Unbezahlbar: Der grosse Run auf die letzten Öl-Reserven

Unbezahlbar: Der grosse Run auf die letzten Öl-Reserven

Kurzfristig drücken Marktanomalien die Rohöl-Preise. Doch schon bald dürften die Notierungen wieder deutlich steigen – denn die Nachfrage wächst weitaus stärker als überhaupt noch Produktionssteigerungen möglich sind. Wie Investoren davon profitieren können.

Matthias Niklowitz, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

Ein Baum ist hier nicht zu sehen. Aber ein Wald von Pumpstationen zeigt die Stelle über dem schwarzen Gold an. Rund 100 Kilometer westlich der saudi-arabischen Golfküste erstreckt sich in der Wüste auf einer Länge von 300 Kilometern das Al-Ghawar-Ölfeld. Es ist mit einer nominalen Kapazität von 5,3 Mio. Barrel pro Tag das mit Abstand grösste Feld der Erde. Dieses und noch zwei weitere Felder haben den Ruf Saudi-Arabiens begründet, der weltweit einzige nennenswerte «Swing Producer» zu sein, der rasch die Produktion steigern kann, wenn sie woanders, wie beispielsweise in Libyen, aufgrund des Bürgerkriegs temporär ausfällt. Rund 5 Mio. Barrel Reserve-Förderkapazität gibt es laut Analysten weltweit. Das ist nicht viel bei einem täglichen Verbrauch von 89,5 Mio. Barrel, wie die Analysten der Credit Suisse schätzen. Die weltweite Reservekapazität liegt damit bei rund 6%, entsprechend etwa der aktuellen Förderleistung des Al-Ghawar-Feldes. Und weil inzwischen nicht genug neue Quellen erschlossen werden, reduziert sich diese Reserve in den kommenden Jahren auf unter 3%.

An den Grenzen des Wachstums
Ein politischer Vorfall in einem halbwegs wichtigen Förderland kann die globale Versorgung ins Stocken bringen. Denn die Nachfrage steigt unaufhaltsam weiter. Laut der Internationalen Energie-Agentur ist der weltweite Verbrauch im April 2011 mit einer Jahresrate von 4,8% gestiegen. Das Resultat: steigende Notierungen bei der Brent-Sorte, die inzwischen weltweit den WTI-Preis als Referenz abgelöst hat. Mittelfristig dürften die Preise weiter klettern. Die Credit Suisse beispielsweise prognostiziert für 2012 bereits einen globalen Verbrauch von 91,5 Mio. Barrel. Bis zum Jahr 2017 dürften es knapp 100 Mio. Barrel sein. Nur – wenn bereits jetzt die Kapazitätsreserven fast ausgeschöpft sind, kommen die richtigen Engpässe erst noch. Janet Kong, Analystin beim chinesischen Broker CICC, bezweifelt zudem die offiziellen Informationen zu den Produktionsreserven der Opec. «Wir schätzen die Höhe der tatsächlich vorhandenen Kapazitäten auf 2,8 Mio. Barrel pro Tag», sagt sie, «denn bei einigen Ölfeldern liegt die tatsächliche Kapazität unter der ursprünglichen, und bei weiteren existiert zwar die Kapazität, aber sie lässt sich nicht vernünftig fördern.» Ein Beispiel dafür sind die Mitte Juli deutlich nach oben gesetzten Reserven Venezuelas. Diese neuen Reserven bestehen laut Analysten vor allem aus Schweröl. Deren Förderung ist relativ aufwendig und die Qualität ist zu schlecht für einen Einsatz in hochwertigen Verbrennungsmotoren. Zusätzliche Förderkapazitäten bestehen insgesamt kaum noch – und hier zeigt sich auf der Ebene der Länder bereits das «Peak Oil»-Phänomen. Das bedeutet: Die Fördermenge wird in Zukunft abnehmen. Ein Blick auf die Tabelle («Alte Felder, Neue Felder») zeigt, dass die Förderleistung der neueren Funde bescheidend ausfällt. Adäquater Öl-Nachschub fehlt bislang.

Die Kapazitätsreserven fast ausgeschöpft.

Öl wird langsam aber sicher zur Rarität
Hinzu kommt, dass sich Rohölsorten nicht beliebig austauschen lassen. Deshalb mussten nach dem verheerenden Hurrikan «Katrina», der nicht nur New Orleans, sondern auch Teile der Förder- und Raffineriekapazitäten an der US-Küste am Golf von Mexiko unterbrochen hatte, Fertigprodukte wie Benzin und Kerosin von Europa in die USA verschifft werden.

