Tiefe Ölpreise sind nicht für die Ewigkeit gemacht
SGKB Investment Views von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)
St. Gallen – Seit dem letzten Sommer hat sich der Preis für ein Fass Rohöl mehr als halbiert, bevor er zwischen 45 und 50 Dollar für die amerikanische Sorte WTI einen labilen Boden gefunden hat. Die Gründe sind hinlänglich bekannt. Alle Produzenten fördern auf Hochtouren. Die Amerikaner haben dank der Fracking-Technologie ihre tägliche Förderung seit 2011 von 5.4 Mio. Fass auf über 9 Mio. Fass erhöht. Im arabischen Raum fällt momentan kein Produzent im grösseren Stil aus, wie es früher beim Irak oder bei Libyen der Fall war. Produzenten wie Russland, Venezuela oder Nigeria mit finanziellen Problemen reagieren auf die sinkenden Preise mit einer Ausdehnung der Förderung, um die Erträge einigermassen zu halten. Entscheidend kommt hinzu, dass Saudi Arabien als flexibelster Produzent nicht bereit ist, für die Stabilisierung des Preises die eigene Förderung zu drosseln. Unterstützt wird der angebotsbedingte Preiszerfall durch die Spekulation am Futures-Markt. Die Zahl der nichtkommerziellen Shortpositionen an der NYMEX ist seit dem letzten Sommer explodiert und hat einen historischen Höchststand erreicht.
Die Situation unter den Ölproduzenten gleicht momentan einem Pokerspiel. Keiner will sich anmerken lassen, wie seine Karten sind und zu früh reagieren. Solange sich niemand bewegt und seine Förderung drosselt, solange wird der Preis auf tiefem Niveau verharren oder kann sogar weiter sinken. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass der Erdölfluss in die Industrieländer auf unsicherem Grund steht. Die Ereignisse der letzten Tage in Jemen haben einmal mehr vor Augen geführt, dass ein wichtiger Teil der Erdölförderung und des Erdöltransportes in einer politisch unruhigen Region angesiedelt ist. Der latente Konflikt zwischen Saudi Arabien und dem Iran betrifft zwei der grössten Spieler in diesem Pokerspiel. Die Terrorgruppe IS bedroht mit dem Irak und Libyen ebenfalls zwei der grösseren Anbieter. Der Preissprung des Ölpreises um 5% nach dem Start der Luftangriffe auf Jemen durch Saudi Arabien hat gezeigt, wie schnell vor allem die Spekulation am Markt nervös wird.
Rückgängige Investitionen in Förderkapazitäten
Wichtiger ist, dass aufgrund der tiefen Preise die Investitionen in die Förderkapazitäten sofort und massiv zurückgefahren wurden. Unrentable und unergiebige Quellen wurden als erstes aufgegeben. Auf der anderen Seite wird die Produktion aus kostengünstigen Quellen maximiert. So ist zu erklären, dass die Produktion in den USA nicht kleiner geworden ist, obwohl die Zahl der Bohrlöcher von 1’600 auf 813 abgenommen hat. Aber die Fracking-Quellen versiegen rasch. Nach sechs bis neun Monaten nimmt der Ölfluss rapide ab. Ein Grossteil der generellen Förderung ausserhalb des mittleren Ostens findet unter technisch oder klimatisch schwierigen Bedingungen statt, so dass die Infrastruktur immer wieder erneuert werden muss. Die Abnahme der Förderkapazität ist nur eine Frage der Zeit, wenn die notwendigen Investitionen nicht mehr vorgenommen werden.
Absehbarer Rückgang der Förderkapazitäten
Momentan herrschen für die weltweite Ölproduktion die besten aller möglichen Rahmenbedingungen. Diese werden nicht anhalten und die Förderkapazität wird in den nächsten Monaten sinken. Die zurzeit übervollen Lager werden dies über eine gewisse Zeit kompensieren können, bevor der Preis zu steigen beginnt. Bekommen dann die Spekulanten im Ölmarkt nasse Füsse, werden sie ihre Positionen auflösen und den Gegentrend im Preis noch verstärken. Wir erwarten, dass sich der Ölpreis noch ein paar Monate im aktuellen Rahmen bewegt, bevor er wieder in Richtung von 60 Dollar pro Fass steigen wird. (SGKB/mc/ps)