Von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch
Diversifikation zwischen Aktien, Bonds und Rohstoffen reicht nicht mehr zur Depotstabilisierung aus. Vola-Strategien erfreuen sich daher zunehmender Beliebtheit. Die inzwischen historischen Tiefstände bieten Renditechancen, doch nur wenige Konzepte erweisen sich als echte Perlen.
Alle Wertschriften, die an der Börse gehandelt werden, erzeugen durch ihre täglichen Kursveränderungen ein Bewegungsbild. Im Fachjargon spricht man bei diesem Auf und Ab von der Volatilität, auch schlicht als «Vola» bekannt. Sie ist die entscheidende Grösse, um einzuschätzen, wie risikoreich eine Anlage ist. Sie misst insbesondere, wie stark ihre Wertveränderungen um einen mittleren Wert streuen. Als Daumenregel gilt: Steigt eine Aktie, fällt ihre Volatilität – und umgekehrt. Das Paar ist negativ korreliert. Je höher folglich die Volatilität, umso stärker schlägt der Kurs nach oben und unten aus und desto riskanter, aber auch chancenreicher ist die Investition.
Von Chicago nach Zürich
Seit Anfang der 90er-Jahre wird diese Schwankungsbreite in Form eines Barometers gemessen. Vorreiter war die Terminbörse in Chicago, welche den VIX («CBOE Volatility Index») aus der Taufe hob. Der VIX und Volatilitätsstrategien waren in den folgenden Phasen stetig steigender Märkte aufgrund geringer Renditemöglichkeiten aber als unbedeutend angesehen worden. Das änderte sich jedoch (siehe auch Grafik). Primär institutionelle Anleger interessierten sich für Volatilität und entsprechende Instrumente – insbesondere unter dem Aspekt der Absicherung gegen fallende Aktienkurse. So wurde im Jahr 2005 an der SIX Swiss Exchange der VSMI lanciert, welcher die Volatilitäten der Schweizer Aktien des SMI-Index misst. Im gleichen Jahr entschloss sich die Deutsche Börse zu einer Erneuerung des VDAX und startete den VDAX new. «Doch Vola gibt es nicht gratis. Es ist mit einer Versicherung vergleichbar, bei der man Geld erhält, wenn der Schaden eintritt. Falls kein Schaden – also kein Kurseinbruch – eintritt, ist die Prämie am jeweiligen Verfallstag verloren», erläutert Oliver Roellin, Direktor bei beim Market-Maker Derivative Partners Invest in Zug.
«Das Volumen der VIX-Futures ist seit 2008 um 2’000% gestiegen.»
Über Nacht relevant
Mit Lancierung von Volatilitätsbarometern in Europa und zunehmender Berichterstattung erblickten auch entsprechende Strukturierte Produkte für ambitionierte Privatanleger und Anlageverwalter das Licht der Börsenwelt. Für Anleger eröffneten sich dadurch Möglichkeiten, von steigender oder sinkender Volatilität isoliert zu profitieren. In aller Munde kam das Thema Volatilität aber über Nacht. Befeuert vom spektakulären Konkurs von Lehman Brothers am Morgen des 16. September 2008, katapultierte sich der VIX auf rekordverdächtige 81 Punkte. Ein derartiges Niveau repräsentiert schlicht «Weltuntergang». Ende August dümpelten die Vola-Notierungen noch in normalen Regionen bei rund 20 Punkten. Unzähligen Investoren, ohne Absicherung mittels Long Vola-Produkten, wurde schlagartig der Wortstamm «volare» in Volatilität bewusst – ihnen flog das Portfolio verlustreich um die Ohren.
Vola-Strategien zunehmend en vogue
Seither hat sich die Betrachtungsweise zu Volatilität radikal gewandelt, und auch die Mittelzuflüsse in Volatilitäts-Futures. «Wir stehen heute beim Thema Volatilität in einer völlig anderen Welt als noch vor zwei Jahren», konstatiert Michael John Lytle, Gründungspartner von Source ETF, die Lage. Sein Haus verwaltet 72% der in Europa in Vola-ETFs investierten Gelder. «Das Volumen der gehandelten VIX-Futures ist von 2008 bis 2012 um fast 2’000% gestiegen», verdeutlicht auch Roland Wicki, CEO von der auf Vola-Strategien spezialisierten Boutique Inpearl Capital, den drastischen Zustrom (siehe auch Interview). Selbst die Umsatzvolumen im vergleichsweise dünn gehandelten VStoxx sprangen an der EUREX um 137% im Jahresvergleich an. Vermögensverwalter und institutionelle Anleger nutzen vermehrt Volatilitätsstrategien, um einerseits die Performance ihrer Portfolios zu stabilisieren und um andererseits gegen Extremereignisse gewappnet zu sein, die sogenannten Tail-Risks. «Grundsätzlich gehört Volatilität als Anlageklasse zu jedem professionellen Portfolio dazu», so Vola-Experte Roellin.
