US-Notenbank vor Zinserhöhung

Janet Yellen

Janet Yellen, ehemalige Fed-Chefin. (Foto: © United States Government Work)

Washington – Seit Monaten brodelt die Gerüchteküche: Kommt sie oder kommt sie nicht, die Zinswende in den USA. Im Dezember scheint Notenbankchefin Janet Yellen ernstzumachen: Die Leitzinsen könnten am kommenden Mittwoch erstmals nach fast zehn Jahren wieder leicht nach oben gehen.

Der Start für eine Zinswende von weltweiter Bedeutung gilt nach monatelangem Hin und Her praktisch als ausgemachte Sache. Die Frage lautet nun, in welchem Tempo sich die Fed in Richtung Normalisierung des Zinsniveaus bewegt. Davon wird in entscheidendem Masse abhängen, ob die Zinswende zu einem gesunden weltweiten Wachstum beiträgt – oder aber Schockwellen durch die Finanzmärkte schickt, vor allem in die fragilen Volkswirtschaften von Schwellenländern wie Brasilien oder Indonesien.

Das Tempo ist entscheidend, das machen Fehler der Vergangenheit überdeutlich. Als in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends die Geldmenge anschwoll, die Hauspreise in den USA explodierten und sich eine riesige Immobilienblase bildete, drückte die Fed zu vorsichtig auf die Bremse.

Aus Fehlern lernen
Die Blase platzte, die Finanzkrise war geboren und stellte das Finanzsystem der Welt infrage. «Es bleibt zu hoffen, dass die US-Notenbank den Fehler von damals in diesem Zyklus nicht wiederholt», heisst es deshalb in einer Analyse der Helaba.

Auch danach war die Fed wieder zu langsam. Statt schnell mit mutigen Zinsschritten und Anleihenkäufen für mehr Geldfluss in den Märkten zu sorgen, schichtete die Notenbank ein ganzes Jahr lang Liquidität zu schwerstkranken Patienten im Finanzsystem um. «Hätte man früher mit Anleihekäufen reagiert und sich darauf konzentriert, allgemein mehr Geld zur Verfügung zu stellen, hätte die anschliessende Rezession deutlich weniger schlimm ausfallen können», sagt Daniel Thornton, früher Vizechef der Zentralbank von St. Louis.

Höchste Eisenbahn
Im Jahr 2015 fürchten erneut einige, dass es für den seit Monaten vorhergesagten Zinsschritt höchste Eisenbahn sein könnte. «Inzwischen fühlt sich die Fed immer unwohler mit dem Gedanken, dass sie möglicherweise zu spät die Zügel anzieht», sagt die Chefökonomin der französischen Grossbank Société Générale, Michala Marcussen. Sie erwartet, dass es am Mittwoch zunächst um 0,25 Prozentpunkte nach oben gehen wird. Dann könnte die Fed in Zwei-Monatsschritten die Zinsschraube anziehen, bis ein Niveau von 2,75 Prozent erreicht ist. «Dann hat der US-Konjunkturzyklus seine Reife erreicht», sagte Marcussen der Deutschen Presse-Agentur.

Andererseits darf die US-Notenbank auch nicht überhastet reagieren. Der US-Arbeitsmarkt sendete zuletzt stabile, aber auch keine euphorischen Signale. Die Inflation – und damit die Löhne und Gehälter – zieht nur mühsam an, hat noch nicht die eigentliche Zielmarke von zwei Prozent erreicht. Yellen zeigte sich kürzlich vor dem Wirtschaftsausschuss des US-Kongresses zuversichtlich, dass die Inflation «dahin zurückkehren» werde. Der niedrige Ölpreis und daran orientierte Rohstoffpreise etwa für Lebensmittel machen die Kalkulation schwerer.

Flaute ausserhalb der USA
Ausserhalb der USA herrscht zudem Wachstumsflaute. Die Eurozone kämpft mit internen Problemen, China baut seine Volkswirtschaft um, andere Schwellenländer wie Brasilien schwächeln. Diese Staaten und ihre Unternehmen halten zum Beispiel Schulden häufig in Dollar.

Die Last würde höher, würde der Dollar durch einen Zinsschritt noch stärker als er derzeit ohnehin schon ist. Ausserdem würden Anleger ihr Geld aus den Schwellenländern abziehen, wenn sie auch in den USA wieder höhere Zinsen bekämen, warnt etwa der Internationale Währungsfonds (IWF). «Die Schwellenländer haben in den vergangenen Jahren schliesslich das Wachstum gebracht», heisst es beim IWF hinter vorgehaltener Hand.

In Europa dürfte die Zinswende zunächst nur wenig spürbar werden. Sprunghafte Gewinne des Dollar im Verhältnis zum Euro werden nicht mehr erwartet – der erste Zinsschritt ist bei den jüngsten Kursschwankungen schon vorweggenommen worden. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird noch Jahre brauchen, bis sie ihre extrem lockere Geldpolitik wieder straffen kann. Ökonomen gehen von einem Zeitraum von mindestens zweieinhalb Jahren aus, Marcussen sieht sogar in den nächsten fünf Jahren keine Anhebung. (awp/mc/pg)

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