Das gleiche Problem hat Europa beim libyschen Rohöl. Die Sorte El Shahara, die in diesem nordafrikanischen Land gefördert wird, hat beispielsweise einen Schwefelanteil von 0,07%. Ähnlich «leicht» ist lediglich noch Bonny Light. Arab light, die leichteste Sorte aus Saudi-Arabien, kommt bereits auf 1,8%. Und damit und mit der viel höheren Zähigkeit dieses Öls werden die für die ganz leichten Sorten gebauten Raffinerien nicht fertig. Kurzfristig haben viele Öl-Analysten ihre Prognosen für die Brent-Preise etwas gesenkt. Grund ist nicht nur eine Wachstumsschwäche sowie die derzeit besondere Arbitragemöglichkeit zu den US-Preisen. Die langfristigen Prognosen weisen alle in den Bereich deutlich über 100 Dollar – und damit auf die alten Höchststände vom Sommer 2008. Nur treiben diesmal vor allem die fundamentale Nachfrage und das knapper werdende Angebot das Geschäft – und weniger die Aktivitäten der Finanzinvestoren. Mehr denn je wird Öl langsam aber sicher zur Rarität. Am Beispiel Schweiz (siehe Grafik) wird ausserdem deutlich, dass die Import-Versorgung oft an wenigen Staaten hängt. So wird hierzulande der Grossteil des als Benzin und Heizöl raffinierten Rohöls nach wie vor aus Lybien, Russland, Norwegen und Saudi-Arabien importiert.

Anleger und der Ölpreis
Anleger sehen nie den ganzen Preisanstieg des Rohöls im Depot. Der Ölpreis wird generell über Futures – das sind standardisierte, an einer Terminbörse gehandelte Kontrakte – von den institutionellen Profis aus dem Öl-Business gehandelt. Die Futurespreise repräsentieren letztlich den Ölpreis mit Liefertermin in der Zukunft. Ist der gegenwärtige

Preis («Spotpreis») höher als der zukünftige Rohstoffpreis, spricht man von Backwardation, den sog. Rollgewinnen. Als Contango bezeichnet man die umgekehrte Marktsituation. Dann sind die künftigen Lieferpreise teurer als die Spotpreise. WTI ist aktuell im Contango, Brent in Backwardation. Bei jedem Rollen des Futures in die Zukunft (z.B. Verfalltermin September auf Dezember) entstehen in dieser Konstellation Verluste. Diese Rollkosten fressen pro Jahr 4% bis 10% des Wertes.

Bei Warrants auf Rohöl entfallen normalerweise jeweils die Rollkosten.

Sensationelle Wertentwicklung
Brent-Tracker als Zertifikate oder ETCs verbrieft sind – von der Backwardation begünstigt – in den letzten zwölf Monaten um 55% gestiegen. WTI-Tracker erreichten im selben Zeitraum erreichten gerade mal 5%. Rund 10% geringer fällt die Performance allerdings aus, wenn die Anlagen in Franken umgerechnet werden. Hebelprodukte-Anleger haben mehr Glück: Ereignisse wie die Ausfälle der libyschen Produktion haben kurzfristig die Preise exorbitant bewegt. Hier lauten die Produkte auf einen Basiswert bzw. bei prinzipiell als Open-end angelegten Mini-Futures auf den jeweils nächsten Future. Bei Warrants auf Rohöl entfallen normalerweise jeweils die Rollkosten. Dafür bewegen sich die Preise im Vergleich zu den Spot-Notierungen weniger stark, wenn der Basiswert-Future «entfernter» ist und noch einige Monate Laufzeit aufweist. Hier gilt es genau auf den Basiswert des Warrants zu achten. Dieser ist oftmals nicht der Spotpreis, sonder ein Future. Das erzeugt eine «natürliche» Preisdifferenz. So notiert beispielsweise der Future des Rohölpreises (US-Sorte WTI) für Dezember 2013 aktuell bei USD 103. Der aktuelle Spotpreis befindet sich bei USD 99.