«Der häufigste Fehler ist wohl, die Rollkosten erst gar nicht zu erkennen.»
Anfängerfehler vermeiden
Doch steckt der Teufel im Detail. «Der häufigste Anfängerfehler ist wohl, die versteckten Kosten zu unterschätzen oder erst gar nicht zu erkennen», erklärt Juri Sarbach, Portfolio-Manager des Ananea Volatility Fund. Primär handelt es sich dabei nicht um Gebühren, sondern um Rollover-Kosten aufgrund der Terminstruktur der Volatilitäts-Futures. Die kurzen Laufzeiten werden in der Regel höher (teurer) gehandelt als Vola-Futures mit späterem Verfall. «Wer sich mit dem Thema Rollverlust nicht professionell befasst, wird sehr frustrierende Erfahrungen machen», gibt Vola-Trader Sarbach zu bedenken. Gewinne fährt nur ein, wer sich mit der Materie vertieft auseinandersetzt oder eben pfannenfertige Profi-Produkte einkauft.
J.P. Morgans Strategie ist Trumpf
In der Welt der pfannenfertigen Delta-1-Produkte mit Vola-Bezug sticht in der Mittelfristbetrachtung MHUU, J.P. Morgan Macro Hedge Source ETF, hervor. Das Indexkonzept erzielt bislang erfolgreich durch Long- und taktische Shortpositionen entlang der VIX-Futures mit mittleren Laufzeiten (zweiter und dritter Monat) gute Renditen. Gibt es im VIX keine Tradingchancen, bleibt das Geld in dreimonatigen US-Treasuries geparkt. Grundsätzlich ist dieses Vola-Konzept auf Long-Positionen ausgerichtet und somit ein Absicherungsprodukt. Dennoch agiert das Produkt aktiv bei Volatilitätsspitzen und versucht solche Gewinn bringend abzugreifen. Allerdings befindet sich die Terminkurve unter normalen Marktbedingungen im Contango (Rollverluste). Die Long-Positionierung durch das Rollen vom zweiten in den dritten Monat zieht daher negative Erträge nach sich. Durch eine zusätzliche Short-Position in einem kurz laufenden Kontrakt versucht der Index nicht nur, die negative Rollrendite wett zu machen, sondern sogar einen positiven Ertrag zu erzielen. Zuletzt schlug es die fünf konkurrenzierenden Vola-Strategien. Das in US-Dollar an der SIX kotierte Produkt hat allerdings seinen Preis: 1% p.a. betragen die all-in Fees (Indexgebühr und Management). Einzig störend: Die grosse Stückelung des Produkts.
Dynamischer Vola-Basket von EFG FP
Ein kleines Stück günstiger mit 0,90% Fee ist EFGDSQ, der ebenfalls in USD kotierte Tracker auf den CBOE Dynamic VIX Index Basket. EFG Financial Products hat diese Strategie als erster Emittent hierzulande verbrieft. «Mit dieser Strategie wird ein längeres VIX-Investment ermöglicht, da der Investor die Carrykosten einsammelt. Das Timing für den Einstieg ist daher nicht so wichtig wie bei gewöhnlichen VIX-Strategien», erklärt Manuel Dürr, Head Public Solutions von EFG Financial Products. Der Basket besteht aus 83,3% Short und 16,7% Long Volatilitätsexposure. Innerhalb der jeweiligen Tradingrichtung kann beim Short Index jedoch maximal 20% in Short VIX Futures investiert werden und minimal 80% in Cash. Das beugt einer zu extremen Ausrichtung vor. Innerhalb des Long Index wird bis zu 100% in Long VIX Futures investiert. Jeder der beiden Indizes steuert somit autark die individuelle Ausrichtung. Für EFGDSQ spricht im direkten Vergleich zu MHUU im Backtesting die höhere Sharp-Ratio («Überrendite in Abhängigkeit zum Risiko»).
