Duncan Niederauer, CEO NYSE Euronext.
New York – Allen Querelen zum Trotz treiben die Deutsche Börse und New York Stock Exchange (NYSE) ihre Fusion voran. Die Planungen für die Verschmelzung machten «grosse Fortschritte», teilte die Deutsche Börse in Frankfurt mit. Die nötigen Genehmigungsverfahren seien angestossen und erste Dokumente eingereicht worden. «Damit liegen Deutsche Börse und NYSE Euronext weiterhin voll im Zeitplan, um die Transaktion bis Ende 2011 abzuschliessen.»
In der Mitteilung vom Sonntagabend schwingt Erleichterung mit. Kurz zuvor hatte die NYSE Euronext sich ohne Wenn und Aber zu den Frankfurtern bekannt. Dabei liegt ihr ein Gegenangebot der US-Technologiebörse Nasdaq OMX vor, das nach eigenem Bekunden um 20 Prozent höher liegt. Diese Offerte sei aber strategisch unattraktiv und zudem sei die Gefahr gross, dass die Übernahme letztlich gar nicht gelinge, liess der NYSE-Verwaltungsrat wissen.
Aktionäre der Deutschen Börse erleichtert
Die Aktionäre der Deutschen Börse waren erleichtert angesichts der klaren Worte des Wunschpartners. Der Kurs der Frankfurter stieg bis zum Montagmittag in einem eher trüben Umfeld um mehr als 1 Prozent. Dagegen herrschte bei der Nasdaq dicke Luft. «Der NYSE-Verwaltungsrat beraubt seine Aktionäre der Vorteile eines überragenden Angebots», fauchte Nasdaq-Chef Robert Greifeld. Damit missachte das Gremium die Grundsätze guter Unternehmensführung. «Wir sind überzeugt davon, dass unsere Aktionäre durch den Zusammenschluss mit der Deutschen Börse am meisten gewinnen», sagte dagegen NYSE-Verwaltungsrats-Chef Jan-Michiel Hessels. «Das gemeinsame Unternehmen ist finanziell stark, hat ein Weltklasse-Management und eine funktionierende Strategie.»
Ohrfeige für Nasdaq
Das war eine Ohrfeige für die aufstrebende Technologiebörse Nasdaq. Schon seit jeher blickt die New York Stock Exchange auf den kleineren und wesentlich jüngeren Rivalen herunter. Die Wurzeln der NYSE reichen bis ins Jahr 1792, die Nasdaq ist gerade mal 40 Jahre alt und gibt sich als Rebell der Börsenwelt: Sie besass von Anfang an keinen Handelssaal, alle Geschäfte laufen rein elektronisch. Für die NYSE wäre es eine Schmach, von der Nasdaq kontrolliert zu werden. Die Fusion mit der Deutschen Börse liefe immerhin auf Augenhöhe ab, wie die Partner nicht müde werden zu betonen. Die Aktionäre der gewichtigeren Deutschen Börse bekommen den Plänen zufolge zwar 60 Prozent am neuen gemeinsamen Unternehmen. Doch der Chefposten geht nach New York.
Anhaltende Widerstände wegen Machtverteilung
Beiderseits des Atlantiks gibt es wegen der Machtverteilung anhaltende Widerstände. Deutsche und Amerikaner fürchten, am Ende von der jeweils anderen Seite dominiert zu werden. Der Frankfurter Betriebsrat sorgt sich um Arbeitsplätze, US-Politiker sorgen sich um die Bedeutung des Finanzstandorts Wall Street. In den USA gibt es deshalb Fürsprecher für ein Zusammengehen mit der Nasdaq, deren Zentrale nicht unweit am Touristenmagnet Times Square liegt. Deutsche Börse und NYSE Euronext hatten sich Mitte Februar nach mehreren Anläufen und harten Verhandlungen zur Fusion durchgerungen. Doch das letzte Wort haben nicht die Chefetagen, sondern die Aktionäre. Und die wollen vor allem ihr Geld mehren. Das ist der Hebel, an dem die Nasdaq ansetzt.
Zu grosser Brocken für Nasdaq?
Allerdings kann die Nasdaq einen solch schweren Brocken wie die NYSE Euronext nicht alleine stemmen. Die NYSE ist mit gut 10 Milliarden Dollar (7 Mrd Euro) fast doppelt so schwer. Deshalb hat sich die Nasdaq mit der Rohstoffbörse IntercontinentalExchange (ICE) verbündet, die sich nach erfolgter Übernahme das lukrative Derivategeschäft unter den Nagel reissen will; die Nasdaq ist vor allem am klassischen Aktienhandel interessiert. «Indem der NYSE-Verwaltungsrat ein Treffen mit uns ablehnt, missachtet er seine Verpflichtungen gegenüber seinen Aktionären», schimpfte ICE-Chef Jeffrey Sprecher. Nasdaq und ICE wollen nun weiter mit Aktionären, Kunden und Aufsichtsbehörden sprechen und für ihr Angebot werben. Die bisherigen Rückmeldungen der NYSE-Anteilseigner seien positiv, versicherte Nasdaq-Chef Greifeld. (awp/mc/ps)