Von Dieter Haas , Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Wirksame Rezepte für Wertzuwächse sind rar gesät. Die Pharmabranche überzeugt mit überdurschnittlich guten Aussichten. Nach zwei sehr guten Jahren spricht einiges für eine Fortsetzung der Dynamik. Doch gilt es zwischen Placebos und Blockbustern zu unterscheiden.
Es gibt nicht viele Investments, die derzeit von grösserer Vitalität strotzen als solche im Bereich Pharma. Die Gesundheitsbranche zählt zu den exklusiven Branchen mit einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung. In den letzten acht Jahren verzeichnete der sehr breite Spartenindex MSCI World Health Care, mit Ausnahme der Jahre 2009 und 2010, stets eine Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt, gemessen am S&P 500 Index. Die Finanzkrise schmerzte nur kurz. Und auch der in 2012 erreichte Gipfel der Patentabläufe der weltweiten Verkäufe verschreibungspflichtiger Medikamente bremste das Wachstum nicht. Im Gegenteil: seit 2012 geht es kräftig aufwärts. Schwindeliger Highflyer mit über 400% Wertzuwachs in rund vier Jahren ist dabei der NYSE Arca Biotechnology Index.
Biotech als Wachstumstreiber
Für Phantasie sorgten vor allem Produktneueinführungen im Biotechnologiesektor. Das wachstumsstärkste Teilsegment des Gesundheitswesens stieg ab Ende 2011 wie Phönix aus der Asche. Zuvor zeigten die Aktienkurse im Teilsegment Biotech nur lethargische Reaktionen. So dauerte es mehr als ein Jahrzehnt bis zum jüngsten Comeback. Im Gegensatz zur Biotech-Hausse Ende der 90er-Jahre steht die aktuelle Aufwärtsbewegung auf einem wesentlich gesunderen Fundament. Doch die Hausse im Biotech-Bereich provoziert nicht nur Fans, sondern auch Mahner. Prominente Bedenken wurden im Frühsommer von US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen geäussert. Das Lager der Skeptiker befürchtet einen schmerzhaften Absturz. Zu ihnen zählt auch Tobias Levkovich von der Citigroup. «Wir sind der Meinung, die Leute sollten sich aus gewinnträchtigen Positionen im Health Care-Bereich verabschieden» so sein Fazit im aktuellen Fortune Investors Guide 2015.
Viele Profis bis dato bullish
Andere Portfolio-Manager wie John Park (Oakseed Opportunity Fund) oder Brain Lazorishak (Chase Growth Fund) setzen dagegen ohne Einschränkungen auf den Sektor. Auch Mastermind Mark Schoenbaum, Chefanalyst der New Yorker ISI Group, bleibt bullisch. Er ist Mediziner und seit neun Jahren in Folge vom Institutional Investor Magazine als Analyst Nummer 1 im Biotech-Sektor ausgezeichnet. Gemäss seinen Recherchen, die bis 1978 reichen, notierte die Branche um die Jahresmitte 2014 gut 40% unter ihrem Peak. Zwar hat sich seitdem die Aufholjagd weiter fortgesetzt, doch «Fieberalarm» gibt es bei der Mehrheit der Pharmavaloren noch keinen.
Selbstbewusstes Who is Who
Dank der erfreulichen Wertsteigerungen an der Börse ist die Zahl der Unternehmen unter den Top-100 des Weltaktienindex inzwischen auf 20 angewachsen. Dabei dominieren nach wie vor die Dinos der Branche (Johnson & Johnson bis Merck). Auf Rang 23 weltweit (bzw. Rang 7 innerhalb der Branche) folgt mit Gilead Sciences der erste reine Biotechnologie-Konzern vor seinem hartnäckigen Konkurrenten Amgen. Die Rasanz des Vorstosses der beiden führenden Vertreter ihrer Zunft zeigt die Fünfjahres-Performance. Hier liegt Gilead mit grossem Vorsprung vor Amgen. Erst danach folgen die klassischen Pharmakonzerne. Hier zeigen sich zudem beträchtliche Differenzen. Sehr gut schlugen sich im genannten Zeitraum die beiden Schweizer Vertreter Roche und Novartis. Beide befinden sich in einer ausgezeichneten Verfassung. «Wir fokussieren uns auf Innovationen», äusserte sich vor kurzem Joe Jimenez, CEO von Novartis. Mit dieser Strategie liegen die Basler sicherlich richtig. Unter den Top-10 fielen die französische Sanofi und die britische GlaxoSmithKline deutlich ab. Beide Konzerne kämpfen mit schwindenden Margen und dem Mangel an neuen Produkten.
