Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: primeministergr/Twitter)
Athen/Brüssel/Berlin – Mit dem Auslaufen des Kreditprogramms droht Griechenland die baldige Pleite. Die Regierung hofft mit einem neuen Kompromiss auf eine Einigung in letzter Minute. Doch bei den Euro-Partnern will man zuerst das Referendum in Griechenland abwarten.
Die Euro-Finanzminister seien «geeint in der Entscheidung, vor jeglichen weiteren Gesprächen auf den Ausgang des griechischen Referendums zu warten», liess der slowakische Finanzminister Peter Kazimir am Mittwoch nach einer Telefonkonferenz mit seinen Amtskollegen über Twitter verlauten.
Allerdings sind sich die Regierungen der Euro-Länder nicht ganz so einig, wie der Entscheid an der Telefonkonferenz es erscheinen lässt. Während Italien und Frankreich eine schnelle Lösung fordern, will Deutschland eher abwarten.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel machte während einer hitzigen Debatte im Bundestag deutlich, dass es vor dem geplanten Referendum von deutscher Seite keine neuen Verhandlungen geben werde. «Die Welt schaut auf uns. Aber die Zukunft Europas steht nicht auf dem Spiel», sagte sie und betonte, dass sie keine Einigung um jeden Preis wolle.
Ganz andere Töne kamen dagegen aus Frankreich. «Um es klar zu sagen, eine Vereinbarung muss sofort her!», sagte Staatspräsident François Hollande am Mittwoch in Lyon. Ein Kompromiss könne nicht mehr aufgeschoben werden. Und er fügte hinzu: «Als Europäer will ich nicht den Zerfall der Euro-Zone.»
Italien schliesslich zeigte sich zuversichtlich. Der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan macht in den jüngsten Schuldengesprächen mit Griechenland jedenfalls Fortschritte bei vielen Fragen aus.
Verhandlungen über neues Programm
Ein Hindernis bei der Suche nach einer Einigung stellt aber das ausgelaufene Hilfsprogramm dar. Nach Ansicht der EU-Kommission und der Euro-Finanzminister kann daher nicht mehr über eine Verlängerung, sondern nur noch über ein neues Programm verhandelt werden – was aber komplizierter sein dürfte.
Das Programm war in der Nacht zum Mittwoch ausgelaufen, nachdem Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen internationalen Geldgebern über dessen Verlängerung am Wochenende gescheitert waren. Damit verlor das pleitebedrohte Land endgültig den Zugriff auf Hilfsmittel von insgesamt rund 18 Mrd EUR. Zudem ist Griechenland als erster Industriestaat beim Internationalen Währungsfonds in Zahlungsverzug geraten.
Die Regierung in Athen hofft dennoch auf eine Verlängerung – oder auf ein drittes Paket unter dem Euro-Rettungsschirm ESM. In einem auf den Dienstag datierten Brief an die Chefs der Gläubigerinstitutionen EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF) machte Ministerpräsident Alexis Tsipras neue Vorschläge für die Einigung auf ein Sparpaket.
Sparzusagen aus Athen
Die Zeitung «Financial Times» veröffentlichte den Brief am Mittwoch. Tsipras erläuterte darin, dass die Vorschläge Teil der Bitte um Verlängerung des um Mitternacht abgelaufenen Hilfspakets und des am Dienstag gesandten Antrags auf ein neues Programm des Euro-Rettungsfonds ESM seien.
In dem Brief an die Geldgeber vom 30. Juni zeigt sich Tsipras im Schuldendrama bereit, vorrangige Bedingungen der Geldgeber grundsätzlich erfüllen zu wollen. So sollten die Verteidigungsausgaben 2016 um 200 Mio EUR und 2017 um 400 Mio EUR gekürzt werden. Der Steuerabschlag für die Ägäis-Inseln von 30% soll aber ebenso erhalten bleiben wie bestimmte Ausnahmen im Pensionssystem. Zuvor hatte Tsipras in einem anderen Schreiben einen 29-Milliarden-Euro-Kredit des ESM gefordert.
Drastische Lage
Griechenland steht derweil kurz vor der Pleite. Wegen der Zuspitzung der Lage bleiben Banken und Börse in Griechenland geschlossen. In den vergangenen Tagen hatten immer mehr Bürger Bargeld abgehoben und damit die Geldhäuser in Schwierigkeiten gebracht. An Geldautomaten dürfen Griechen seit Montag maximal 60 EUR pro Tag abheben, für ausländische Bankkarten soll die Beschränkung aber nicht gelten.
Die Banken sollen – mit Ausnahme für Rentner – bis nach dem Referendum über die Sparvorschläge der Gläubiger am Sonntag geschlossen bleiben. Tsipras hatte die Volksabstimmung am Wochenende angekündigt und die Europartner so vor den Kopf gestossen.
Der Ausgang der Abstimmung ist offen. Bei einer Umfrage des Instituts Prorata gaben 54% der Befragten an, am Sonntag gegen die Vorschläge der Geldgeber stimmen zu wollen. Allerdings scheint die drastische Lage das Ja-Lager gestärkt zu haben.
An den Börse machte sich derweil Hoffnung breit, dass bereits vorher ein Kompromiss erzielt werden kann. Dies beeinflusste auch den Wert des Schweizer Frankens: Zwar schwankte der Kurs zum Euro erheblich. Trotzdem kostete ein Euro tagsüber stets zwischen 1,0425 und 1,0472 Franken und damit mehr als am Vortag. (awp/mc/ps)