Vaduz – Die EZB klang heute hawkischer. Das unterstreicht ihren Beschluss, das PEPP-Volumen im vierten Quartal leicht zu drosseln. Der aktuelle Inflationsanstieg wird zwar nach wie vor als temporär erachtet, gleichzeitig würden Teuerungsrisiken zunehmen. Die EZB-Volkwirte rechnen jetzt mit einer Inflationsrate von 2.2 % (Juni-Projektion: 1.9 %) im laufenden Jahr, im kommenden Jahr wird die Teuerung laut den Projektionen 1.7 % (Juni-Projektion: 1.5 %) betragen. Doch weniger als das reine Projektions-Zahlenwerk, war vor allem der veränderte Tonfall während der Pressekonferenz unüberhörbar.
Auffallend war, dass Christine Lagarde während der Pressekonferenz sehr häufig auf Inflationsrisiken verwies. Aufgrund der Knappheitsproblematik im Bereich von industriellen Vorprodukten und des Risikos von Zweitrundeneffekten scheint die EZB eine hohe Unsicherheit hinsichtlich ihres Inflationsausblicks zu verspüren. Sollten sich die höheren Inflationsraten als hartnäckiger erweisen, müsste die EZB gegenlenken. Die Geldpolitik müsste früher als erwartet und deutlicher gestrafft werden. Christine Lagarde wollte mit ihrem heutigen mehrmaligen Wiederholen und Skizzieren von Inflationsrisiken die Tür für restriktive Massnahmen offenhalten.
Dies zeigt: Die EZB ist aktuell in schwieriger Mission unterwegs. Einerseits trübt sich der wirtschaftliche Ausblick bereits schon wieder ein, andererseits nehmen die Inflationsrisiken zu. Beiden Seiten gerecht zu werden, ist ein Spagat, der zwar schwierig, aber in Anbetracht des umfangreichen EZB-Werkzeugkastens durchaus bewältigbar ist.
Die EZB macht das naheliegendste und pflückt die niedrig hängenden Früchte, in dem sie das monatliche Wertpapierankaufvolumen leicht reduziert. Im Pressetext heisst es dazu: «Auf Grundlage einer gemeinsamen Beurteilung der Finanzierungsbedingungen und der Inflationsaussichten sei der EZB-Rat zu der Einschätzung gelangt, dass günstige Finanzierungsbedingungen auch dann aufrechterhalten werden könne, wenn der Umfang des Nettoerwerbs von Vermögenswerten im Rahmen des PEPP gegenüber den vorangegangenen beiden Quartalen moderat reduziert werde.»
Zum Hintergrund: Die Währungshüter haben im zweiten Quartal ihr monatliches Wertpapierankaufvolumen merklich aufgestockt und dies bislang auch so beibehalten. Begründet wurde der Schritt unter anderem mit einem erhöhten Volumen an Fälligkeiten im Bereich von europäischen Staatstiteln. Die EZB wirkte also damit einem angebotsbedingten Renditeanstieg entgegen.
Im dritten Quartal fallen die Fälligkeiten geringer aus, so dass sich die EZB nun sicher fühlt und wieder sukzessive auf das monatliche durchschnittliche Kaufvolumen des ersten Quartals zurückgehen wird. Dies ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einem Tapering. Das erhöhte Kaufvolumen im zweiten und laufenden Quartal war eine temporäre Massnahme. Diese läuft jetzt aus. Die EZB dürfte monatlich dennoch für mehr als 50 Mrd. EUR monatlich Wertpapiere im Rahmen des PEPP kaufen. Das ist kein Tapering, sondern lediglich eine Rückkehr zu dem, was wir im ersten Quartal 2021 gesehen haben. (VP Bank/mc/ps)