«Bis zu 50% aller Krebs-Todesfälle sind vermeidbar.»
Ungetrübte Perspektiven
Das renommierte Research-Haus Evaluate rechnet bis 2020 mit einem durchschnittlichen Wachstum der verschreibungspflichtigen Medikamente um gut 5%. Treffen die Prognosen ein, würden die weltweiten Verkäufe rezeptpflichtiger Medikamente am Ende des laufenden Jahrzehnts erstmals die Marke von USD 1 Bio. übertreffen. Gleichzeitig nimmt die Bedrohung durch Patentabläufe stetig ab und dürfte in sechs Jahren mit 3% nur noch halb so hoch sein wie 2014. Gemessen an den verschreibungspflichtigen Präparaten sollte Novartis seine Leaderposition in der Branche verteidigen können, während Roche kräftig Boden gutmachen und auf Rang zwei vorstossen wird. Der Trend zu Biotechnologieprodukten bleibt ungebrochen. Ihr Anteil unter den rezeptpflichtigen Medikamenten betrug 2006 erst 21%. 2013 lag er bereits bei 45% und für 2020 rechnet Evaluate mit einem Anteil von 52%.
Viele Hoffnungsträger
Biotechnologie gibt innerhalb der Branche somit weiter den Takt vor. Das im Dezember 2013 in Kanada und den USA und ab Januar 2014 auch in der EU zugelassene Medikament Sovaldi von Gilead Sciences zur Behandlung von Hepatitis C ist die bislang erfolgreichste Neueinführung, die es im Pharmasektor je gegeben hat. Auf Therapieebene dürfte Onkologie (Krebs) 2020 sowohl beim Marktanteil (14,4%) als auch bezüglich der Absatzsteigerung (+11,2%) seine dominierende Stellung behalten. Zu den aktuellen Hoffnungsträgern zählen u.a. Immuntherapien und zwei in der klinischen Entwicklung befindliche Wirkstoffe für Lungenkrebs. Roche ist auf dem Gebiet der Onkologie klarer Weltmarktführer. Am kürzlich stattgefunden Krebskongress twitterte der Konzern, dass «bis zu 50% aller Krebs-Todesfälle vermeidbar sind». Es liegt somit noch ein riesiges Potenzial brach.
Attraktive Anlagefonds und ETFs
Zur Beurteilung der Qualitäten eines Anlagefonds sollten Anleger einen längeren Zeitraum beachten. Nur dann trennt sich mit einiger Sicherheit die Spreu vom Weizen. Erfreulicherweise mischen etliche in der Schweiz domizilierte Anlagefonds in der Elite mit. Dies, obwohl gerade unter den Biotechnologiefirmen das Gros in den USA seinen Wohnsitz hat. Als Vergleichsmassstab dient daher in der Regel der Nasdaq Biotechnology Index (Symobl: NBI). Über die abgebildete Zeitperiode (siehe Grafik) schnitt der aktiv gemanagte Candriam (ehemals Dexia) Biotechnology Fund am besten ab, dicht gefolgt vom ETF aus dem Hause First Trust. Letzterer lehnt sich an den NYSE Arca Biotechnology Index (Symobl: BTK) an. Der umfasst nach der letzten Indexrevision vom Oktober 2014 neu 30 Titel im Vergleich zum NBI, dessen Universum viermal grösser ist. Im Unterschied zum NBI werden die auserwählten Aktien beim BTK gleich gewichtet. Ein quartalsweises Rebalancing korrigiert zwischendurch auftretende Divergenzen. Der NBI setzt bei der Titelgewichtung hingegen auf eine gekappte Form der Marktkapitalisierung. Seit Mitte November können Anleger mit SXBIO erstmals einen Biotech-ETF direkt an der SIX Swiss Exchange kaufen. Der vom ETF-Emittenten Source lancierte Indexfonds mit synthetischer Replikationsmethode orientiert sich am NBI und verrechnet eine jährliche Managementgebühr von 0,40%. Dank der Komplexität des Sektors können aktiv gemanagte Anlagefonds wie der bereits erwähnte Candriam Biotechnology Fund durchaus mit ETFs mithalten. Ebenfalls eine attraktive Wertentwicklung hat der RHF Global Life Sciences Fund erzielt. Dieser Fonds übertraf bis dato, in der Langfristperspektive, die schweizerische Konkurrenz.
«Investoren sind gut beraten, eine Dosierung auf breite Indizes oder diversifizierte Basiswerte zu fokussieren.»
