Preise für Eigenheime in den USA über Jahre scheinbar unaufhörlich gestiegen.
New York – Nach den Grossbanken scheinen sich nun auch die Ratingagenturen für ihre Rolle in der Finanzkrise verantworten zu müssen. Die US-Börsenaufsicht SEC hat den Branchenprimus Standard & Poor’s in einer sogenannten «Wells Notice» darüber informiert, dass sie rechtliche Schritte gegen ihn erwägt. Es geht um die Bewertung eines Hypothekenpapiers namens «Delphinus CDO 2007-1», das S&P sehr gut bewertet hatte. In der Finanzkrise stürzte es ab.
Der S&P-Mutterkonzern McGraw-Hill machte das Schreiben der Börsenaufsicht am Montag in New York publik. Die Ratingagentur hat nun die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abzugeben. S&P arbeite mit der Behörde zusammen, hiess es. Was genau die SEC bemängelt, ist unklar. Sie selbst kommentierte den Fall nicht.
US-Hypothekenpapiere gute Zeugnisse ausgestellt
Ratingagenturen bewerten die Bonität von Staaten und Unternehmen sowie die Ausfallwahrscheinlichkeit von Wertpapieren. Viele Investoren vertrauen ihrem Urteil nahezu blind. In der Finanzkrise hatte sich diese Blauäugigkeit gerächt: Die Ratingagenturen hatten auch jenen US-Hypothekenpapieren gute Zeugnisse ausgestellt, in denen – wie sich später herausstellte – faule Hauskredite verpackt waren. Nach dem Platzen der US-Immobilienblase ab dem Jahr 2007 verloren die Hypothekenpapiere massiv ans Wert und brachten damit das gesamte Finanzsystems ins Wanken.
S&P, Moody’s und Fitch verteilten Bestnoten
«Delphinus CDO 2007-1» gehörte zu den Hypothekenpapieren, die sich ein Ausschuss des US-Senats als besonders schlechtes Beispiel für die Verfehlungen der Ratingagenturen herausgegriffen hatte. Die japanische Bank Mizuho hatte das 1,6 Milliarden Dollar (1,2 Mrd Euro) schwere Hypothekenpapier aufgelegt. S&P vergab Mitte 2007 noch die Bestnote «AAA», musste das Papier später aber drastisch abstufen. Auch die beiden anderen grossen Ratingagenturen Moody’s und Fitch hatten diesem Papier Bestnoten gegeben.
Agenturen: Meinungen abgegeben, nicht Kaufempfehlungen
Politiker und Finanzaufseher hatten die Ratingagenturen immer wieder scharf kritisiert. Sie hätten die Zeichen für den Niedergang des US-Immobilienmarktes ignoriert. Über Jahre waren die Preise für Eigenheime scheinbar unaufhörlich gestiegen und selbst finanzschwache Hauskäufer bekamen noch problemlos Kredit. Versuche, die Ratingagenturen für ihre Fehleinschätzungen zur Rechenschaft zu ziehen, scheiterten indes. Die Agenturen stellen sich auf den Standpunkt, sie hätten Meinungen abgegeben und keine Kaufempfehlungen ausgesprochen. (awp/mc/pg)