Zürich – Wenn es nach den globalen Aktienmärkten geht, ist am Ende des „Pandemietunnels“ ein Licht erkennbar. Meldungen über vielversprechende Impfstoffe von Pfizer und Moderna haben die Anleger in ihrer Zuversicht bestärkt, dass der Erholungsprozess 2021 einsetzen dürfte. Dennoch deutet der jüngste Anstieg der Infektionszahlen in den USA und Europa auf kurzfristige Konjunkturrisiken und erhöhte Marktvolatilität hin. Allerdings hatten die virusbedingten Brüche auch etwas Gutes: So haben die Ereignisse seit Frühjahr als Katalysator gewirkt und einige wichtige Entwicklungen im Geschäftsleben wie die Verlagerung hin zum E-Commerce beschleunigt.
Die Risiken einer Momentum-Orientierung
Die globalen Aktienrenditen standen 2020 im Zeichen von Momentum, gefolgt von den Niedrigzinsen und der überschüssigen Liquidität. In diesem Zusammenhang sind einige Risiken für Anleger zu nennen. Hierzu zählt etwa ein Anstieg der SPAC-Emissionen. Bei SPACs (Special Purpose Acquisition Companies) handelt es sich um sogenannte „Blankoscheck“»-Unternehmen, die Milliarden US-Dollar einsammeln und dabei einer weniger strengen aufsichtsrechtlichen Überwachung und Regulierung unterliegen, als es bei gewöhnlichen Börsengängen der Fall ist. Zahlreiche neu an der Börse gelistete Unternehmen sind zudem noch nicht profitabel. Darüber hinaus bedeutet der starke Mittelzufluss in den Private-Equity-Bereich einen Wettbewerb für börsennotierte Unternehmen, die nach attraktiven Akquisitionsmöglichkeiten suchen. Und nicht zuletzt hat der Kapitalüberschuss in grüne ESG-Initiativen dazu geführt, dass die Bewertungen die Fundamentaldaten übersteigen.
Die Bedeutung dominanter Unternehmen in der Informationstechnologie
Der Technologiesektor steht mittlerweile für 27 Prozent des S&P 500 Index, wobei eine kleine Zahl von Unternehmen die Gesamtperformance dominiert. Der Sektor ist Schauplatz eines natürlichen Konsolidierungsprozesses, der dazu geführt hat, dass dominante Unternehmen wie Google eine Quasi-Monopolstellung einnehmen.
Die grossen IT-Unternehmen stehen seit kurzem zwar stärker im Fokus der Aufsicht, doch nach unserer Überzeugung besteht für Anleger aus US-Perspektive kein Anlass zur Sorge. Wir glauben, dass das Verbraucherverhalten das künftige Wachstum von IT-Unternehmen stärken wird und beobachten genau, welchen Mehrwert diese Unternehmen für ihre Kunden schaffen. In China sind die aufsichtsrechtlichen Anforderungen für FinTech-Kredite verschärft worden. Dies könnte sich negativ auf E-Commerce-Websites auswirken, die Händler exklusiv an sich binden. Die grössten Risiken für die dominanten IT-Player bestehen jedoch im Wettbewerb durch neue und alte Rivalen.
Führende europäische IT-Unternehmen finden neue Wege, um Daten zu analysieren und zu verarbeiten. US-Verbraucher vertrauen zudem zunehmend auf Unternehmen wie das britische Experian, die grösste Wirtschaftsauskunftei, die niederländische Waters Corp, ein Unternehmen für analytische Laborgeräte und Software, sowie Carfax, eine grosse Gebrauchtwagen-Datenbank im Besitz des britischen Unternehmens IHS Markit.
Der Basiskonsumgütersektor hat nach wie vor Charme
Nach unserer Überzeugung hat der Basiskonsumgütersektor über die Jahre bereits viele profitable Gelegenheiten geboten. Die dominanten Unternehmen in diesem Bereich haben historisch kontinuierlich zuverlässig wachsende Erträge verbucht und in rückläufigen Märkten Schutz gewährt, doch auch sie litten in diesem Jahr unter Einschränkungen infolge der Pandemie.
Die Herausforderungen für Basiskonsumgüter dürften in den nächsten Monaten anhalten, bis ein Impfstoff verfügbar ist. Im Vergleich zur Anfangsphase der Pandemie rechnen wir jedoch mit weniger volatilen Aktienkursen und gehen davon aus, dass grosse Basiskonsumgütermarken, hinter denen widerstandsfähige Unternehmen stehen, sich auch längerfristig behaupten werden.
