VP Bank: Zeichen einer Erholung in China

Bernd Hartmann

Bernd Hartmann, Head of CIO Office (Chief Strategist) VP Bank. (Foto: VP Bank)

Die chinesische Wirtschaft hat einiges zu verdauen. Während die Immobilienkrise die Binnenkonjunktur belastet, drohen im Aussenhandel neue Zölle die chinesischen Exporte zu bremsen. Doch zuletzt gab es aber auch positive Nachrichten, welche den Aktienmarkt anschoben. Bernd Hartmann, Head of CIO Office der VP Bank, beantwortet fünf aktuelle Fragen zum Thema China.

China hat jüngst Massnahmen zur Belebung des Immobiliensektors beschlossen. Welche und warum ist das für internationale Anleger wichtig?

Es sind mehrere Massnahmen. Erstens werden die Eigenkapitalanforderungen für Immobilienkäufe für Erst- und Zweitwohnungen um je 5 Prozentpunkte gesenkt. Gleichzeitig gelten künftig tiefere Hypothekarzinssätze für Immobilien, die mit Geldern aus Bausparfonds (provident funds) verwendet werden. Das Paket wird abgerundet durch ein Programm der chinesischen Zentralbank in der Höhe von umgerechnet USD 42 Mrd. Das Geld soll es lokalen Behörden ermöglichen, zu günstigen Konditionen unverkaufte Wohnungen zu erwerben, um sie entweder weiterzuverkaufen oder im Segment bezahlbarer Wohnungen zu vermieten.

Die wichtigste Nachricht ist jedoch, dass die Regierung erstmals bereit ist, den Immobilienmarkt zu unterstützen. Bisher beschränkte sie sich darauf, das Platzen der Immobilienblase zu verhindern.

Was bedeutet das für den Immobilienmarkt?

Der Bauboom war lange ein wichtiger Wachstumsmotor. Doch mittlerweile sind Immobilien unerschwinglich geworden, was zusehends zu einem gesellschaftlichen Problem wurde. Eine notwendige Preiskorrektur lässt die Regierung aufgrund der weitreichenden Folgen aber nicht zu. Die hohen Preise haben den Markt zum Erliegen gebracht. Baubeginne und Immobilienverkäufe sind stark zurückgegangen. Die jüngst angekündigten Massnahmen helfen, die Lage zu stabilisieren, sie werden aber die Immobilienkrise nicht lösen können. Die Interventionsbereitschaft der Regierung könnte jedoch ein wichtiges Signal für Konsumenten und Investoren sein. Deren Vertrauen hat stark unter der vom Immobilienmarkt ausgehenden Unsicherheit gelitten.

Die USA haben neue Zölle auf chinesische Importe erlassen, China hat seinerseits Massnahmen für Chemikalienimporte angekündigt. Steht ein neuer Handelsstreit bevor?

Dafür gibt es Anzeichen. Während sich überall die Waren verteuern, flutet China dank Überkapazitäten die Weltmärkte mit billigen Waren. Mehrere Industrieländer sehen im Reich der Mitte mittlerweile einen Systemrivalen. Anders als noch vor 15 oder 20 Jahren werden billige chinesische Produkte, die eigentlich die Kaufkraft der westlichen Konsumenten erhöhen, nicht mehr als Vorteil gesehen. So werden nun auch die staatlichen Subventionen Chinas angeprangert. Dabei folgen gerade die USA mit ihrem «Inflation Reduction Act» dem chinesischen Beispiel und betreiben selbst eine grosszügig unterstützte Industriepolitik.

Zudem ist die Lenkungswirkung von Zöllen fraglich. Denn trotz der Strafzölle, die der frühere US-Präsident Donald Trump verhängt hatte, ist das US-Handelsbilanzdefizit weiter gestiegen. Ausserdem reagieren die Unternehmen. So hat der chinesische Elektroautohersteller BYD angekündigt, ein Werk in Ungarn bauen zu wollen und auch Mexiko ist als Standort im Gespräch. So können Unternehmen Strafzölle umgehen.

China müsste als Exportweltmeister der grosse Verlierer sein. Doch der Aktienmarkt hat sich 2024 besser entwickelt als jener in den USA. Wie passt das zusammen?

Angesichts der Nachrichtenlage litt der chinesische Markt unter einem extremen Pessimismus. Westliche Investoren zogen sich als Folge der geopolitischen Spannungen und der ausbleibenden wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie zurück. Einheimische Anleger waren aufgrund der Immobilienkrise sehr zurückhaltend. Der Aktienmarkt büsste zwischen 2021 und 2022 mehr als 60 % ein. Angesichts dieses Pessimismus genügte das Ausbleiben weiterer negativer Nachrichten, um eine Wende herbeizuführen.

Seit dem Januar-Tief hat der MSCI China gut 30 % zugelegt, mehr als die meisten Industrie- und Schwellenländer-Indizes. Wie geht es weiter und wie ist die langfristige Einschätzung?

Die erste Phase war geprägt von Investoren, die sich gegen die Masse stellten und kauften, was keiner wollte (vgl. Investmentidee «Kaufen was keiner will»). Nun ist es wichtig, dass Anschlusskäufe von prozyklisch orientierten Anlegern, die den Markt wiederentdecken, folgen und die Erholung an Breite gewinnt. Es gibt einige Indikatoren, die für eine weitere Aufwärtsbewegung des chinesischen Markts sprechen. Die Stimmung ist sicher besser als zu Jahresbeginn. Zwar sind die Bewertungen im Zuge der Erholung gestiegen, mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11 für das laufende Jahr aber immer noch moderat.

Kritischer beurteilen wir die langfristigen Aussichten für China. Mit dem Immobilienmarkt, dem demografischen Gegenwind und dem gegenwärtigen politischen Kurs dominieren weiterhin die Herausforderungen.

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