Tiefzinspolitik wirkt sich auf die Altersvorsorge junger Menschen verheerend aus

Tiefzinspolitik wirkt sich auf die Altersvorsorge junger Menschen verheerend aus
(Photo by Micheile Henderson on Unsplash)

Zürich – Das seit zehn Jahren herrschende Tiefzinsumfeld wirft seine Schatten weit in die Zukunft: Das zeigt die neuste Analyse von Comparis. Der Online-Vergleichsdienst hat dazu die Entwicklung von Pensionskassenguthaben unter verschiedenen Renditeannahmen verglichen.

In der letzten Dekade sind die Renditen auf Vorsorgeguthaben besonders kräftig geschmolzen. Die reale durchschnittliche Jahresrendite auf Pensionskassenguthaben seit Einführung des Pensionskassenobligatoriums 1985 betrug laut den Comparis-Berechnungen 3,6 Prozent. Seit 2008 werden auf die Pensionskassenguthaben durchschnittlich nur noch 2,8 Prozent reale Rendite erwirtschaftet.

Mehrere zehntausend Franken weniger Alterskapital
Die Zukunft sieht noch schlechter aus: Für die Berechnung der künftigen Altersguthaben hat Comparis für heute Dreissigjährige drei Renditeszenarien bei einem versicherten Jahreseinkommen von 80’000 Franken bis zum ordentlichen Pensionsalter angenommen.

Basierend auf der Zinssituation aus der Vergangenheit – also einer durchschnittlichen realen Rendite von 3,6 Prozent – könnte sich ein heute dreissigjähriger Berufseinsteiger somit ein Pensionskassenguthaben im Rentenalter von 687’000 Franken auszahlen lassen. Bei der Annahme einer durchschnittlichen Realrendite wie seit der Finanzkrise (2,8%) wären es noch 599’000 Franken. Das entspricht einer Einbusse von 13 Prozent.

Realrendite bleibt tief
«Aber auch eine Rendite von 2,8 Prozent ist unrealistisch für die Zukunft», warnt Comparis-Finanzexperte Leo Hug. Der Grund: Seit der Finanzkrise haben die Finanzmärkte besonders stark von sinkenden Zinsen profitiert. Das von den Notenbanken ins System gepumpte Kapital habe die Realwirtschaft nie richtig erreicht. Stattdessen sei das Geld in die Finanzmärkte geflossen und habe unter anderem zu einem Aktienboom geführt.

«Das war ein einmaliger Effekt. Die Zinsen werden kaum mehr für neue Impulse an den Finanzmärkten sorgen können», warnt Hug. «Wegen der weltweit hohen Staatsverschuldung stehen die Zentralbanken unter Druck, die Zinsen tief zu halten.» Diese Einschätzung spiegelt sich auch in geringen, zum Teil sogar negativen Renditen für langfristige Staatsanleihen: Die 30-jährigen Bundesobligationen rentieren noch minus 0,55 Prozent*. Die entsprechend langen Euro-Anleihen von Deutschland haben eine Minusrendite von 0,1 Prozent. Die Renditen der 30-jährigen US-Treasuries liegen ebenfalls auf historisch tiefen 2,0 Prozent. «Die Verzinsung des BVG-Kapitals wird also noch sehr lange tief bleiben», prognostiziert Hug.

Er geht von einer längerfristigen Realrendite der Pensionskassengelder von 1,2 Prozent aus. Das ergibt für heute Dreissigjährige beim Erreichen von 65 Jahren ein angespartes Pensionskassenguthaben von nur noch 463’000 Franken, also ein Drittel weniger als mit der Durchschnittsrendite auf PK-Vermögen seit Einführung der PK-Obligatoriums.

«Das wäre allerdings nur der Fall, wenn in dieser Zeit keine weitere Umverteilung von den Erwerbstätigen hin zu den Rentnern stattfindet. Sonst sieht es für die Jungen noch schlechter aus», ergänzt Hug.

Zusätzliches eigenverantwortliches Sparen wird vordringlich
Umso dringender wird damit die private Vorsorge. Die Berechnungen von Comparis zeigen, dass heute Dreissigjährige mit 80’000 Franken versichertem Lohn jährlich zusätzlich rund 5’000 Franken in der steuerprivilegierten Säule 3a anlegen müssten, um die aus den tieferen Zinsen resultierenden Einbussen beim Pensionskassen-Vermögen im Umfang von 224’000 Franken zu kompensieren. Der zusätzliche Vorsorgebedarf beträgt also rund drei Viertel der maximal zugelassenen steuerbegünstigen 6’826 Franken der Säule 3a.

Die Säule 3a flexibilisieren
«Wer es sich leisten kann, soll die tieferen Altersguthaben in einer flexibleren Säule 3a kompensieren können», schlägt Hug vor. Die hängende Motion von Ständerat Erich Ettlin sei ein Schritt in die richtige Richtung: Ettlin fordert, dass Personen mit einem AHV-Einkommen, die in früheren Jahren keine oder nur Teilbeiträge in die Säule 3a einzahlen konnten, dies unter bestimmten Bedingungen nachholen und vom steuerbaren Einkommen abziehen können. Comparis unterstützt die Forderung, dass Einkäufe in die Säule 3a ebenso möglich sein sollen wie Einkäufe in die Pensionskassen.

Jährlich maximal 11’800 Franken in die Säule 3a
Eine Reform der Säule 3a müsste aber auch eine Erhöhung der jährlichen Maximaleinzahlungen in die Säule 3a einschliessen. «Wegen der tieferen Pensionskassenrenditen sollten Angestellte jährlich maximal 11’800 Franken in die 3. Säule einzahlen können: also 6’826 Franken für bisheriges freiwilliges 3a-Vorsorgesparen plus rund 5’000 Franken Kompensation für verlorene Zinseszinseffekte auf dem Pensionskassenkapital», so der Vorschlag von Hug. «Mit einer Erhöhung der Maximaleinzahlungen in die Säule 3a um rund 5’000 Franken erhalten junge Erwerbstätige gleichwertige steuerprivilegierte Vorsorgemöglichkeiten wie die Babyboomer», begründet er die Forderung. (comparis.ch/mc/pg)

Methodik
Basis der Untersuchung ist der vom Bundesamt für Statistik erhobene globale Pensionskassen-Finanzhaushalt vom November 2018. Die Berechnung der Entwicklung der Vorsorgevermögen durch comparis.ch beruht auf dem im globalen Pensionskassen-Haushalt ausgewiesenen Kapitalertrag und der Kapitalwertänderung (1986 – 2016). Die Berechnungen beruhen auf einem versicherten Jahreslohn von 80’000 Franken.

One thought on “Tiefzinspolitik wirkt sich auf die Altersvorsorge junger Menschen verheerend aus

  1. Es wäre einmal interessant zu wissen, wieviel Comparis an der Vermittlung von Säule-3A-Produkten verdient, denn Comparis fällt seit längerem damit auf, dass sie die zweite Säule schlechtschreiben, um dann anschliessend die Säule 3A zu empfehlen. Zum Beispiel kann man die Renditen der 80er Jahre unmöglich mit den heutigen vergleichen, weil es heute praktisch keine Inflation gibt. Insgesamt hat sich die Leistung der Pensionskassen nicht verschlechtert, aber aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung muss diese länger erbracht werden, was zur bekannten und unerwünschten Umverteilung führt. Das hat aber nur wenig mit einer schlechteren Rendite zu tun.

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