US-Finanzminister Timothy Geithner.
Breslau – Im Kampf gegen die Schuldenkrise sperren sich die Euroländer wegen leerer Kassen gegen Milliarden-Finanzspritzen nach amerikanischem Muster. «Wir sehen keinen Spielraum in der Eurozone, der uns erlauben könnte, neue Konjunkturpakete aufzulegen», sagte der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Jean-Claude Juncker, am Freitag im polnischen Breslau.
In dieser Frage gibt es einen offenen Disput mit den USA: Deren Finanzminister Timothy Geithner nahm erstmals an dem Treffen seiner EU-Kollegen teil und pochte Diplomaten zufolge auf verstärkte Anstrengungen der Europäer, die schwächelnde Konjunktur zu beleben.
Engere Zusammenarbeit bei Stabilisierung der Märkte
Die US-Regierung von Präsident Barack Obama hatte zuletzt ein Programm im Umfang von 450 Milliarden Dollar angekündigt, um die Sozialabgaben von Firmen und Arbeitnehmern zu drücken. Um den anhaltenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten Herr zu werden, üben die Eurozone und die USA gleichwohl den Schulterschluss: Geithner und seine Kollegen aus den 17 Euro-Staaten verständigten sich Diplomaten zufolge auf eine engere Zusammenarbeit bei der Stabilisierung der Märkte.
Düstere Prognose für Euroraum
Aktien-, Devisen- und Anleihenmärkte sind – wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman vor genau drei Jahren – angesichts der Staatsschuldenkrise beiderseits des Atlantiks wieder extrem angespannt. EU-Währungskommissar Olli Rehn äusserte die Befürchtung, dass das heftige Auf und Ab an den Märkten allmählich die Gesamtwirtschaft beeinträchtige und diese in einen Abschwung rutschen lasse. Erst am Donnerstag hatte Rehn eine düstere Prognose für die Wirtschaft im Euroraum präsentiert: Demnach wird die Wirtschaft in den 17 Ländern mit der Gemeinschaftswährung im zweiten Halbjahr 2011 nur noch minimal wachsen.
USA und Eurozone in Zwickmühle
Mit Blick auf Geithners Besuch wies Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor Beginn des Treffens auf die «gemeinsame Verantwortung» hin: «Wir müssen auf beiden Seiten des Atlantiks unsere Probleme lösen, um mehr Stabilität in die Finanzmärkte zu bekommen.» Die USA stecken wie die Eurozone in einer Zwickmühle. Sie haben einerseits mit einem riesigen Haushaltsdefizit zu kämpfen, das selbst die Finanzierungslücke der Griechen in den Schatten stellt; auf der anderen Seite kommt die Konjunktur in der weltgrössten Volkswirtschaft trotz niedriger Zinsen und Billionen-Spritzen der Notenbank nicht in die Gänge.
Drohung Junckers an die Adresse Athens
Im Fall Griechenland drohte Juncker erstmals offen damit, dass die nächste 8-Milliarden-Euro-Tranche aus dem alten 110-Milliarden-Hilfsprogramm nicht wie geplant im Oktober ausgezahlt werde, sollten die Experten von EU-Kommission, EZB und IWF Athen kein positives Zeugnis ausstellen. Angesichts des Berliner Koalitionskrachs über neue Hilfen für Griechenland versucht Athen, seine europäischen Partner zu beruhigen. Die vereinbarten strikten Auflagen zur Sanierung der angeschlagenen Staatsfinanzen würden eingehalten, versicherte Athens Finanzminister Evangelos Venizelos. «Wir sind in der Spur, wir setzen das (Spar-)Programm um», sagte er.
Erweiterte Befugnisse für Krisenfonds
Die Beschlüsse des Euro-Gipfels sind erst von fünf Eurostaaten (Spanien, Frankreich, Belgien, Luxemburg sowie Italien) abgesegnet worden. Laut Rehn sollen die anderen Euroländer bis spätestens Anfang Oktober folgen. Nach Worten des EFSF-Chefs Klaus Regling kann der Krisenfonds Mitte Oktober mit seinen erweiterten Befugnissen arbeiten und beispielsweise dann auch Staatsanleihen von Wackelkandidaten kaufen.
Deutschland irritiert Partner zunehmend
In Deutschland ist die Abstimmung im Bundestag für Ende September geplant. Der Koalitionskrach in Berlin darüber irritiert zunehmend die europäischen Partner. Ohne Deutschland namentlich zu erwähnen, mahnte Juncker: «Wir müssen zu verbaler Disziplin zurückkehren. Griechenland wurde 2010 als erstes Euroland mit Hilfszusagen von 110 Milliarden Euro an den internationalen Finanztropf gehängt und soll nun ein zweites Hilfspaket im Volumen von 109 Milliarden Euro erhalten. Ausserdem erhalten bislang Irland (85 Milliarden Euro) und Portugal (78 Milliarden Euro) Finanzhilfen. (awp/mc/upd/ps)