Politik vs. Konjunkturpakete
Regierungswechsel in den USA wirken sich oft kaum auf die langfristigen Marktrenditen aus. Allerdings könnten die Unternehmensgewinne, die zu einer guten Aktienperformance beitragen, im Zuge neuer Konjunkturpakete durchaus profitieren. Im vergangenen Jahr haben solche Pakete geholfen, die Volatilität zu bremsen und Drawdowns bei Aktien zu minimieren. Geldpolitik allein bewirkt immer weniger, da die Zinssätze nahe bei oder gar unter null liegen – deshalb bieten höhere staatliche Ausgaben Perspektiven für Anleger.
Auf der Suche nach dem Wachstum in Europa
Wir sind weiterhin überzeugt, dass europäische Unternehmen trotz der Einschränkungen infolge der Pandemie, der bevorstehenden Brexit-Folgen und des trägen Wirtschaftswachstums Chancen bieten. Im Gegensatz zu Europas Volkswirtschaften verfügen die Unternehmen über Wachstumspotenzial – insbesondere, wenn sie in Wachstumsbranchen aktiv sind oder revolutionäre Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Cellnex, das grösste unabhängige europäische Unternehmen im Bereich Sendemasten, führt im schnell wachsenden mobilen Breitbandsektor und sorgt ausserdem für eine Marktkonsolidierung. Zudem haben zahlreiche globale Unternehmen ihren Sitz in Europa, etwa die Luxusunternehmen LVMH und Ferrari, die Online-Zahlungsplattform Adyen sowie die Basiskonsumgüter-Riesen Unilever und Nestlé.
Japan auf dem Vormarsch
In den vergangenen Jahrzehnten liessen die Renditen japanischer Aktien zu wünschen übrig, doch im vergangenen Jahr haben sie eine solide Performance gezeigt. Die Unternehmen haben ihre Produktivität auf breiter Front gesteigert, allerdings liegen sie weiter hinter ihren Konkurrenten in den USA und Europa zurück, da die Fortschritte zu langsam vorangehen. Einige Unternehmen wie Olympus und der Brauereikonzern Asahi schaffen es jedoch, in puncto Corporate Governance an ihren Wettbewerbern vorbeizuziehen. Wir sind überzeugt, dass sich aktiven Anlegern in Japan mittlerweile gute Chancen bieten.
Risiken und Chancen in Schwellenländern verstehen
Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass sich die grossen Emerging Markets im Jahr 2021 schneller erholen werden als die Industrieländer. Dessen ungeachtet sollten Anleger ihr Augenmerk auf die einzelnen Unternehmen richten. Die asiatischen Volkswirtschaften haben sich in den letzten Jahren gut entwickelt und bieten Anlegern nun ein attraktiveres Unternehmensspektrum. So nehmen Internetunternehmen in vielen dieser Länder beherrschende Positionen ein und dominieren die Lieferketten. Dies gilt etwa für den Halbleiterhersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC).
Mithilfe von neuesten Technologien bieten einige Unternehmen aus Schwellenländern ihren Kunden Mehrwert, steigern ihre Effizienz und schützen sich vor Disruptoren. In Indien haben beispielsweise die HDFC Bank und die Kotak Mahindra Bank auf technologische Verbesserungen gesetzt und sind so zu Marktführern geworden.
Starke Unternehmen finden sich in vielen Schwellenländern zudem im Verbrauchersektor. Walmex, das mexikanische Walmart, dominiert im traditionellen Offline-Einzelhandel. Dennoch hat es die Pandemie genutzt, um mit einer Online-Plattform Kunden zu gewinnen. Nach unserer Überzeugung wird Walmex 2021 dank seines Omni-Channel-Angebots kontinuierlich wachsen. Wir betrachten das brasilianische Unternehmen NotreDame Intermedica als hochwertiges Unternehmen im Gesundheitssektor, das den Fokus auf Effizienzsteigerungen und bessere Kundendienstleistungen legt – trotz der Sorgen der Anleger wegen der aktuellen politischen Führung.
Ein vielversprechendes neues Jahr
Nach einem stark durch die Folgen von COVID-19 geprägten Jahr könnte die Unsicherheit andauern. Beispielsweise können Zinsänderungen und politische Umwälzungen Märkte und Unternehmen in Unruhe versetzen. Doch wir bleiben mit Blick auf die Marktaussichten für aktive High-Quality-Growth-Anleger für das Jahr 2021 weiter optimistisch. (Vontobel/mc/pg)