Washington – Die US-Notenbank setzt ihren energischen Kampf gegen die hohe Inflation fort: Sie erhöht ihren Leitzins zum dritten Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte, wie die Federal Reserve (Fed) am Mittwoch mitteilte. Damit liegt er nun in der Spanne von 3 bis 3,25 Prozent, der höchste Stand seit 14 Jahren. Mit der strengen Geldpolitik wächst das Risiko, dass die Zentralbank die Wirtschaft bald so stark ausbremst, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden. «Ich wünschte, es gebe einen schmerzlosen Weg», sagte Fed-Chef Jerome Powell. «Den gibt es nicht.»
Der neuerliche Schritt war zwar erwartet worden – ist aber dennoch beachtlich. In den vergangenen Jahren zog es die Fed vor, den Leitzins in Schritten von 0,25 Prozentpunkten anzuheben. Bereits im Juni und Juli hatte die Fed den Leitzins um jeweils 0,75 Punkte angehoben. Manche Experten hatten aufgrund jüngster Daten zur anhaltend hohen Teuerungsrate in den vergangenen Tagen sogar gemutmasst, dass die Fed die Märkte mit einer Erhöhung um einen Prozentpunkt überraschen könnte. Powell machte deutlich, dass weitere hohe Zinserhöhungen anstehen. Das zeigen auch die Prognosen der Zentralbank.
Inflationsprognosen angehoben
Im Juni rechneten die Entscheider der Fed zum Jahresende im Mittel noch mit einem Leitzins von 3,4 Prozent. Nun gehen sie von 4,4 Prozent in diesem Jahr und 4,6 Prozent im kommenden Jahr aus. Die Fed sagt ausserdem in diesem Jahr ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum voraus als noch vor drei Monaten angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weltgrössten Volkswirtschaft soll demnach nur noch um 0,2 Prozent wachsen. Fed-Chef Powell machte deutlich, einen Wachstumsrückgang im Kampf gegen die Inflation in Kauf zu nehmen.
Die US-Notenbank rechnet im laufenden Jahr auch mit einer etwas höheren Inflationsrate als zuvor angenommen. Zuletzt war die Enttäuschung darüber gross, dass die Dynamik des Preisanstiegs im August weniger als erwartet nachliess. Zwar hatte sich die Jahresinflationsrate von 8,5 Prozent im Vormonat auf 8,3 Prozent abgeschwächt. Volkswirte hatten jedoch im Schnitt mit einem stärkeren Rückgang gerechnet. All diese Daten setzen die Fed sehr unter Druck.
Höhere Arbreitslosenquote erwartet
Besondere Sorge bereitet Fed-Chef Powell der Arbeitsmarkt. Er sei weiterhin nicht «im Gleichgewicht, da die Nachfrage nach Arbeitskräften das Angebot an verfügbaren Arbeitskräften deutlich übersteigt». Die Fed prognostiziert einen Anstieg der Arbeitslosenquote für das kommende Jahr – nach der Juni-Prognose von 3,9 Prozent wird nun eine Arbeitslosenquote von 4,4 erwartet. «Wir werden nie sagen, dass es zu viele Menschen gibt, die arbeiten», so Powell. Aber der Arbeitsmarkt sei überhitzt. Zentral sei es, die Inflation zu senken.
«Powell hat heute erneut sehr klargemacht, dass die Fed der Bekämpfung der Inflation Priorität einräumt», kommentierte Bernd Weidensteiner, USA-Experte bei der Commerzbank. «Die Leitzinsen werden daher wohl deutlich höher steigen, als dies die meisten Beobachter und die Fed selbst ursprünglich erwartet hatten.» Man werde wohl einige Zeit an den hohen Zinsen festhalten. «Denn laut Powell warnt die Wirtschaftsgeschichte deutlich davor, die Politik zu früh wieder zu lockern», schreibt Weidensteiner.
Bereits fünfte Zinsanhebung im laufenden Jahr
Insgesamt ist es die fünfte Anhebung des Leitzinses der Fed in diesem Jahr. Die US-Notenbank ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Erhöhungen des Leitzinses durch die Notenbank verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum, da sich etwa Kredite verteuern. All das ist nicht ohne Risiko – auch der Arbeitsmarkt wird geschwächt. Ziel der Fed ist es daher, nur so weit an der Zinsschraube zu drehen, dass die Wirtschaft nicht kippt und in eine Rezession fällt.
Ob die USA bereits in eine Rezession hineingeschlittert sind, ist umstritten. Die US-Wirtschaft ist im Frühling erneut geschrumpft, wie Daten von Ende Juli zeigen. Da die Wirtschaft bereits im Winter geschrumpft war, ist nun die Definition einer sogenannten technischen Rezession erfüllt. Die US-Regierung hatte die Daten heruntergespielt und darauf gepocht, dass die Lage am Arbeitsmarkt gut sei. Auch Ökonominnen und Ökonomen hatten betont, dass man die Zahlen mit Vorsicht geniessen müsse. «Wir wissen nicht, ob dieser Prozess zu einer Rezession führen wird und wenn ja, wie stark diese Rezession ausfallen würde», sagte Powell mit Blick auf die Zinserhöhungen.
Vergleich mit Zinsschocks von Volcker
Powells aggressive Zinspolitik wird bereits mit der des legendären Fed-Chefs Paul Volcker verglichen. Volcker hob den Leitzins in den 1970er und 80er Jahren drastisch an – er stieg zeitweise auf um die 20 Prozent. Auch damals hatten die USA mit enormer Inflation zu kämpfen. Die Folge der Zinsanhebungen waren jedoch Arbeitslosigkeit und ein Einbruch des Wirtschaftswachstums. Powell ist von einem derart hohen Leitzins noch weit entfernt. Das Tempo, das er im Kampf gegen die Inflation vorlegt, ist aber aussergewöhnlich.
Der US-Aktienmarkt geriet deutlich unter Druck nach der Entscheidung. Der Euro fiel vorübergehend auf den tiefsten Stand seit Ende 2002. Die Kurse von US-Staatsanleihen stiegen hingegen etwas an. (awp/mc/ps)