Patrice Gautry, Chefökonom der UBP.
Genf – Entgegen den Erwartungen hat Europa in diesem Jahr keinen Genesungsprozess durchlaufen. Während langfristige Anleihen eine bemerkenswerte Performance erzielten, hinkten europäische Aktien hinterher. «Die Wirtschaft der USA liegt nicht mehr auf der Intensivstation, im Gegensatz zu anderen Ländern, die Rückfälle erlitten und nun wieder unter Beobachtung stehen», erläutert Patrice Gautry, Chefökonom der UBP.
Der Graben zwischen den industrialisierten Volkswirtschaften Europas und den USA weitet sich zusehends aus. Letztere fungieren wieder als Wachstumslokomotive und verstärken die divergierenden Entwicklungen zusätzlich. Die amerikanische Wirtschaft wächst weiter und dürfte ihr Wachstumspotenzial nach der Krise ausschöpfen, Europa dagegen einmal mehr praktisch stagnieren. Während die US-Notenbank ihre quantitative Lockerung zurückfährt und erste Zinsanhebungen im kommenden Jahr plant, setzen die EZB und die Bank von Japan ihre Liquiditätsspritzen fort. Dies bedeutet, dass die Renditen in den USA sowohl diejenigen in Europa als auch in Japan übertreffen werden.
Ein Déjà-Vu-Gefühl
«Es gibt Parallelen zwischen der heutigen Entwicklung und den Finanz- und Geldmärkten im Zeitraum 1994-2000», erklärte Jean-Sylvain Perrig, Chief Investment Officer (CIO) der UBP. Obwohl die Wirtschaft heute ein signifikant vermindertes Potenzial – mit niedrigeren Performanceprognosen für die Aktienmärkte – als noch vor zwanzig Jahren aufweist, treten divergierende Entwicklungen auf: die USA begannen 1994 mit Zinserhöhungen, während Japan unter der Last der Deflation seine Zinsen kürzte, wie auch das kürzlich wiedervereinigte Deutschland. Diese Phase wurde durch eine Innovationswelle geprägt – die Ära des Internets hatte begonnen. Gleichzeitig fielen die Rohstoffpreise, während überschüssige Ersparnisse aus Asien nach höherer Rendite suchten und den Weg in die USA fanden.
Heute steht Deutschland vor Schwierigkeiten, Europa leidet unter Überkapazitäten, das Geschäftsvertrauen ist eingetrübt und es droht eine Deflation an breiter Front. Strukturelle Reformen werden immer dringender und bedürfen einer verstärkten Koordination zwischen Haushalts- und Geldpolitik. Die EZB dürfte wohl die Banken weiter unterstützen und Liquiditäten einschiessen, kann aber nicht viel mehr tun. «Mit Ausnahme der USA könnten die OECD-Länder sehr wohl in einen Teufelskreis von Erholung-Krise-Stagnation geraten, ohne Phasen stabilen Wachstums», fügte Gautry hinzu.
US-Aktien bleiben Favoriten
In 2015 dürfte der US-Dollar seinen langfristigen Haussetrend wieder aufnehmen. «Es gilt generell die Hypothese, dass ein steigender Dollar sich nachteilig auf den amerikanischen Aktienmarkt auswirkt. Die Geschichte lehrt uns aber, dass keine Korrelation zwischen den beiden besteht», führte CIO Perrig weiter aus.
Die Visibilität des amerikanischen Aktienmarkts ist sehr gut, weshalb weiterhin mit einer guten Performance zu rechnen ist, die u. a. von einem nachhaltigen Wachstum von etwa 3%, extrem niedrigen Zinsen und grosszügigen Aktienrückkäufen ausgehen dürfte. «Wir bevorzugen amerikanische Aktien, vor allem aus Technologie und Gesundheit. Wir sehen in diesen beiden Sektoren die besten Gewinnkorrekturen und grosses Wachstumspotenzial, die zu steigenden Prämien gegenüber dem Marktdurchschnitt führen werden,» betonte der CIO.
Die europäischen Märkte sind dagegen weniger interessant, ihre Gewinnprognosen sind überzogen und werden unweigerlich Korrekturen nach unten erfahren, die allerdings vom steigenden US-Dollar begrenzt werden dürften. In den Schwellenländern werden die Unternehmen sich einer rückläufigen Rentabilität, einem festeren Dollar und unattraktiven Bewertungen gegenüber sehen. Parallel dazu werden die Zinsen angesichts der massiven Staatsverschuldung und Überkapazitäten in Europa und Japan extrem niedrig bleiben. Interessante Renditen bieten einzig High-Yield-Anleihen. «Uns stehen bessere, aber volatilere Zeiten bevor als in den vergangenen achtzehn Monaten», schloss CIO Perrig seine Ausführungen. (UBP/mc/pg)
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