Zürich – In schwierigen Zeiten die richtigen Aktien zu finden, ist naturgemäss eine knifflige Aufgabe. Und wer kennt nicht das Gefühl, sich im Nachhinein eingestehen zu müssen: Hätte ich damals nur die Aktie X oder die Aktie Y gekauft.
Dieses Gefühl ist selbstverständlich auch professionellen Investoren nicht fremd. Zwar schmerzt der Blick in den Rückspiegel zuweilen, aber er kann auch helfen, Parallelen aufzudecken und damit Fehler nicht zu wiederholen. Denn der Anspruch muss sein, Fehleinschätzungen zu vermeiden. Und wer sich mit dem aktuellen Kapitalmarktumfeld auseinandersetzt, entdeckt tatsächlich Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zu vergangenen Börsenphasen.
Blick in die Börsengeschichte liefert Anlageideen
Ganz konkret geht es um eine Börsenphase in den Jahren 1964 bis Anfang 1972. Seinerzeit sah sich die Welt konfrontiert mit sinkenden realen Wachstumsraten, niedrigen realen Zinsen am Obligationenmarkt, hoher Unsicherheit angesichts des Kalten Krieges und Börsenkursen, die über Jahre nicht wirklich vom Fleck kamen. Nur die so genannten Nifty Fifty bildeten eine Ausnahme. Bei den «Schicken 50» handelte es sich um eine Gruppe von 50 grossen Unternehmen, die den widrigen Umständen trotzten und in den acht Jahren eine durchschnittliche jährliche Outperformance von 189 Prozent oder annualisierten 15 Prozent gegenüber dem S&P 500 erzielten.
Zu der sagenumwobenen Gruppe zählten seinerzeit Namen, die heute noch verlässlich Gewinne liefern wie etwa Coca-Cola, McDonald‘s oder Walt Disney. Sie umfasste aber auch Adressen, die auf dem Weg ins digitale Zeitalter Federn gelassen haben, etwa Eastman Kodak oder Xerox.
Die Bewertung der Nifty Fifty stieg in den 1960er und 1970er Jahren in astronomische Höhen. In der Spitze musste ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von mehr als 40 für die Top-Aktien gezahlt werden. Die durchschnittliche Bewertung der 50 überstieg die des S&P 500 um 96 Prozent. Offensichtlich waren die hohen Preise der Papiere seinerzeit gerechtfertigt – die Kurse stiegen, die Gewinne sprudelten.
Entscheidende Charakteristika der Börsenlieblinge
Rückblickend stellt sich also die Frage: Was hatten diese 50 Konzerne, was die anderen 450 Unternehmen im S&P 500 nicht hatten? Das nämlich führt zu den Charakteristika, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auch die Börsenlieblinge der kommenden Jahre auszeichnen.
Da wäre zum einen eine starke Marktstellung und die damit verbundene Preissetzungsmacht. Zum anderen wiesen die Adressen einen positiven Track Record, also eine Erfolgshistorie hinsichtlich ihres Umsatzwachstums auf. Die These: Wer Quartal für Quartal steigende Umsätze verzeichnet, wird in einer konjunkturellen Schwächephase stabiler bleiben als Konzerne mit stärkeren Schwankungen in den Erträgen. Zudem lässt sich der Cashflow besser prognostizieren. Dies alles führte dazu, dass das Gewinnwachstum über den gesamten Zeitraum deutlich über dem Durchschnitt lag, was die Investoren honorierten.
Hinzu kommen idealerweise Charakteristika wie etwa eine gesunde Bilanz, finanzielle Stärke sowie eine nachhaltige und attraktive Dividende. Letztere bewirkt, dass diese Aktien in einer Schwächephase erst am Ende aus den Portfolios der Investoren aussortiert werden – schliesslich liefern sie im Gegensatz zu vielen anderen Konzernen laufend Erträge. Entsprechend sind sie widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks.
Aktien mit stabilen Erträgen auch unter erschwerten Bedingungen
Wer sind also die Nifty Fifty der Gegenwart, die auch unter widrigen Umständen weiter wachsen? Viele der Namen überraschen nicht. In Europa haben beispielsweise Adidas, Nestlé oder ASML in den vergangenen Jahren stabile Erträge geliefert und – das ist entscheidend – werden das auch in den kommenden Jahren unter erschwerten Bedingungen tun. Es ist schwer, ein Szenario zu konstruieren, in dem diese Unternehmen ernsthaft in Schwierigkeiten geraten. Microsoft ist ebenfalls ein Kandidat, das gleiche gilt für Mastercard oder auch Unternehmen aus der Medizintechnikbranche wie Stryker. Sie alle nehmen in ihren Branchen dominante Positionen ein. Die Schlussfolgerung: Wenn Konkurrenten es in den zurückliegenden guten Jahren nicht geschafft haben, den Konzernen die Marktstellung streitig zu machen, dann werden sie es auch in einem schwierigen Umfeld nicht schaffen.
Für Menschen, die das schnelle Börsenabenteuer suchen, mögen diese robusten Aktien nichts sein – mitunter langweilig klingen. Vielleicht sind sie das auch, aber sie bieten Verlässlichkeit in schwierigen Zeiten. In einer Zeit, in der die Gewinne nicht mehr wachsen, in der die wirtschaftliche Dynamik nachlässt und geopolitische Risiken die Kurse ins Wanken bringen, sind Langeweile und Verlässlichkeit keine schlechten Begleiter. Zumal wenn sie, wie die Nifty Fifty seinerzeit, eine signifikante jährliche Outperformance mitbringen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Nifty Fifty bereiteten Anlegern lange Zeit viel Freude. Dann folgte der Bärenmarkt in der zweiten Hälfte des 1970er Jahre. Auch die «Schicken 50» konnten sich dem nicht länger entziehen und werteten spürbar ab. Bis zum Ende der Dekade notierten sie wieder nahe am Durchschnitt aller S&P500 Aktien. Damals wie heute gehört zum Anlageerfolg neben einer guten fundamentalen Analyse eben auch das Gespür für das richtige Timing. (UI/mc)