Urs Rohner, VR-Präsident Credit Suisse, im Interview
Von Patrick Stahl, Finance Forum Liechtenstein
Patrick Stahl: Herr Rohner, Sie leiten seit 2011 als Verwaltungsratspräsident die strategischen Geschicke der Credit Suisse. Wie ist die Credit Suisse langfristig aufgestellt?
Urs Rohner: Unsere langfristige Geschäftsstrategie zielt auf eine nachhaltige Wertschöpfung für unsere Aktionäre ab. Vor diesem Hintergrund haben wir Ende 2015 einen Dreijahresplan bekannt gegeben, der das globale Geschäft mit vermögenden Privatkunden ins Zentrum stellt. Bereits heute sehen wir, dass unser Ansatz Früchte trägt. Um ein Beispiel zu nennen, haben uns Kunden seit Anfang 2016 bis Ende des dritten Quartals 2017 über 64 Milliarden Franken Neugelder anvertraut. Darüber hinaus haben wir kontinuierlich unsere Kapitalbasis gestärkt und Altlasten konsequent abgearbeitet. Selbstverständlich gibt es noch einiges zu tun, bis Ende 2018 haben wir uns beispielsweise vorgenommen, unsere Kostenbasis nochmal signifikant zu senken.
«Wir haben Ende 2015 einen Dreijahresplan bekannt gegeben, der das globale Geschäft mit vermögenden Privatkunden ins Zentrum stellt. Bereits heute sehen wir, dass unser Ansatz Früchte trägt.» Urs Rohner, VR-Präsident Credit Suisse
Microsoft-Gründer Bill Gates machte bereits 1994 die provokante Aussage: „Banking is necessary, banks are not!“ Wie gross ist Ihre Sorge, dass etablierte Banken den Internetgiganten wie Google, Facebook und Apple zum Opfer fallen werden?
Ich bin zuversichtlich, dass Unternehmen wie die Credit Suisse, die über mehr als 160 Jahre Erfahrung im Banking und Vermögensverwaltung verfügen, nicht so einfach zu ersetzen sind, wie es manchmal dargestellt wird. Zum einen wird oft unterschätzt, wie viel Kompetenz benötigt wird, um Kunden umfassend und regelkonform zu betreuen. Denn, Banking setzt neben Finanzmarkterfahrung auch die Fähigkeit voraus komplexe nationale und internationale Regelwerke umzusetzen. Zum anderen ist zu beachten, dass Vertrauen und Schutz von Kundendaten zu den Grundwerten im Banking gehören. Dies ist bei Internetunternehmen, deren Geschäftsmodelle letztlich auf der Vermarktung und Verkauf der Kundendaten aufgebaut sind, nicht im selben Umfang der Fall.
Die Digitalisierung hat klassische Branchen wie Medien, Reisen und Handel bereits durchgeschüttelt. Welche Innovationen im Fintech-Bereich werden Ihrer Ansicht nach die Finanzbranche am stärksten umwälzen?
Umwälzen ist doch etwas übertrieben. Innovation gehört heutzutage zum Geschäft, sei es im Banking oder anderswo. Digitale Innovation im Banking fokussierte zunächst auf eine Verbesserung der Kundenerfahrung, vor allem hinsichtlich der Zugänglichkeit der Bankdienstleistungen. Darauf folgte eine Innovationswelle im operationellen Bereich, die eine höhere Ressourceneffizienz zum Ziel hatte. In diesem Bereich sind meines Erachtens die grössten Fortschritte zu sehen, sei es in der Digitalisierung der Compliance oder der Risk Management Prozesse. Allerdings ist die Anzahl der Startups, die uns dabei inhaltlich unterstützen können, begrenzt. Dementsprechend wird Innovation zu einem grossen Teil „in-house“ betrieben.
«Die Anzahl der Startups, die uns im operationellen Bereich inhaltlich unterstützen können, ist begrenzt. Dementsprechend wird Innovation zu einem grossen Teil „in-house“ betrieben.»
Inwiefern werden sich die Anforderungen an Banken durch die Technologisierung verändern?
Dies ist bereits geschehen und unterscheidet sich nicht von den Forderungen in jedem anderen Lebensbereich unserer Kunden. Transparenz, intuitives Design und uneingeschränkte Verfügbarkeit der Dienstleistungen sind einige der Prinzipien, die heute branchenübergreifend erwartet werden. Unsere Industrie hat sich diesen sehr schnell und effizient angepasst und profitiert selber von den Investitionen in innovative Technologien.
Experten beklagen, dass der Fintech-Hype überschätzt wird. Teilen Sie diese Ansicht?
Die Auswirkungen der Digitalisierung sind nicht zu unterschätzen. Im Banking werden jedoch die grössten Veränderungen von den Instituten selbst getrieben. Auch findet keine echte Disruption statt, die etablierte Institute ersetzen oder marginalisieren würde. Vielmehr ergänzen und verbessern die FinTech Unternehmen die Dienstleistungsqualität im Banking – dies sieht man auch an der Vielzahl von Partnerschaften zwischen Banken und Startups.