Gesunde Alternativen
Das Angebot an Partizipationsprodukten und ETFs auf den Sektor Gesundheit ist beträchtlich. Unter den eher Defensiveren stachen 2014 der ETF Health Care S&P US Select Sector von Source mit dem Ticker XLVS und der MSCI World Health Care ETF LYHLTW von Lyxor heraus. Bei den Strukis schossen die beiden Tracker-Zertifikate BTKEY und BTKOE den Vogel ab. Ihr Basiswert, der NYSE Arca Biotechnology Index, ist auf lange Sicht der performancestärkste Benchmark des Teilsegments. Überdurchschnittlich gut schneiden seit Längerem auch GENCH (CHF) und GENUS (USD) ab, die sich an der Kursentwicklung des RBS Generic Drugs Total Return Index orientieren. . Die Partizipationsprodukte legen ihren Schwerpunkt somit auf den Generika-Markt, eine Teilsparte des Gesundheitswesens, die ebenfalls respektable Wachstumsraten aufweist, die jedoch nicht ganz an diejenigen des Biotechsektors heranreichen.Für Freunde einheimischen Schaffens sei SXBIO auf den SXI Bio & Medtech PR Index (siehe Product News) empfohlen. Der Small und Mid Caps Index der an der Schweizer Börse kotierten Gesellschaften kennt eine Limitierung der einzelnen Titelgewichte von 10%. Ein Kauf von SXBIO ist aus Risikoüberlegungen einer Einzelanlage vorzuziehen.
Auf eine grandiose Performance zurückblicken kann NBIMI, das einzige an der SIX Structured Products Exchange kotierte Hebelprodukt auf den NBI. Sein Hebel beträgt inzwischen aber nur noch 1.6 (Stand Mitte Dezember 2014). Adrenalin-Junkies, die der sehr volatilen Branche noch einen Extra-Kick verleihen möchten, müssen auf Futures-Börsen ausweichen. Das für sie gewünschte Tummelfeld bieten die auf dem Nasdaq Biotechnology Index ETF mit dem Kürzel IBB basierenden Optionen (www.nasdaq.com/symbol/ibb/option-chain).
Schweizer Spezialtitel
Das Teilsegment Biotechnologie ist aus Schweizer Perspektive auch traditionell sehr eng mit einer bekannten Aktiengesellschaft verbunden: BB Biotech. Im Unterschied zu den erwähnten Anlagefonds bzw. ETFs erlaubt die Struktur als AG einen grösseren Handlungsspielraum, welchen BB Biotech nutzt, durch eine wesentlich stärkere Fokussierung auf die Top-Adressen (siehe auch Interview) in der Branche. Aktiven Anlagefonds sind hier ganz klar die Hände gebunden, da die Summe all ihrer Aktienpositionen mit einem Gewicht grösser 5% aufgrund der regulatorischen Vorschriften höchstens 40% betragen darf. Ein Umstand, der sich in gewissen Marktphasen im Vergleich zum Nasdaq Biotechnology Index nachteilig auswirkt.
«Vorsicht bei Einzelwetten auf Small Caps – Kopfschmerzen für Anleger sind dort nicht ausgeschlossen.»
Diversifikation statt Einzelwetten
In Summe ist für Anleger eine adäquate, im Vergleich zum Weltaktienindex leicht übergewichtete Beimischung der Branche Health Care im Portfolio nach wie vor empfehlenswert. Die klassischen grossen Konzerne bestechen durch solide Bilanzstrukturen, stetige Cashflows, attraktive Dividendenrenditen und respektable Wachstumsperspektiven. Dank der Fokussierung auf das Kerngeschäft, der Erschliessung neuer Marktsegmente und einer strikten Kostensenkung sind die meisten «Dinos» gut gerüstet für die Zukunft. Das Tüpfelchen auf das i bringt die Beimischung führender Biotechunternehmen. Vorsicht gilt es aber bei Einzelwetter auf Small Caps aus dem Biotech-Sektor walten zu lassen – Kopfschmerzen für Anleger sind dort nicht ausgeschlossen. Vermeintlich hohe Wachstumsraten und haussierende Kurse können sich über Nacht in Luft auflösen. Ein Klassiker ist die versagte Zulassung der entwickelten Medikamente oder der negative Ausgang einer Studie. Investoren sind daher gut beraten, im Portfolio die Dosierung auf breite Indizes oder diversifizierte Basiswerte wie Celgene, Amgen oder Gilead zu fokussieren. Mit der richtigen Dosierung der Anlagebeträge ist der Vitaminstoss für das Portfolio dank Allokation im Pharmasektor sicher.