globale Rezession droht jedoch nicht.
- Die Notenbanken, das schwache Wachstum und die tiefe Inflation halten die Zinsen tief. Es ist aber kein weiterer Rückgang zu erwarten.
- Aktien sind absolut betrachtet nicht billig, im Vergleich zu Anleihen aber immer noch attraktiver. Es fehlen je-doch die treibenden Faktoren für einen Anstieg, das weitere Erholungspotential ist beschränkt. Wir rechnen aber auch nicht mit einer markanten Korrektur.
Ausserdem werden die Notenbanken bei Bedarf stützend eingreifen. Wir nutzen deshalb die Rückschläge bei den Aktien für ein Rebalancing (Aufstockung des Aktienanteils auf die neutrale Quote). Eine Beurteilung der möglichen mittel- und langfristigen Auswirkungen des Brexit werden wir laufend vornehmen und in unsere Anlageentscheide einfliessen lassen. Aufgrund des heutigen Tages besteht unseres Erachtens aber kein unmittelbarer Handlungsbedarf. (SZKB/mc/ps)