Wallisellen – Während sich die USA aktuell im Epizentrum der Insolvenzwelle befinden, herrscht in anderen Ländern noch die Ruhe vor dem Sturm – so auch in der Schweiz. Allerdings dürfte spätestens ab dem Herbst überall auf der Welt die Konkurswelle einsetzen, die sich dann über das gesamte erste Halbjahr 2021 fortsetzt. Zu diesem Ergebnis kommt der Kreditversicherer Euler Hermes in seiner aktuellen Studie. Die Euler Hermes Experten erwarten aktuell für die beiden Jahre 2020 und 2021 einen kumulierten Anstieg der weltweiten Insolvenzen um insgesamt 35% auf einen neuen Negativrekord (17% im Jahr 2020, 16% im Jahr 2021). Die Entwicklung ist allerdings sehr heterogen: In zwei von drei Ländern zeigt sich bereits jetzt ein massiver Anstieg der Konkurse, im anderen Drittel wiederum findet der stärkste Anstieg zeitversetzt erst 2021 statt.
Tickende Zeitbombe statt Entwarnung: Ab Herbst geht die Insolvenzwelle überall los
„Das ist aber längst keine Entwarnung, sondern vielmehr eine tickende Zeitbombe», sagt Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. „Spätestens im dritten Quartal des Jahres wird diese Zeitbombe hochgehen und die Schockwellen dürften sich ins gesamte erste Halbjahr 2021 ausbreiten.»
Keine Entspannung in Sicht: Weltweite Insolvenzen steigen 2020/2021 auf Rekordhoch
Eine Entspannung zeichnet sich 2021 mit einem weiteren Zuwachs der weltweiten Insolvenzen also keinesfalls ab. „Vergleicht man die Prognosen von 2021 mit den Fallzahlen von 2019 ergibt dies in den beiden Jahren einen kumulierten Zuwachs der globalen Konkurse um mehr als ein Drittel (+35%) auf einen neuen Negativrekord», sagt Maxime Lemerle, Chef der Insolvenz- und Branchenanalysen bei der Euler Hermes Gruppe. „Wenn die jeweiligen staatlichen Unterstützungsmassnahmen zu früh beendet werden, dürfte der Anstieg sogar noch um 5-10 Prozentpunkte höher ausfallen.»
Exportnation Schweiz stark von internationaler Entwicklung abhängig
Keine guten Nachrichten für die Exportnation Schweiz, bei der sich negative Entwicklungen in den Exportmärkten meist stärker auswirken als in anderen Staaten. Trotzdem kommt die Schweiz im Vergleich voraussichtlich besser durch die Krise als viele andere Länder.
„Die Schweiz könnte mit einem blauen Auge davonkommen», sagt Ruf. „Gründe dafür sind neben der besseren Ausgangssituation und dem kürzeren, weniger strikten Lockdown vor allem die schnellen und sehr umfangreichen Sofortmassnahmen der Regierung.»
Die Schweiz mit blauem Auge? Andere Länder trifft es noch wesentlich härter
Insgesamt dürften die Konkurse hierzulande im Zuge der Covid-19-Pandemie in den zwei Jahren bis 2021 um insgesamt 15% auf etwa 5680 Fälle ansteigen. Der Löwenanteil dürfte mit +9% auf 2021 fallen. 2020 erwartet der führende Kreditversicherer einen Zuwachs der Fallzahlen um +6% auf rund 5200 Fälle. Damit gehört die Schweiz wie auch Grossbritannien, Frankreich, Belgien, Deutschland oder Indien zu dem Drittel der Länder, die die Negativeffekte zeitverzögert erreicht.
Neue Geschäftsmodelle gefragt – aber Schuldenberge und Finanzierung zum Teil schwierig
Hinzu kommen grosse Herausforderungen für die Unternehmen bezüglich der sich – nicht zuletzt durch Covid-19 – drastisch verändernden Geschäftsmodelle. „So ist zum Beispiel kein Unternehmen darauf ausgerichtet, plötzlich nur noch die Hälfte der Kunden zu bedienen. Viele Unternehmen müssen ihr Geschäftsmodell grundlegend überdenken und adaptieren. Das müssen sie erst einmal finanzieren und brauchen dazu Margen und eine Lösung für die Restrukturierung ihrer Schuldenberge, die durch Covid-19 bei vielen Unternehmen stark gewachsen sind. Zusammen mit der digitalen Transformation sind das viele Variablen, die über die weitere Entwicklung auch nach 2021 entscheiden werden“, sagt Ruf.
USA mit stärkstem Anstieg 2020, Brasilien, Portugal, Niederlande und China mit Pleitewelle
Trotzdem trifft es viele Unternehmen in anderen Ländern früher und härter: Die USA (+47% Anstieg der Insolvenzen 2020) führen das Negativranking der Länder an, die bereits 2020 unter einem massiven Anstieg der Insolvenzen leiden. Sie teilen ihr Schicksal mit zwei von drei Ländern weltweit. Darunter befinden sich neben den USA, Brasilien (+32% im Jahr 2020) und China (+21%) auch viele europäische Staaten wie beispielsweise Portugal (+30%), die Niederlande (+29%), Spanien (+20%) oder Italien (+18%). (Euler Hermes/mc/ps)