Jean-Claude Trichet, scheidender EZB-Präsident.
Frankfurt am Main – Der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hat eine gestärkte Kapazität des europäischen Rettungsfonds EFSF gefordert. «Dies müsse mit einer überzeugenden Haushalts- und Strukturpolitik in den einzelnen Nationalstaaten einhergehen», sagte Trichet bei seiner offiziellen Verabschiedung am Mittwoch während eines Festaktes in Frankfurt. Zudem müssten die Bilanzen der Banken der Eurozone gestärkt werden. Notwendig sei auch eine Lösung für das von der Staatspleite bedrohte Griechenland.
Trichet forderte zudem die Einsetzung eines europäischen Finanzministers, auch wenn dieses neue Amt über kein grosses Budget verfügen müsse. Allerdings sollte ein künftiger europäischer Finanzminister entschlossen die Haushalts- und Wettbewerbspolitik der Mitgliedsstaaten der Eurozone überwachen, sagte Trichet. Ferner müsse er auch in aussergewöhnlichen Umständen rasche Entscheidungen für die einzelne Volkswirtschaft treffen können. Das von Trichet geforderte Amt eines europäischer Finanzministers sollte zudem für alle Entscheidungen verantwortlich sein, die die Integration der Finanzmärkte in der Eurozone betreffen. Ausserdem müsse dieser die Mitgliedsstaaten des Euroraums bei Internationalen Institutionen vertreten können.
Draghi: Finanzmarktstabilität entscheidend für das Überleben des Euro
Finanzmarktstabilität ist nach Einschätzung des designierten EZB-Präsidenten, Mario Draghi, entscheidend für das Überleben des Euro. Es sei ein grosses Verdienst des scheidenden EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet, dies erkannt zu haben, sagte Draghi am Mittwoch in Frankfurt. Die EZB habe immer zur Haushaltsdisziplin gemahnt. «Ohne Haushaltsdisziplin kann die Wirtschaft langfristig nicht wachsen», sagte Draghi. Trichet, der nach acht Jahren an der Spitze der EZB Ende Oktober turnusgemäss abtritt, war zuletzt vor allem in Deutschland in die Kritik geraten. Der Kauf von Staatsanleihen pleitebedrohter Euroländer durch die EZB ist umstritten.
Ex-Bundeskanzler Schmidt wirft Politik Handlungsunfähigkeit vor
Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat der Politik Handlungsunfähigkeit in der Euro-Schuldenkrise vorgeworfen. «Allein das EZB-Direktorium unter Leitung von Trichet hat sich in der Finanz- und Schuldenkrise als handlungsfähig erwiesen», sagte Schmidt am Mittwoch. Er sprach bei einem Festakt zur Verabschiedung von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in Frankfurt. Die politischen Spitzen Europas hätten sich dagegen unfähig gezeigt, die Krise einzudämmen. Trichet war zuletzt vor allem in Deutschland in die Kritik geraten. Der Kauf von Staatsanleihen pleitebedrohter Euroländer durch die EZB ist umstritten. (awp/mc/ps)