Zürich – Nach acht Verhandlungstagen ist der Zürcher Raiffeisen-Prozess am Dienstag zu Ende gegangen. Der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz betonte in seinem Schlusswort, dass er manchmal übertrieben, aber «nichts Unrechtmässiges» getan habe.
Er sei sich bewusst, dass er in den zwanzig Jahren bei Raiffeisen auch Fehler gemacht habe, sagte Vincenz zum Schluss des Prozesses. «Manchmal habe ich auch übertrieben.»
Aber er könne versichern, dass er nie etwas mit der Absicht gemacht habe, Raiffeisen und Aduno zu schädigen. Er habe nichts Unrechtmässiges getan und fordere deshalb einen Freispruch.
Das Tinder-Date als «Bewerbungsgespräch»
Die Zürcher Staatsanwaltschaft wirft Ex-Raiffeisen-Chef Vincenz und seinem Geschäftskollegen Beat Stocker unter anderem Betrug vor, weil sie sich versteckt an Firmen beteiligt haben sollen.
Danach hätten sie darauf hingewirkt, dass diese durch die von ihnen geführten oder beratenen Unternehmen – die Raiffeisenbank und die Kreditkartenfirma Aduno – aufgekauft worden seien. Bei diesen Transaktionen und Übernahmen sollen Vincenz und Stocker unrechtmässige Gewinne in Millionenhöhe eingestrichen haben.
Vincenz wird zudem angelastet, private Auslagen auf Geschäftsspesen genommen zu haben. In der Anklageschrift sind Besuche in Stripclubs für insgesamt 200’000 Franken und private Reisen für 250’000 Franken aufgeführt. Vincenz hatte diese Ausgaben mit «Beziehungspflege zu Geschäftsleuten» begründet. Ein Tinder-Date in einem teuren Restaurant bezeichnete er als «Bewerbungsgespräch».
Urteil im Theatersaal
Die Staatsanwaltschaft beantragt für Vincenz und Stocker Freiheitsstrafen von je sechs Jahren. Fünf weitere Mitbeschuldigte sind angeklagt, weil sie Vincenz und Stocker verschiedentlich Beihilfe geleistet haben sollen. Für sie fordert die Staatsanwaltschaft bedingte und teilbedingte Freiheitsstrafen sowie in einem Fall eine Geldstrafe.
Die Verteidiger der sieben Beschuldigten hatten die Anklage während des Prozesses heftig kritisiert: Sie bezeichneten dabei einzelne Passagen auch als «Quatsch» und als «beinahe schon spassig». Fakten würden konsequent ausgeblendet. Sie forderten vollumfängliche Freisprüche sowie angemessene Genugtuung für ihre Mandanten.
Das Bezirksgericht Zürich wird das Urteil gegen Vincenz, Stocker und die fünf Mitbeschuldigten am 13. April im Theatersaal im Zürcher Volkshaus eröffnen. (awp/mc/pg)