Reto Francioni, CEO Gruppe Deutsche Börse.
Frankfurt / Chicago – Die Deutsche Börse scheut vor einem neuen Fusionsanlauf zurück. Rund ein Jahr nach dem gescheiterten Zusammenschluss mit der New Yorker NYSE Euronext hat das Unternehmen dementiert, Übernahmegespräche mit der grössten US-Terminbörse CME zu führen. Die Deutsche Börse betonte am Montag, sich nicht in neuen Fusionsverhandlungen zu befinden. Damit reagierte sie auf Informationen aus Finanzkreisen, wonach die Chicagoer CME ihr vor Weihnachten Fusionsgespräche angeboten habe. CME wollte die Meldungen nicht kommentieren.
Die Aktien der Deutschen Börse reagierten mit einer Berg- und Talfahrt. Zunächst sprangen sie nach Bekanntwerden des Fusionsinteresses der CME zwischenzeitlich um fast zwölf Prozent in die Höhe. Nach der offiziellen Erklärung der Deutschen Börse fiel der Kurs wieder etwas zusammen auf ein Plus von 4,5 Prozent. Händler hatten zuvor schon Zweifel geäussert, dass die Deutsche Börse nach mehreren zuletzt gescheiterten Fusionsversuchen nun einen neuen Anlauf wagen wolle.
Deutsche Börse hat wenig Interesse
Die Deutsche Börse erklärte erneut, sich auf Wachstum aus eigener Kraft konzentrieren zu wollen. Vor einem Jahr hatten die EU-Wettbewerbshüter einen Zusammenschluss von Deutscher Börse und NYSE blockiert. Erfolgslos hatten die Frankfurter zuvor schon versucht, die Londoner Börse zu übernehmen. Die gescheiterten Zusammenschlüsse kosteten die Deutsche Börse viel Geld.
Der Druck auf die Unternehmen ist angesichts eines sinkenden Börsenhandels seit der Finanzkrise gross. Zudem macht den Handelsplätzen die wachsende Konkurrenz von ausserbörslichen Anbietern zu schaffen. In der vergangenen Woche hatte Deutsche-Börse Chef Reto Francioni bei der Bilanz-Pressekonferenz daher noch einmal seine Enttäuschung über die gescheiterte Fusion mit der NYSE deutlich gemacht. Er könne «ab und zu nur staunen, mit welcher Blauäugigkeit von Bürokraten Chancen vergeben werden». Aktionäre werfen hingegen auch dem Manager Fehler bei den gescheiterten Fusionen vor.
Eher Übernahme als Fusion
Die CME sei vor allem an der Optionsbörse Eurex der Deutschen Börse interessiert, erklärte ein Börsenhändler. Bei einem Zusammenschluss würden sich die grössten Handelsplätze für Derivate in den USA und in Europa zusammentun. Von einer möglichen Fusion auf Augenhöhe wollten Marktbeobachter nicht sprechen. Die CME hat einen Börsenwert von 19 Milliarden US-Dollar. Das liegt deutlich über den neun Milliarden Euro, die die Deutsche Börse auf die Waage bringt. Deshalb würde es am Ende eher auf eine Übernahme der Deutschen durch die Amerikaner hinauslaufen.
Das CME-Interesse an der Deutschen Börse zeigt allerdings, dass das Fusionskarussell der Börsenbetreiber wieder Fahrt aufgenommen hat. Kurz vor Weihnachten hatte die US-Börse Intercontinental Exchange (ICE) den Kauf der NYSE Euronext für 8,2 Milliarden Dollar angekündigt. Auch die japanische Börse JPE, die erst kürzlich aus dem Zusammenschluss der Börsen in Tokio und Osaka entstanden ist, will international durch Zukäufe wachsen. Im vergangenen Dezember hatte die Hongkonger Börse den 2,2 Milliarden Dollar schweren Kauf der Londoner Rohstoffbörse LME abgeschlossen. Zudem sprechen nach Informationen aus Finanzkreisen die Börse Singapur und die Londoner Börse über mögliche Beteiligungen. (awp/mc/upd/ps)