T. Rowe Price: In schwierigen Zeiten ist Flexibilität unerlässlich
Eine Beimischung von Wertpapieren mit höheren Risiken und geringerer Liquidität kann erhebliche Vorteile bringen.
Wer in turbulenten Phasen an den Anleihemärkten konstante Renditen erwirtschaften will, sollte etwas flexibel sein. In Zeiten, in denen konventionelle Staats- und Unternehmensanleihen enge Spreads oder zu hohe Kreditrisiken aufweisen, ist die Freiheit, ein breiteres Anleihespektrum nutzen auch in riskantere und weniger liquide Produkte investieren zu können von unschätzbarem Wert.
Wir haben diese Freiheit zu Jahresbeginn genutzt und erstmals in steuerpflichtige US-Kommunalanleihen („taxable municipals“) investiert. Während die meisten US-Kommunalanleihen nach wie vor steuerbefreit sind, hat das Volumen an steuerpflichtigen „Muni-Bonds“ in den letzten Jahren stark zugelegt. Grund dafür war eine Gesetzänderung im Jahr 2017, mit der eine Steuerbefreiung neu emittierter Anleihen zur Refinanzierung fälliger Bonds nur noch möglich war, wenn die Emission höchstens 90 Tage vor Kündigung der alten Anleihen erfolgte. In der Folge stieg der Anteil steuerpflichtiger Kommunalanleihen am gesamten Emissionsvolumen langfristiger Muni-Bonds im Jahr 2019 auf 16% – gegenüber 9% im Vorjahr.
Wir hatten im Januar erstmals in steuerpflichtige Muni-Bonds investiert, weil wir auf der Suche nach Wertpapieren waren, die attraktive Renditen abwerfen und eine Reduzierung der Unternehmenskreditrisiken in unseren Portfolios ermöglichen. Dieses Engagement hatten wir im Frühjahr wieder zurückgefahren, um Kaufgelegenheiten bei Unternehmensanleihen zu nutzen, deren Kurse nach Ausbruch der Corona-Pandemie massiv eingebrochen waren. Im Frühsommer hatten wir unsere Position in steuerpflichtigen Kommunalanleihen dann wieder verstärkt, da die Spreads nach wie vor relativ hoch waren, während sie bei Unternehmensanleihen wieder sanken.
Allerdings eignen sich nicht alle Kommunalanleihen für unser Portfolio. Viele steuerpflichtige Muni-Bonds haben lange Laufzeiten von 20 oder 30 Jahren, die wir – ähnlich wie bei langfristigen Unternehmensanleihen – üblicherweise aufgrund der hohen Spread-Duration (also einer zu starken Kursvolatilität im Vergleich zu den Spreads) vermeiden. Stattdessen favorisieren wir bonitätsstarke Titel mit A- oder AA-Rating und einer 4- bis 7-jährigen Laufzeit, wo die Spreads zuletzt teilweise bei 100 bis 175 Basispunkten lagen. Unter Berücksichtigung des Roll-Down-Effekts, also des Kursgewinns, der sich ergibt, wenn sich die Anleihe ihrer Fälligkeit nähert und die Renditekurve nach unten „rollt“, bieten diese Titel ein attraktives Renditepotenzial bei sehr geringen Kreditrisiken.
Ausserdem investieren wir in „Crossover-Anleihen“, die üblicherweise ein Rating im unteren BBB- bis höheren BB-Bereich aufweisen – also sowohl Investment-Grade- als auch High-Yield-Anleihen umfassen. Solche Emittenten sind bei Kommunalanleihen weniger stark vertreten, und die entsprechenden Titel sind mit Kreditrisiken verbunden. Allerdings sind wir mit unserem starken Analystenteam für Kommunalanleihen in der Lage, diese Titel genau zu verstehen und entsprechende Positionen einzugehen.
Zu unseren wichtigsten Positionen, die wir in diesem Jahr in steuerpflichtigen Kommunalanleihen eingegangen sind, zählt die Anleihe des US-Bundesstaates Illinois, die ein Rating von BBB- mit negativem Ausblick hat. Der Bundesstaat ist relativ hoch verschuldet, und viele Anleger sind der Meinung, die Finanzlage wird sich weiter verschlechtern. Anders als der Marktkonsens, der die Illinois-Anleihen eher im unteren BB-Bereich einpreist, schätzen wir die Aussichten optimistischer ein. Wenngleich es Regierungen gibt, denen die Instrumente fehlen, um gegen ihre hohe Verschuldung anzugehen, sind andere Regierungen durchaus in der Lage, die Situation zu verbessern – sofern der politische Wille vorhanden ist. Wir glauben, dass dies für den Bundesstaat Illinois zutrifft, und es ihm gelingen kann, seine Finanzlage wieder zu stabilisieren – sofern die politische Bereitschaft besteht.
Und es gibt einige Anzeichen dafür, dass dies in Illinois der Fall ist. Bei den Wahlen im November kann die Bevölkerung des Bundesstaates auch darüber abstimmen, ob die derzeit geltende pauschale Einkommensteuer in Illinois durch eine progressive Steuer ersetzt werden soll, was zur Folge hätte, dass einkommensstärkere Personen höhere Steuern zahlen. Sofern eine solche progressive Steuer eingeführt wird, was zu erwarten ist, dürften die Steuereinnahmen des Bundesstaates erheblich steigen. Zudem dürfte Illinois weitere Finanzhilfen vom Bund erhalten. Obwohl ein neues Corona-Hilfspaket zuletzt im Kongress gescheitert ist, dürfte es früher oder später verabschiedet werden – ob vor oder nach der Wahl. Je nachdem, ob die Demokraten oder die Republikaner den nächsten Präsidenten stellen, könnte Illinois vom Bund bis zu 5 Milliarden Dollar Finanzhilfen bekommen. Das wäre ein grosser Schritt, um das Loch im Staatshaushalt zu stopfen. Auch wenn eine erneute Bonitätsrückstufung für Illinois wahrscheinlich ist, gehen wir davon aus, dass diese weniger stark ausfallen wird als vom Markt eingepreist. Vor dem Hintergrund der anhaltend niedrigen Zinsen halten wir die Anleihe daher für vielversprechend.
Weniger liquide Wertpapiere wie steuerpflichtige Kommunalanleihen sind immer mit zusätzlichen Risiken behaftet. Letztlich erhalten die Anleger für das Eingehen von Kredit- und Liquiditätsrisiken einen entsprechenden Renditeaufschlag. Unseres Erachtens werden diese Risiken, die mit steuerpflichtigen Muni-Bonds verbunden sind, durch die höheren Spreads und die Diversifizierungsvorteile mehr als kompensiert.