Etablierte Unternehmen tun sich oft schwer, Innovationen im eigenen Haus umzusetzen. Was tun Sie bei der Credit Suisse, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben?
Tatsächlich haben wir gesehen, wie einige etablierte Unternehmen Schwierigkeiten damit hatten, sich neu zu definieren. Im Banking ist dies aber schon deshalb kaum der Fall, weil sich die Branche seit der Finanzkrise neu aufstellen musste und wir davon ausgegangen sind, dass sich unser Umfeld massgeblich verändern wird. Interne Auseinandersetzungen darüber, ob man innovativ sein muss oder nicht, würden sie somit vergeblich suchen. Was die richtige Vorgehensweise betrifft bin ich davon überzeugt, dass mehrere Wege parallel verfolgt werden müssen.
«FinTech Unternehmen ergänzen und verbessern die Dienstleistungsqualität im Banking.»
In gewissen Bereichen kann es durchaus effizienter sein, ein junges Unternehmen zu akquirieren, als das Know-kow selber aufzubauen. Andernorts aber muss die Kompetenz von innen heraus wachsen – vor diesem Hintergrund habe ich bereits 2012 das hausinterne Innovationslabor „CS Labs“ aufgesetzt, welches uns im Bereich der Digitalisierung des Private Banking einen Vorteil gegenüber unserer Konkurrenz verschafft hat. Auch Partnerschaften sind selbstverständlich wichtig, obwohl wir diesbezüglich weniger auf Vielzahl setzen – wir arbeiten lieber vertieft mit wenigen ausgewählten Partnern. Letztlich jedoch muss Innovationsfähigkeit ein Teil der DNA der Organisation sein.
Welche langfristigen Chancen sehen Sie für den Finanzplatz Schweiz im Vergleich zu anderen Standorten?
Für den Schweizer Finanzplatz ist es entscheidend, sich als führendes Zentrum für die weltweite Verwaltung privater Vermögen und für Asset Management zu behaupten. Dies gilt einerseits in Bezug auf Europa, wo der Wohlstand nach wie vor hoch ist und gemäss unseren Prognosen weiter zunehmen sollte. Anderseits sind Schweizer Vermögensverwalter im Wachstumsmarkt Asien bereits stark vernetzt und somit ist die Ausgangslage zur Ausweitung der Marktanteile gut. Bereits sehr gut aufgestellt ist der Schweizer Finanzplatz auch in Bezug auf nachhaltiges Investieren. Chancen für weiteres Wachstum liegen somit in der Erhöhung des Anteils nachhaltiger Anlagen an den verwalteten Vermögen, im Ausbau des Anteils der institutionellen Anleger sowie in der Anwendung und Skalierung innovativer Finanzierungsansätze.
«Für den Schweizer Finanzplatz ist es entscheidend, sich als führendes Zentrum für die weltweite Verwaltung privater Vermögen und für Asset Management zu behaupten.»
Der Finanzplatz Liechtenstein gilt oft als kleiner Bruder der Schweiz. Was macht ihrer Ansicht nach die Liechtensteiner Finanzdienstleister international konkurrenzfähig?
Zahlreiche Faktoren der allgemeinen Standortattraktivität teilt Liechtenstein mit der Schweiz, unter anderem politische Stabilität, liberale Wirtschaftspolitik, qualifizierte Arbeitskräfte und natürlich den Schweizer Franken als Währung.
Der Gesprächspartner:
Urs Rohner ist seit 2011 Präsident des Verwaltungsrates der Credit Suisse Group AG. Er ist unter anderem Mitglied des Board of Directors des Institute of International Finance und Vizepräsident der Schweizerischen Bankiervereinigung. Zuvor war er vollamtlicher Vizepräsident des Verwaltungsrates der Credit Suisse Group AG und Mitglied der Geschäftsleitung als Chief Operating Officer und General Counsel. Von 2000 bis 2004 war er Vorstandschef der ProSiebenSat.1 Media AG. Seine Karriere begann er als Anwalt in Zürich und New York. Seinen Abschluss in Rechtswissenschaften hat Urs Rohner 1983 an der Universität Zürich erworben.
Das Interview entstand im Vorfeld des Auftrittes von Urs Rohner am Finance Forum Liechtenstein
Die vierte Ausgabe des Finance Forum Liechtenstein findet am Mittwoch, 21. März 2018, ab 13.30 Uhr in Vaduz statt. Die Tagung widmet sich unter dem Titel „Finance 2.0 – die Finanzbranche im Wandel“ den aktuellen Herausforderungen für die Finanzdienstleister in Liechtenstein und der Schweiz. Zu den Rednern gehören Credit-Suisse-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner, Verhaltensökonom Ernst Fehr, Liechtensteins Regierungschef Adrian Hasler und Wirtschaftsphilosoph Anders Indset. Auf dem Podium diskutieren unter anderem Roland Matt, CEO der Liechtensteinischen Landesbank, Fritz Kaiser, Executive Chairman Kaiser Partner, und Peter Marxer jun., Verwaltungsratspräsident der Continor Treuhand Anstalt, über die Zukunft des Finanzplatzes Liechtenstein. Informationen und Anmeldungen unter www.finance-forum.li