USA: Geithner denkt über Rücktritt nach

USA: Geithner denkt über Rücktritt nach

US-Finanzminister Timothy Geithner.

Washington – US-Finanzminister Timothy Geithner denkt anscheinend ernsthaft über einen Rücktritt nach. Er habe darüber bereits mit Präsident Barack Obama gesprochen und peile an, die Regierung noch im Sommer zu verlassen, berichteten US-Medien am Freitag. Geithner habe private Gründe: Seine Familie ziehe zurück nach New York und er wolle nicht nach Washington pendeln müssen.

Mit einer endgültigen Entscheidung werde er jedoch warten, bis der tobende Streit über die dringend nötige Erhöhung der Obergrenze für die US-Staatsschulden beigelegt sei. Zudem würde er nur gehen, wenn Obama damit einverstanden sei. Konkret befragt zu seinen Plänen sagte Geithner bei einer Veranstaltung in Chicago am Donnerstagabend (Ortszeit), er werde seinen Job «für die absehbare Zukunft» behalten. Die Nachricht von den Rücktrittsgedanken, zuerst gemeldet vom Wirtschaftsdienst Bloomberg, schlug in Washington ein wie eine Bombe. Der 49-Jährige gilt als engster Wirtschaftsberater Obamas, dem das Wasser in ökonomische Fragen ohnehin bis zum Hals steht. Neben der enttäuschenden Konjunktur und der hohen Arbeitslosigkeit hat der Präsident mit der ungelösten Schuldenfrage zu kämpfen.

Budgetstreit: Einigung noch längst nicht in Sicht
Bis zum 2. August muss das Weisse Haus die oppositionellen Republikaner dazu bewegen, die gesetzliche Schuldengrenze von 14,3 Billionen Dollar im Kongress zu erhöhen. Geithner spielt in den harten Verhandlungen eine bedeutende Rolle, da die Konservativen ihre Zustimmung von erheblichen Haushaltskürzungen abhängig machen und zugleich Steuererhöhungen ablehnen. Ein Scheitern der Anhebung kann zu katastrophalen Konsequenzen für die USA auf den Finanzmärkten führen. Ratingagenturen drohen offen mit einer Abstufung der US-Kreditwürdigkeit, zum Teil auf das Niveau von Ramschpapieren. Und eine Einigung ist noch längst nicht in Sicht.

Obama in der Zwickmühle
Mit Geithners Rückzug verlöre Obama auch das letzte verbliebene Original-Mitglied seines Wirtschaftsteams. Viele Top-Berater hatten zuletzt abgedankt und konnten nur langsam ersetzt werden, weil das Weisse Haus nur schwer Nachfolger fand, die eine Chance auf die gesetzlich geforderte Bestätigung durch den Senat hatten. Das Problem würde Obama bei der Suche nach einem Finanzminister ebenfalls blühen, zumal die Republikaner ein Bestätigungsverfahren im laufenden Wahlkampf als offene Bühne für die Abrechnung mit der Wirtschaftspolitik des Präsidenten nutzen könnten. Daher gilt es als unsicher, ob er Geithners Rücktrittsgesuch überhaupt annehmen würde.

Ehemaliger Präsident der New Yorker Notenbank
Geithner hatte seit Obamas Amtsantritt im Januar 2009 eine äusserst wichtige Rolle in der Regierung, wenngleich er zu Beginn wegen einer zu grossen Wall-Street-Freundlichkeit kritisiert wurde. Er gilt als einer der Architekten der grossen Finanzreform, mit der das Weisse Haus auf die Bankenkrise reagierte, die zur Rezession geführt hatte. Im Kampf gegen das ausufernde Defizit drängte er die Regierung zu Billionen-Einsparungen. Und in der europäischen Schuldenkrise und im Währungsstreit mit China vertrat er entschlossen die US-Interessen. Bevor Geithner 2009 ins Regierungsteam berufen wurde, war er Präsident der New Yorker Notenbank. Davor arbeitete er beim Internationalen Währungsfonds IWF. Unter dem früheren Präsidenten Bill Clinton diente er als Spitzenbeamter im Finanzministerium. (awp/mc/upd/ps)

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