Vaduz – Nach dem fulminanten Start lässt der Januar-Effekt auf ein gutes Anlagejahr hoffen. Doch so unaufgeregt wie zuletzt dürfte es nicht bleiben.
von Bernd Hartmann, Head of CIO Office (Chief Strategist), VP Bank
Die Finanzmärkte verzeichnen einen gewinnreichen Start ins Jahr. Das ist eine Wohltat für die Anleger nach den grossen Verlusten in fast allen Anlageklassen im Vorjahr. Die Segmente, welche die stärksten Verluste erlitten, konnten nun die grössten Kursgewinne verzeichnen. Dahinter steht die Hoffnung der Anleger, dass wieder ruhigere Zeiten mit einem anlegerfreundlicheren Marktumfeld einkehren.
Zumindest für Aktien ist das nicht ganz abwegig, denn es gibt einen nachweisbaren Januar-Effekt. Anhand der Daten für den breiten Aktienindex S&P 500 lässt sich zeigen, dass sich die Performance im ganzen Jahr oft so verhält wie im Januar. Konkret stieg der S&P 500 in den letzten 70 Jahren im Januar 40-mal, 35-mal davon war dies auch Ende Jahr der Fall (88 %). In den 30 Jahren mit Januar-Verlusten war das Resultat ausgeglichen, das heisst in 50 % der Fälle gab es auch einen Jahresverlust, in 50 % jedoch einen Gewinn. In Europa ist die Historie von Indexdaten wesentlich kürzer. Der Stoxx 600 startet 1987, da liegt das Hit-Ratio bei positivem Januar aufs Jahr 71 %. In der Schweiz starten die Daten 1969, da sind es 74 %.
Aktienmärkte mit starkem Lebenszeichen
Besonders stark erholten sich die im Vorjahr noch stark verkauften Technologie-Werte. Im technologielastigen US-Index Nasdaq folgte auf ein Minus von 33 % im Vorjahr eine Januar-Performance von 11 %. Auch im breiten Aktienmarkt zeigt sich ein «Risk-Reversal»: Zwei der drei schwächsten Aktien des Dow Jones Industrial (Salesforce und Disney) führen im Januar den Index an.
Verglichen mit der eigenen Historie trumpften hingegen die europäischen Börsen auf. Seit der Auflage des Stoxx 600 ist dieser Index nur 3-mal erfolgreicher in das Jahr gestartet als 2023.
Noch ist nicht sicher, ob die Erholung an den Aktienmärkten weitergehen kann und ob wir uns bereits im Aufschwung befinden. Abgesehen vom Januar-Effekt in den USA gibt es historische Muster, die gegen eine Trendwende sprechen. Zum Beispiel werden üblicherweise die Indextiefs während einer Rezession erzielt; sie hat sich noch nicht eingestellt, wird aber erwartet. Globale Vorlaufindikatoren schwächen sich weiter ab und der Rückgang der Unternehmensgewinne hat gerade erst begonnen.
Entpuppt sich die aktuelle Gegenbewegung als nicht tragfähig und fallen die Indizes unter den Stand zum Startpunkt der Erholung, spricht man von einer Bärenmarktrally, also einer Zwischenerholung in einer längeren Abwärtsbewegung. Immer wieder entpuppen sich starke Bewegungen als Fehlsignal bevor der Markt die Trendwende schafft. Die seit Oktober laufende Erholung reiht sich unter die stärksten Bärenmarktrallys im Weltaktienindex MSCI Worldüberhaupt ein.
Kommt es zu einem Rückschlag, kann es durchaus sein, dass der Markt zwar einen Grossteil seiner jüngsten Gewinne wieder abgibt, jedoch keine neuen Tiefstände mehr verzeichnet. Das wäre dann ein Zeichen für den Einstieg.
Duration bestimmt Anleihen-Performance
Ein ähnliches Bild zeigt sich an den Obligationenmärkten. Dort erwies sich 2022 aufgrund steigender Zinsen eine hohe Restlaufzeit (Duration) als Bürde. Anleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren und länger verzeichneten noch nie da gewesene Verluste: In Euro waren es 32 %, in USD waren es 27 % (gemessen am Bloomberg Euro respektive US Aggregate 10+ year). Der Januar brachte jetzt überdurchschnittliche Kursgewinne mit einem Plus von 4.7 % (EUR) und 6.5 % (USD). Tiefe Bonitäten, also Obligationen von Unternehmen mit schwachen Bilanzen, schlugen Anleihen mit hoher Qualität.
Im Jahresverlauf sollte sich die positive Tendenz an den Anleihenmärkten fortsetzen. Der Rückgang der Teuerung und die Abkühlung der Wirtschaft sprechen gegen eine Fortsetzung des aufwärtsgerichteten Renditetrends des Vorjahres. Auch in der Vergangenheit war nach einem starken Renditeanstieg jeweils ein Rückgang im Folgejahr wahrscheinlicher als ein erneuter Anstieg (vgl. Grafik).
Bei Unternehmensanleihen zweifeln wir jedoch daran, dass sich der Rückgang der Kreditaufschläge in den nächsten Monaten weiter fortsetzt. Angesichts der konjunkturellen Aussichten könnten sich die Kreditaufschläge zumindest in den kommenden Monaten erneut ausweiten, bevor eine Entspannung einsetzt (siehe auch: Anleihen bieten wieder Chancen).
Wie der Januar, so das Jahr
Der Start in das neue Anlagejahr verlief vielversprechend und lässt auf ein gutes Abschneiden zum Jahresende hoffen, in Aktien wie in Anleihen. Investoren sollten aber geduldig und weiterhin defensiv positioniert bleiben. Weitere Risiken sollten erst im Jahresverlauf eingegangen werden, weil die jüngsten Kursgewinne auf der Hoffnung basieren, dass wir geradewegs in ein äusserst anlegerfreundliches Umfeld zurückkehren, was wir bezweifeln.
Denn bleibt eine Rezession aus, wird die US-Notenbank die Zinsen nicht senken. Zu den von Anlegern erwarteten Senkungen dürfte es nur kommen, wenn die Rezession nicht mild verläuft und der Rückgang der Inflation dies erlaubt. Somit erscheint es wahrscheinlich, dass das Kapitalmarktumfeld in den kommenden Monaten herausfordernd bleibt. (VPB/mc)