Neue Vola-Kombination aus Zürich
Einen etwas anderen Fokus hat der Newcomer bei den Schweizer Vola-Strukis. Der ZKB Stable Return Equity Tracker (Valor 19270886) verbindet ein Exposure in den US-Aktienmarkt (S&P500) mit einem rolloptimierten Volatilitätsschutz (VIX-Futures). Das Strukturierte Produkt wird gemäss der ZKB-Strategie wöchentlich neu zusammengestellt. Der auf den Futures-Positionen aufgelaufene tägliche Ertrag wird anhand des tagesaktuellen Devisenkassakurses in CHF transformiert. Ziel der Strategie ist ein Ertrag von 7% p.a. bei einem jährlichen Risiko von 10%. Noch ist unklar, ob das Konzept in der Praxis dieses Ziel erreicht – das Backtesting lieferte aber vielversprechende Resultate. Leider ist das Produkt bis dato nur OTC-handelbar und nicht börsenkotiert.
Gehebelte Klassiker
Wer Volatilitäten nicht als Anlagekonzept beimischen möchte, sondern ganz bewusst kurzfristig und die erwarteten Kursschwünge sehr intensiv nutzen möchte, sollte sich Faktor-Zertifikate als Alternative für Profis näher ansehen. Bei anderen Hebelprodukten gilt an der Scoach Zürich wie auch an der Scoach in Frankfurt: Fehlanzeige. So richtig eine Produktauswahl gibt es nicht. Traurig ist, dass es nicht mal auf den VSMI oder VDAX Produkte gibt. Trading-fokussierte Anleger greifen daher seit Längerem bei der Commerzbank zu. «80% der Umsätze in Vola-Faktorzertifikaten laufen in den VIX-bezogenen Produkten, 20% gehen auf den VStoxx. Die Mehrheit der Kunden handelt dabei die Produkte mit Hebel 2», fasst Marc Pribam, Produktmanager bei der Commerzbank Zürich, zusammen. Je nach Marktblick verspricht CBLVIX und CBKVX2 bei Vola-Ausbrüchen nach oben gute Gewinne. Wer ein kurzfristiges Abschmelzen der Vola-Levels erwartet ist mit CBSVIX bzw. CBSVX2 gut beraten.
«Kein Trader sollte Vola als Buy-and-hold-Asset ansehen.»
Nicht aus den Augen lassen
Kritisch kann bei den Faktorzertifikaten speziell in trendlosen Zeiten die Pfadabhängigkeit werden. Der Anleger verliert dann effektiv Geld, obwohl der Basiswert keine allzu drastischen Bewegungen macht. Die VIX-Faktorzertifikate sind daher nur etwas für sehr kurzfristig agierende ausgefuchste Trader. Die Gebühren für die ultraschnelle Gewinnchance mit Vola-Faktorzertifikaten belaufen sich auf 0,75% pro Jahr. «Kein Trader sollte Vola als Buy-and-hold-Asset ansehen – sondern als einen aktiv zu managenden Posten», wird Juri Sarbach nicht müde seinen Kunden einzutrichtern. Wer dieses Credo beherzigt, kann hochprofitabel an den Schwüngen und Bewegungsbildern der Börse partizipieren.
KURZ ERKLÄRT
Volatilität
Die Volatilität ist ein Mass für die Schwankungsbreite eines Wertpapiers, einer Währung oder eines Index.
Historische Volatilität
Die Historische Volatilität wird aus den historischen Kursen des Basiswerts berechnet. Es handelt sich um die durchschnittliche Schwankungsbreite während eines bestimmten Zeitraums in der Vergangenheit.
Implizite Volatilität
Die implizite ist die aktuelle in den (z.B. EUREX/CBOE) Optionen enthaltene und vom Markt erwartete Volatilität. Die implizite Volatilität liegt oftmals über der historischen (tatsächlichen) Volatilität.
Rolloptimierung
Beim Kauf von Vola-Futures lässt sich jedoch durch den Einsatz einer rolloptimierten Absicherung oft ein Mehrwert generieren. Je nach Form der Terminkurve werden die Kontrakte erworben, die den geringsten Rollverlust bzw. den grössten Rollgewinn verursachen. Alternative Vola-Strategien Wer nicht direkt auf den VIX gelinkt an Vola-Veränderungen partizipieren möchte, kann als Alternative über standardisierte EUREX-Optionen oder Warrants Absicherungsstrategien realisieren. Warrants leiden oft an hohem Bid-Ask Spread und höherer Vola als EUREX-Optionen. Hier gilt es auf www.payoff.ch genau zu vergleichen. Mit einem Long Put auf einen Index oder auch auf einen Einzeltitel kann man an Vola-Veränderungen (Anstiege) ideal partizipieren bzw. solche als Absicherungsinstrumente im Portfolio verwenden.