Unternehmenskultur in der Bankenindustrie begünstigt unehrliches Verhalten

Ethik

(Foto: morganimation – Fotolia.com)

Zürich – Bankangestellte sind nicht unehrlicher als Mitarbeitende anderer Branchen. Hingegen begünstigt die Unternehmenskultur der Bankenindustrie implizit unehrliches Verhalten. Dies legt eine wirtschaftswissenschaftliche Studie der Universität Zürich nahe. Ein Normenwandel wäre wichtig, um das angekratzte Image der Branche zu verbessern.

In den letzten Jahren kam es in der Bankenindustrie häufig zu Betrugsfällen, was zu einem erheblichen Imageverlust der Banken geführt hat. Sind Bankangestellte von Natur aus weniger ehrliche Menschen? Oder begünstigt die vorherrschende Unternehmenskultur im Bankensektor unehrliches Verhalten? Diese Fragen waren leitgebend für eine neue Studie von Alain Cohn, Ernst Fehr und Michel Maréchal vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich. Ihre Resultate zeigen, dass Bankangestellte im Prinzip nicht unehrlicher sind als ihre Kollegen in anderen Branchen. Sie weisen aber darauf hin, dass die Unternehmenskultur im Bankensektor implizit unehrliches Verhalten eher toleriert oder begünstigt.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die gezielte Umsetzung einer gesunden Unternehmenskultur für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Bankenindustrie von grosser Bedeutung ist.

Berufsbezogene Verhaltensnormen begünstigen Unehrlichkeit bei Bankangestellten
Für die Studie rekrutierten die Wissenschaftler rund 200 Bankangestellte, davon 128 aus einer internationalen Grossbank und 80 aus anderen Banken. Jede Person wurde zufällig einer von zwei Gruppen mit unterschiedlichen Bedingungen zugeteilt. In der Experimentalgruppe wurden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch geeignete Fragen ihre berufliche Rolle und die damit verbundenen Verhaltensnormen in Erinnerung gerufen. In der Kontrollgruppe wurde den Teilnehmern hingegen ihre ausserberufliche Rolle in der Freizeit und die damit verbundenen Normen bewusst gemacht. Im Anschluss daran nahmen alle Probanden an einer Aufgabe teil, bei der sie durch unehrliches Verhalten ihr Einkommen um bis zu 200 US Dollar steigern konnten. Dabei zeigte sich, dass sich die Bankangestellten in der Experimentalgruppe, in welcher die beruflichen Verhaltensnormen aktiviert wurden, signifikant unehrlicher verhielten.

Eine ganz ähnliche Studie wurde anschliessend auch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anderer Wirtschaftsbranchen durchgeführt. Auch hier wurden entweder die berufsbezogenen Normen oder die freizeitbezogenen Normen der Mitarbeitenden aktiviert. Im Unterschied zu den Bankern wurden die Mitarbeitenden dieser anderer Branchen aber nicht unehrlicher, wenn man ihre berufsbezogenen Normen in Erinnerung gerufen hatte. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die sozialen Normen in der Bankenindustrie unehrliches Verhalten eher tolerieren und damit zum Reputationsverlust an der Universität Zürich.

Es braucht einen Normenwandel in der Bankenbranche
Berufsbezogene Normen die unehrliches Verhalten eher tolerieren sind laut Michel Maréchal bedenklich, da das Vertrauen der Bevölkerung in das Verhalten von Bankangestellten von wesentlicher Bedeutung für die langfristige Stabilität der Finanzindustrie ist. Alain Cohn, der mittlerweile als Postdoktorand an der Booth School of Business der Universität Chicago forscht, schlägt konkrete Massnahmen vor, die dem Problem entgegenwirken könnten: «Die Banken könnten ehrliches Verhalten fördern, indem sie die berufsspezifischen Normen verändern würden. Mehrere Experten und Aufsichtsbehörden schlagen beispielsweise vor, dass Bankangestellte einen professionellen Eid, ähnlich dem hippokratischen Eid für Ärzte, ablegen sollten.»

Würde ein solcher Eid durch entsprechendes Ethiktraining und passende finanzielle Anreize unterstützt, könnten Bankmitarbeiter dazu gebracht werden, ihren Fokus stärker auf die langfristigen, gesellschaftlichen Auswirkungen ihres Verhaltens zu legen, anstatt sich auf ihren eigenen, kurzfristigen Nutzen zu konzentrieren. (Universität Zürich/mc/pg)

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