Ausgewählte Investmentideen
Die Produktvielfalt mit direktem Bezug zum Ölpreis bietet einiges. Anleger, die hohe Sicherheit schätzen, sind gut beraten, sich CNWTI genauer anzusehen. Das kapitalgeschützte Produkt bezieht sich auf den den Ölpreis der US-Sorte WTI bzw. den UBS Bloomberg CMCI WTI-Index. Dieser Index ist seitens der UBS optimiert, d.h. der Anleger minimiert die oben genannten Rollverluste. Die Produktfamilie der CMCI-Indizes gilt in Fachkreisen als einer der Best-Performer. Am Ende erhält der bei diesem Kapitalschutzprodukt per Laufzeitende das Nominal des Produkts zu 100% zurück. Erwähnenswert: Das Produkt besitzt einen Cap, d.h. das Aufwärtspotenzial ist auf rund 21% beschränkt und die Partizipation am Ölpreis beträgt 85%. Das Produkt verfügt über eine Währungssicherung zwischen USD und EUR. Somit gilt für Anleger mit Heimatwährung Schweizer Franken einzig die Währungsentwicklung zum Euro zu beachten. Steigt der Franken wieder etwas an, sorgt dies für mehr Wert im CNWTI – fällt der Franken zum Euro, wirkt es sich negativ aus. Wer direkt dem Ölpreis folgen möchte, findet mit LCOEU eine gute Möglichkeit. Der Tracker hat keine Laufzeitbegrenzung und bildet nahezu 1:1 den Ölpreis (Europäische Sorte Brent) ab. Vierfach gehebelt und daher rasanter geht es mit CBLWT4, einem Faktor-Zertifikat der Commerzbank, dem Ölpreis (US-Sorte WTI) hinterher. Leider ist der Spread hier etwas höher, doch der Anleger hat den wertvollen Vorteil, stets mit konstantem Hebel von 4 investiert zu sein. Kleinere Bewegungen im Ölpreis reichen hier für die Realisierung entsprechender Renditechancen. Sollte also am saudischen Al-Ghawar-Ölfeld schon in absehbarer Zeit die eine oder andere Ölpumpe mangels Masse schlappmachen, wird der Ölpreis sehr schnell in die Höhe schiessen. So wie eine frisch entdeckte Ölquelle – doch die werden immer seltener.

Die Produktvielfalt mit direktem Bezug zum Ölpreis bietet einiges.

Kurz erklärt: Differenz der besonderen Art – der Brent-WTI-Spread
Eine Besonderheit im Rohöl-Business ist der sogenannte Brent-WTI-Spread. WTI-Kontakte waren viele Jahre ein bis zwei Dollar teurer als die Brent-Futures, (auch) weil die Qualität des Rohöls etwas besser war. Das hat sich geändert – Brent-Rohöl steht bei 118 Dollar, WTI ist inzwischen 20 Dollar billiger. Die für professionelle Anleger an der Londoner Rohstoffbörse ICE gehandelten entsprechenden Spread-Futures haben ihren Wert seit April verdreifacht, weil Brent viel schwächer gefallen war als die WTI-Kontrakte. Denn WTI hat als vertraglichen Auslieferungsort das Städtchen Cushing im US-Bundesstaat Oklahoma. Im Februar wurde eine neue Pipeline, die Rohöl aus den kanadischen Ölsandabbaugebieten anliefert, eröffnet, kurz darauf eine weitere, die von den über Erwarten sprudelnden Schieferölbeständen aus dem US-Bundesstaat Dakota gespeist wird. Aber frühestens in zwei Jahren wird eine neue Pipeline Richtung Verschiffungshäfen am Golf von Mexiko eröffnet werden – und frühestens dann wird nicht mehr deutlich mehr Rohöl in Cushing angeliefert als weiter transportiert werden kann und das lokale Überangebot beseitigt, das weltweit die WTI-Preise auf Tauchfahrt schickt. Umstritten ist, wann sich die Preisschere wieder schliesst. Laut den Analysten der Commerzbank und der Société Générale ist das nur eine Frage der Zeit. Skeptischer sind die Analysten von Macquarie. Sie rechnen aufgrund der längerfristigen Überversorgung in Cushing, die auch nach der Eröffnung einer neuer Pipeline aufgrund der neuen Fundstätten noch jahrelang weiter bestehen wird. Reagiert haben bereits die Emittenten in der Schweiz. Das noch vor drei Jahren ausgeglichene Verhältnis bei den Hebelprodukten auf WTI und Brent hat sich zugunsten von Brent etwa im Verhältnis 2:1 verschoben.

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